Ein großer Haufen Wal-Knochen ist für die meisten Leute nur , nun ja, eben ein großer Haufen Wal-Knochen.
Fossile Wale haben gegenüber frisch gestrandeten übrigens einen erheblichen Vorteil: Sie stinken nicht und es besteht keine Explosionsgefahr.
Paläontologen haben auf einen solchen Fossilfundort eine Perspektive wie Gerichtsmediziner.
Sie schauen sich den Fundort detailliert an und erstellen daraus eine Analyse, was hier passiert sein könnte.
Die Kunst, aus einem Fossil seine Lebens- und Todesumstände herauszulesen, heißt Taphonomie.
Die hervorragend erhaltenen Wal-Skelette weisen darauf hin, dass alles sehr schnell ging:
Die Wale von Cerro Ballena sind auf See schnell gestorben, dann an den Strand gespült worden und dort schnell mit feinem Sand-Sediment bedeckt worden.
Sie haben an einem Strandabschnitt gelegen, der noch vom Wasser überspült wurde und von einer davor liegenden Sandbarre geschützt wurde.
Hätte das Anspülen und Sedimentieren länger gedauert, wären die Kadaver der Ozeanriesen angeknabbert worden – jeder tote Wal ist eine Schlaraffeninsel für viele Meerestiere – vom Hai bis zum Wurm. Diese Wale sind aber so gut wie vollständig, die Knochen liegen anatomisch korrekt im „Verband“, also zusammenhängend, im Sand. Die einzigen Fraßspuren auf den Knochen sind kleine Spuren von Krebsen.
Insgesamt gibt es in Cerro Ballena vier unterscheidbare Fossilhorizonte – es hat also vier Massenstrandungen gegeben.
Wer war der Mörder? Tsunami, Virus, Algengift?
Pyenson postuliert in der Publikation „Repeated mass strandings of Miocene marine mammals from Atacama Region of Chile point to sudden death at sea” die Hypothese, dass die Wal-Fossilien von Cerro Ballena an einer Giftalgen-Blüten (harmful algal blooms =HAB, Rote Flut) gestorben sind.
Wie kommt er auf die Giftalgen?
Um herauszufinden, woran die Wale vor 6 bis 9 Millionen Jahren gestorben sind, muss man sich die Todesursachen heutiger Meeressäuger ansehen.
Massenstrandungen von Walen haben verschiedene Ursachen:
- Tsunamis: die Tiere werden lebendig an den Strand geworfen, daran sollten verschiedene Arten beteiligt sein.
- Morbillivirus: diese Virusinfektion ist vor allem bei Delphinen verbreitet und trifft eine oder wenige Arten. Die Tiere sterben meist auf See und werden tot an den Strand gespült.
- Giftalgen-Blüten (harmful algal blooms): Die Wale werden meist schon tot an den Strand gespült, es sind verschiedene Arten beteiligt.
- ungeklärte Massenstrandungen noch lebender Tiere, die wahrscheinlich auf „Navigationsfehler“ zurückzuführen sind. Dabei ist jeweils nur eine einzige Art betroffen, für Bartenwale ist solch eine Strandung in keinem einzigen Fall nachgewiesen. Nur die Zahnwale, die sich mit Sonar orientieren, scheinen für solche Irrwege anfällig zu sein. Bartenwalmassenstrandungen sind äußerst selten
Heute gibt es natürlich noch viel mehr Erklärungen für Walstrandungen durch menschliche Einflüsse, die werden hier natürlich nicht berücksichtigt.
Im vorliegenden Fall sind große Bartenwale, verschiedene Zahnwale, Robben, Meeres-Faultiere und verschiedene Fische gestorben. Es sind also viele Arten betroffen (Multispeziesstrandung).
Die am stärksten vertretene Fossilgruppe sind die Bartenwale. Die Tiere liegen mit dem Bauch nach oben. Das bedeutet, dass sie tot oder sterbend angespült wurden, sie können sich, einmal gestrandet, nämlich nicht mehr umdrehen.
Das Sediment ist ohne Störungen geschichtet. Ein Tsunami oder ähnlicher Flut-Event ist ausgeschlossen – der hätte Spuren im Sediment hinterlassen müssen (sogenannte Turbidite).
Die Spuren der Wellen sind als Rippelmarken fossil erhalten. Die Fossilien liegen rechtwinklig zum Spülsaum. Die Tiere sind also vom Wellenschlag an den Strand gespült und dort „eingeregelt“ worden.
Also: Eine Multi-Spezies-Strandung von toten und sterbenden Tieren ohne Tsunami lässt als Todesursache nur eine Giftalgenblüte zu.
Giftalgen und große Wale?
Eine Giftalgenblüte (Harmful algal blooms, HAB) bedeutet ein massenhaftes Wachstum einer giftigen Algenart, die Tod und Verderben für die gesamte Nahrungskette bringt. Berüchtigte Giftalgen sind z. B. die Dinoflagellaten, die das Wasser rot färben. Daher kommt auch der Begriff „Rote Flut“ (red tide). Manche Arten können Neurotoxine produzieren, die für die meisten Organismen hoch giftig sind.
Normalerweise sterben bei einer Roten Flut Zahnwale, vor allem Delphine.
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