Wieder einmal gibt es schlechte Nachrichten über die Cuvier-Wale (Ziphius cavirostris) in griechischen Gewässern.
Über den MarMam-Verteiler kam heute morgen die üble Meldung herein: „One more atypical mass stranding of Cuvier’s beaked whales in Greece (SE Crete, Hellenic Trench) during military exercise“ lautet die Überschrift, der Absender ist Dr. Alexandros Frantzis (Scientific director, Pelagos Cetacean Research Institute, Vouliagmeni, Greece).
Frantzis hatte 1996 als erster den Zusammenhang zwischen dem Sonar-Einsatz und dem Schnabelwal-Tod in Nature publiziert: A. Frantzis: “Does acoustic testing strand whales?” Scientific Correspondence); https://en.wikipedia.org/wiki/Marine_mammals_and_sonar). (Nature 392, 29 (5 March 1998) | doi:10.1038/3206).
Am 1.04.2014 sind zwischen 12:00 und 13:30 Uhr mindestens 5 Cuvier-Schnabelwale in der Gegend um Ierapetra, im Südosten der Insel Kreta gestrandet. 3 weitere Tiere strandeten 17 km westlich davon. 2 einzelne Tiere strandeten noch 500 m und 2,7 km weiter östlich. Ein Wal starb, die anderen wurden von Anwohnern zurück ins Meer geleitet und nicht wieder gesehen.
Der Schnabelwal-Experte Frantzis beschreibt die Strandung als atypisch: Eine Massenstrandung von äußerlich unverletzten Schnabelwalen – derartige Strandungen kommen normalerweise bei diesen Tieren nicht vor.
Warum sind die Wale auf Kreta gestrandet?
Eine Recherche führte die Wal-Wissenschaftler auf die Spur:
Die israelische, griechische und US-Marine hatte eine trilaterales See-Manöver im Seegebiet vor Griechenland durchgeführt (Noble Dina 2014).
Unter anderem wurde der Einsatz von U-Boot-Abwehr-Waffen (anti-submarine warfare = ASW) geübt.
Das bedeutet den Einsatz von starkem Sonar!
Die moderne Marine-Sonartechnik wie das Low Frequency Active Sonar (LFAS) soll feindliche U-Boote über große Entfernungen und bis in große Tiefen orten.
Der Einsatz von LFAS-U-Boot-Abwehr-Technik hat bereits mehrfach und in verschiedenen Ozeanen zu Schnabelwal-Strandungen geführt.
Das internationale Walforschungs-Projekt ACCOBAMS (Agreement on the Conservation of Cetaceans in the Black Sea, Mediterranean Sea and contiguous Atlantic)
hatte im November 2013 erstmals eine Karte erstellt, in welchen Teilen des Mittelmeeres der Einsatz dieser Sonar-Technologie vermieden werden sollte. Diese Karte zeigt die Meeres-Gebieten, in denen nachweislich Schnabelwale leben. Die Wal-Vorkommen sind durch Sichtungen lebender Tiere und Strandungsberichte nachgewiesen. Ein solcher Hot-Spot liegt im Südosten der Insel Kreta – genau dort, wo jetzt die Wale gestrandet sind.
Wie geht es weiter?
Frantzis und seine Kollegen haben die zuständigen griechischen Behörden und die griechische Vertretung von AACOBAMS über die neueste Strandung informiert und sie um Unterstützung gebeten, um einen weiteren Sonareinsatz während dieses Manövers zu verhindern.
Außerdem sind die Hafenbehörden und zahlreiche Freiwillige informiert worden, die Strandabschnitte zu beobachten.
Die Wal-Forscher hoffen nun, keine weiteren Wale am Strand zu finden.
Ob die ins Meer zurückgeführten Tiere eine Überlebenschance haben, weiß niemand.
Das Sonar versetzt die Tiere in Panik, so dass sie viel zu schnell aus großen Tiefen auftauchen. Die Wale sterben dann an schweren, Taucherkrankheits-ähnlichen Symptomen: massiven Blutungen in den Ohren, im Gehirn und in der Lunge.
Die Sektion des verstorbenen Tieres wird Aufschluss über die Todesursache geben. Bei einem frisch verstorbenen Wal können die entsprechenden inneren Verletzungen nachgewiesen werden.
Bitter für diese lokale Cuvier-Schnabelwal-Population: Sie sind bereits bereits mehrfach durch solche Sonar-Einsätze der NATO und anderer Seestreitkräfte stark dezimiert worden, zuletzt 2011 im November und Dezember.
Niemand weiß, wie viele Cuvier-Wale es in den Gewässern um Griechenland gibt.
Aber: Die großen Wale sind Top-Prädatoren mit einem großen Nahrungs- und Raumbedarf, außerdem dürften sie eine hohe Lebenserwartung und eine geringe Fortpflanzungsrate haben.
Dementsprechend wird ihre Anzahl recht gering sein, weil kein Ökosystem viele Top-Prädatoren ernähren kann.
Frantzis und andere Schnabelwalexperten befürchten, dass die Cuvier-Wale im griechischen Mittelmeer bereits jetzt am Rande der Ausrottung stehen.
Die sehr tiefen Gräben und Becken des Mittelmeeres südöstlichlich der Insel Kreta sind jedenfalls ein idealer Lebensraum für die Tieftauch-Meister.
Oder waren es zumindest.
Die vorhandenen Daten zu „Volkszählungen“ von Schnabelwalen auch aus anderen Regionen weisen leider darauf hin, dass ihre Bestände abnehmen.
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