„The Flight of the Vampire“ stand 1998 als Überschrift auf dem Cover eines Zeitschriftencovers. Darunter ein Bild des Tiefseevampirs – das Innere nach außen gestülpt.
Wie ein umgestülpter Regenschirm.
Knallrot.
In der Tiefsee lebend.
Vampiroteuthis infernalis – der Name bedeutet: Vampirtintenfisch aus der Hölle
Der Biologe Brad Seibel und seine Kollegen hatten 1998 erstmals in der Geschichte der Ozeanforschung einen lebenden Vampirtintenfisch vor die Kamera bekommen.
Der kleine, bis 30 cm große Tintenfisch dümpelt meist entschleunigt mit der Strömung und paddelt ein bisschen mit seinen großen Flossen, die wie die Ohren des fliegenden Elefanten Dumbo aussehen. Wenn er es mal sehr eilig hat, kann er allerdings auch den Rückstoß-Gang einlegen: dazu stülpt er die Arme über den Kopf.
Die Arme tragen eine Reihe von Haken, das macht einen gefährlichen Eindruck.
Unwillkürlich formen sich Bilder in meinem Gehirn, wie sich diese Haken in das Fleisch fliehende Beutetiere bohren…
Vampiroteuthis infernalis – der Vampirtintenfisch aus der Hölle
Bekannt ist Vampiroteuthis infernalis schon ziemlich lange. Der deutsche Zoologe Dr. Carl Chun hatte das außergewöhnliche Tier schon bei der ersten deutschen Tiefsee-Expedition (1898-1899) mit der „Valdivia“ gefangen und 1903 wissenschaftlich beschrieben. Die Zeichnung zeigt deutlich ein etwas klumpiges rotes Tiefseewesen mit Flossen.
Die zwischen den Armen aufgespannte Haut erinnerte den Zoologen Chun an den Umhang eines Vampirs – so kam es zu dem blutrünstigen Namen.
Als Tiefseeanpassung hat er bläulich schimmernde, sehr große Augen und viele Lichtorgane, er kann sogar leuchtende „Tinte“ ausstoßen. Passend zur meist langsamen Bewegung hat der kleine rote Tiefseevampir einen sehr geringen Stoffwechsel. Und Rot ist in der lichtlosen Tiefe eine Tarnfarbe.
Heutige Tintenfische haben 8 Arme (Kraken) oder 10 Arme (Kalmare) – Vampiroteuthis infernalis hat 8 Arme wie ein Krake, zusätzlich trägt er noch zwei lange, fadenartige Arme mit vielen Sinneszellen. Dieses gelblich gefärbten „Sinnesarme“ können in Hautfalten zurückgezogen werden. Mit seiner Armausrüstung passt der Vampir weder exakt zu den Kraken noch zu den Kalmaren, darum hat er seine eigene Ordnung bekommen: die Vampyromorpha.
Tiefseeexperten halten ihn für ein stammesgeschichtlich altes Relikt.
Ob „altmodisch“ oder nicht: Der kleine rote Vampir ist immer wieder für eine Überraschung gut.
Erst 2012 hatten Forscher des Monterey Bay Aquariums ihn mit der Videokamera eines ROV beim Essen beobachtet:
Der furchtbare Tiefseevampir nascht am liebsten Meeresschnee.
Dieser „Schnee“ des Meeres ist eine Substanz aus flauschigen weißlichen Flocken – ein Partikelstrom aus abgestorbenen und ausgeschiedenen Substanzen von Plankton und anderen Meeresbewohnern.
Für die Nahrungsaufnahme hatte er die fadenartigen Arme eingesetzt. Mit den „Fäden“ (Filamenten) angelt er die Detritus-Partikel, dann zieht er die Arme zurück und „lutscht“ die Schneeflocken ab.
Mehr dazu im Video: “What the vampire squid really eats”
In diesem Fall hatte der Tiefseevampir Meerschnee geschluckt, der gelatinöses Zooplankton, Larvalhüllen, Krebsreste, Diatomeen und Kotpellets enthielt.
Vampyroteuthis geht mir seiner Detritus-Diät und der Art der Nahrungsaufnahme einen sehr eigenen Weg, alle anderen heute lebenden Tintenfische sind Jäger.
Nun ist die tiefseetauchende Legende wieder in die Schlagzeilen gekommen:
Im Monterey Bay-Aquarium wohnt seit einigen Tagen ein lebender Tiefseevampir. Sein Co-Star ist ein transparenter Oktopus („Midwater Octopus“), ebenfalls aus den Tiefen des Golfs von Kalifornien. Beide sind die Stars der Sonderausstellung „Tentacles“, sie geben eine Extravorstellung für die Menschen.
Leider ist zu befürchten, dass sie ihren Auftritt nicht lange überleben werden. Tintenfische sind im Aquarium recht empfindlich, außerdem werden die meisten sowieso maximal ein Jahr alt.
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