Der Japanische Riesensalamander ist ein amphibisches Relikt aus dem Dunkel einer sumpfigeren Vorzeit. Das archaische Urgetüm existiert in seiner Riesenform heute nur noch in wenigen Arten in Asien und Amerika, in Europa sind die Riesesalamander seit dem Ende des Pliozäns ausgestorben.
Zahlreiche Fossilienfunde stammen aus Deutschland, der Schweiz und Österreich aus dem Oligozän, Miozän und Pliozän.
Ein Reliktvorkommen von urtümlichen Lurchen, das aus der Zeit gefallen zu sein scheint und dem der Kontakt mit der menschlichen Zivilisation nicht gut bekommt. Der Klimawechsel hat nur Reliktvorkommen hinterlassen, und anthropogene Einflüsse wie Bejagung und Lebensraumzerstörung haben dafür gesorgt, dass zumindest die asiatischen Riesensalamander heute unter Artenschutz stehen. Die voll aquatische Lebensweise und hohe Ansprüche an die Wassergüte haben diese Tiere in Trockenzeit, Eiszeit, Meeresüberflutungen und menschlicher Zivilisation verwundbar gemacht.
Der Japanische Riesensalamander wurde schon 1836 wissenschaftlich beschrieben: Andrias japonicus (Temminck, 1836). Seine Lebensumstände blieben jedoch noch lange wenig erforscht.
So konnte es passieren, dass der französische Autor Jules Verne in seinem ozeanischen Meisterwerk „20.000 Meilen unter den Meeren“ in dem Kapitel „Der Schwarze Strom“ auf einer Abbildung zur Artenvielfalt des östlichen Pazifiks auch einen Japanischen Riesensalamander abbildet. Der friedlich auf einem Stein sitzt und den seltsamen Fischen über ihm keinen Blick schenkt.
Dass Amphibien niemals im Meer leben, war Verne entweder nicht bekannt oder er hat es aus dramaturgischen Gründen ignoriert. Er hat das ungewöhnliche aquatische Wesen möglicherweise bei einer seiner Reisen in einem europäischen Zoo bestaunt. „Der erste Japanische Riesensalamander wurde erst im Jahre 1829 durch Philipp Franz von Siebold nach Europa gebracht, und zwar nach Leiden, wo er noch 52 Jahre weiterlebte. Dies deutet darauf hin, dass diese Tiere sehr alt werden können. Riesensalamander sind seitdem begehrte Schauobjekte für Zoologische Gärten. So wies schon Baedeker 1863 im Band Belgien und Holland auf ein Exemplar des “Cryptobranchus Japonicus” als besondere Sehenswürdigkeit im Amsterdamer Zoo hin, das nicht einmal der Londoner Zoo besäße.“(wikipedia: Riesensalamander). (Anmerkung: Cryptobranchus Japonicus war die ursprüngliche wissenschaftliche Bezeichnung von Andrias japonicus. Im Zuge einer systematischen Neuordnung erhielt der Lurch einen neuen Gattungsnamen).
Andrias scheuchzeri: Der Molch als armer Sünder
Der fossile Riesensalamander A. scheuchzeri lebten bis vor 14 Millionen Jahren – im Miozän – auch in Europa.
Das erste beschriebene Exemplar wurde allerdings erst einmal falsch einsortiert und spektakulär als menschliches Fossil vermarktet: als armer Sünder, der in der in der Sintflut umgekommen war.
Der Schweizer Arzt und Naturforscher Johann Jakob Scheuchzer hatte sich intensiv mit Fossilien beschäftigt und sah in ihnen zahlreiche Beweise für die biblische Sintflut. Versteinerte Meerestiere in den Alpen und zahlreiche andere Funde von Muscheln, Schnecken, Fischen und anderen Wasserwesen im Gestein weitab der heutigen Meere hatten ihn immer wieder in seiner Überzeugung bestätigt. Nur ein in der Sintflut ertrunkener Mensch fehlte ihm noch in seiner Beweiskette.
Schließlich fand er ein passendes Skelett im bröckeligen Tongestein bei Öhningen: „Wisset, vielerfahrener Herr, dass uns einige Reste des in der Sintflut untergegangenen Menschengeschlechts überkommen sind“ schrieb der Schweizer Gelehrte 1726 an Sir Hans Sloane und stellte in den Philosophical Transactions of the Royal Society ein von ihm am Schiener Berg gefundenes Skelett als das eines in der Sintflut ertrunkenen Menschen vor: „Was sich an ihm [ der Skelett-Fund] erkennen lässt, sind … recht zahlreiche, wirklich erhaltene Teile eines menschlichen … Hauptes mit Schläfenbogen, Stirnbein, Vorder- und Hinterhauptsknochen, Augenhöhle…“. In der Nähe von Öhningen nahe des Bodensees hatte er in den mergeligen Plattenkalken aus dem Miozän zwei Skelettreste gefunden, die ihm als menschliche Überreste erschienen. Da er aus den gleichen Schichten auch schon Fischreste besaß, war für ihn klar, dass dieses Areal durch die biblische Sintflut geflutet worden sein musste.
Gleichzeitig ließ Scheuchzer noch ein Flugblatt drucken: „Homo diluvii testis“.
Ein illustriertes Flugblatt war damals der Gipfel des wissenschaftlichen Marketings.
Auch wenn Scheuchzer seinem Fund eine „gründliche Übereinkunft mit denen Theilen des menschlichen Bein-Gerüsts [damit ist hier das Skelett gemeint, bw] attestierte, kamen andere Naturforscher schnell zu anderen Ergebnissen. Johannes Geßner erkannte 1758, dass es sich keinesfalls um einen Menschen handeln konnte und ordnete die Überreste einem Wels zu. Der Holländer Peter Camper identifizierte es 1777 als eine große Echse.1811 kam der Anatom und Wirbeltierpaläontologe Baron Georges Cuvier zu dem Ergebnis, dass es sich um einen großen Salamander handeln müsse. Endlich lag der Molch in der richtigen systematischen Schublade.
Die große Zeit der Panzerlurche
Aber auch Andrias scheuchzeri war schon ein Relikt aus der Vergangenheit.
Ihre ganz große Zeit hatten die Amphibien im Devon, Karbon und in der Trias.
Das gewaltigste Amphib aller Zeiten war der Mastodonsaurus giganteus, ein Dachschädellurch mit bis zu 5 Metern Länge. „Dachschädellurch“ oder Labyrinthodonthier („Labyrinthzahn“) bezieht sich auf den gewaltigen, massiven Schädel bzw. die Zähne. Die Fangzähne erwachsener Tiere haben eine labyrinthartige Verfältelung des Zahnschmelzes.
Diese Amphibien lebten überwiegend in Süßgewässern wie Flüssen und Seen, konnten aber auch einen Schuss Brackwasser vertragen.
Als im triassischen Keuper (Keuper: 235 bis 199,6 Millionen Jahre) das Meer vorrückte und große Teile der Kontinente überspülte, war die Zeit der Riesenamphibien beendet. Zurück blieben Fossilien, die uns heute das Bild eines massiv gebauten Ur-Amphibs mit schwerem Schädel und Schultergürtel vermitteln. Die Panzerlurche krochen mit abgespreizten kurzen Beinen durch die Sümpfe Urdeutschlands – Lauerjäger …
Ihre fossilen Überreste sind heute etwa im Staatlichen Museum für Naturkunde am Löwentor in Stuttgart zu bewundern.
Überleben die Überlebenden? Gefahr durch einen Hautpilz
Die Amphibien haben ihr goldenes Zeitalter längst hinter sich.
Große Panzerlurche sind seit vielen Jahrmillionen von anderen Vierbeinern abgelöst worden: Reptilien, Säugetiere und Vögel haben die kriechende, dünnhäutige Lurchverwandtschaft überholt und abgelöst.
Nur sehr wenige große Relikte haben sich noch ins Jetzt gerettet, die meisten Lurche sitzen heute verzwergt im Tümpel – mit und ohne Schwanz, mit und ohne Beine. Ein Lurch ohne Beine heisst übrigens Cäcilie…aber das ist eine andere Geschichte.
Ihre aquatischen Larven, der Bedarf nach Feuchtgebieten und ihre empfindliche Haut machen sie sehr anfällig gegenüber Landschaftsveränderungen und Giften der modernen menschlichen Zivilisation.
Jetzt sind sie in höchster Gefahr!
Ein aus Afrika stammender Hautpilz, Batrachochytrium dendrobatidis, bedroht die Amphibien weltweit. Der Pilz verstopft die Hautporen, schwächt das Immunsystem und verändert ihren Wasser- und Elektrolyt-Haushalt. Amphibien nehmen Sauerstoff über die Haut auf: wenn der Pilz ihre Poren verstopft, ersticken sie. Warum dieser Pilz jetzt so flächendeckend um sich greift, ist nicht genau geklärt.
Bisher gab es keine Heilmittel gegen die Hauterkrankung, jetzt hat ein Forscher-Team um den Froschexperte Taegan A. McMahon erstmals Frösche gegen den Pilz immunisieren können. Gleichzeitig haben die amphibischen Hüpfer noch ein Pilz-Vermeidungstraining mit Erfolg abgeschlossen, die Amphibien-Forscher haben darüber gerade in der Fachzeitschrift Nature berichtet (MacMahon et al: „Amphibians acquire resistance to live and dead fungus overcoming fungal immunosuppression“; Nature 511, pp. 224–227, 10 July 2014; doi:10.1038/nature13491).
Ein Hoffnungsschimmer?
Auch wenn schon… eine solch aufwändige Immunisierung und das Training einzelner Tiere lässt sich für das Gros der freilebende Tiere wohl kaum realisieren.
Ich befürchte für die Amphibienbestände das Schlimmste.
Zum Weiterlesen:
Ellis, Richard: „Aquagenesis“
Naish, Darren (tetrapod zoology): Close up to Andrias, despite the smell and the teeth
Scheuchzer, Johann Jakob:
Kupfer-Bibel / In welcher Die PHYSICA SACRA Oder Geheiligte Natur-Wissenschafft Derer In Heil. Schrifft vorkommenden Natürlichen Sachen / Deutlich erklärt und bewährt Von JOH. JAKOB SCHEVCHZER Med. D. (…) Anbey Zur Erläuterung und Zierde des Wercks In Künstlichen Kupfer-Tafeln Ausgegeben und verlegt Durch Johann Andreas Pfeffel (…) Augspurg und Ulm / Gedruckt bey Christian Ulrich Wagner (vier Foliobände) 1731, 1733, 1735.
Wurche, Bettina (meertext): Das Monster aus dem Kamogawa-Fluss in Kyoto – ein Riesensalamander
Ziegler, B. (1986): Der schwäbische Lindwurm: Funde aus der Urzeit.- 172 S. Stuttgart (Konrad Theiss).
Kommentare (8)