Das Universum ist 13,8 Milliarden Jahre alt.
Im Urknall ist Wasserstoff – H – freigesetzt worden, daraus sind dann alle anderen Elemente entstanden.
Was hat das mit mir zu tun?
Alles!
Mit „Der Fisch in uns“ hat sich Neil Shubin in mein Naturwissenschaftler-Herz geschrieben. In diesem First-Class- Sachbuch erklärt er, dass in jedem Organ, jeder Zelle und der DNA des menschlichen Körpers die 3,5 Milliarden lange Geschichte des Lebens liegt. Außerdem kommen viele Fische und Fossilien darin vor, was mir außerordentlich gut gefällt. Und es gibt klare Statements gegen kreationistisches Gedankengut.
Mit seinem neuen Buch „Das Universum in dir“ (The Universe within“) holt Shubin noch ein wenig weiter aus. Nun geht es nicht mehr „nur“ um die Evolution des Lebens und die fischigen Relikte im modernen Menschen, diesmal geht es gleich um die Geschichte des Universums und dessen Bezug zu uns!
„So wie der menschliche Körper ist auch dieses Buch entlang einer Zeitachse aufgebaut. Unsere Geschichte beginnt vor ungefähr 13,8 Milliarden Jahren, als das Universum aus dem Urknall entstand.“ In 10 Kapiteln malt er mit Worten einen farbigen Hintergrund für das Verstehen der Entstehung des Lebens aufgrund der physikalischen und chemischen Voraussetzungen.
Shubin ist der Mit-Entdecker des devonischen Fisches Tiktaalik roseae, der ein Anstoß für sein erstes Buch war (Tiktaalik war ein Fleischflosser (Sarcopterygii), dessen Schultergürtel schon wichtige Basis-Merkmale für den Landgang hatte). Diese Feldforschung kommt natürlich auch in „Das Universum in dir“ vor. Geologische Expeditionen in die dauerfrostige Arktis und jahrelanges Suchen ohne Finden sind etwas für Hartgesottene. Aber seine Begeisterung trägt den Paläontologen durch die Kälte der grönländischen Einöde und die Aussicht auf dir „richtigen“ Gesteinsschichten lässt ihn jede Plackerei vergessen.
Shubin ist ein begeisterter Forscher!
Und genau diese Begeisterung kann er im Text vermitteln.
Besonders starke Momente des Buches sind für mich die Expeditions-Anekdoten mit den liebevollen Details von einer anstrengender Vorarbeit, Grabung oder Präparation und die Übersichten über bahnbrechende wissenschaftliche Ideen.
Plattentektonik („Kontinentaldrift“), C-14-Datierung, Astronomie und Big Bang, Eiszeiten.
Durch den narrativen Stil werden die Informationen besonders gut verdaulich serviert.
Meine Lieblingsstelle?
Wie die Kartierung des Meeresbodens die Geologen dazu bringt, aus Wegeners scheinbar spinnerten Idee der Kontinentalverschiebung die moderne Wissenschaft der Plattentektonik zu entwickeln. Die „Geopoesie“, wie der Geologe Hess das Gedankengebäude zu den Subduktionszonen zunächst bezeichnete, weil es ihm so unglaublich erschien. Und wie dann aus der unglaubwürdigen Idee Ergebnis um Ergebnis, Publikation um Publikation eine neue Sicht auf die gute alte Erde entsteht. Ein Meilenstein in unserem Verständnis des Planeten Erde. Und eine schöne kleine Einführung in die Entstehung des Lebens im Universum – die Erklärung der Entstehung der basalen organischen Verbindungen bietet schon eine Mini-Einführung in die Grundlagen der Astrobiologie.
Shubin beschreibt, wie Wissenschaft funktioniert. Wie durch neue Erkenntnisse alte Ideen von neuen Ideen abgelöst werden.
Forschen, Nachdenken, Zweifeln, Diskutieren, Verwerfen und Finden.
Und er formuliert noch einen besonders wichtigen Punkt: Große Ideen entstehen nicht einfach im Vakuum. Sondern sie entstehen, wenn die Zeit dafür „reif“ ist, meistens entwickeln sogar mehrere Personen oder Arbeitsgruppen ähnliche oder gleiche Ideen im gleichen Zeitraum. Weil sie alle auf der Basis der gleichen Grundlagen weiterdenken. Das prominenteste Beispiel dafür sind Darwin und Wallace mit ihren Ideen zur Entstehung der Arten.
Ähnlich funktioniert auch die Evolution, die Fortentwicklung der Lebensformen: Auch neue Formen oder Mutationen werden meist mehrfach und parallel entwickelt, wenn die Zeit dafür „reif“ ist.
Shubin ist ein umfassend gebildeter Mensch: Als Paläontologe forscht er an den Anfängen der an Land lebenden Vierbeiner und der frühesten Säugetierentwicklung. Er sucht nach Übergangsformen, die mit winzigen Details in unscheinbaren Fossilresten große Aussagen über die Entwicklung der Lebensformen dokumentieren. Als Anatomie-Dozent beschäftigt er sich mit dem Körper heutiger Menschen und unterrichtet Studierende. Seine Kenntnisse als Paläontologe sind eine solide Basis, um die Gesetzmäßigkeiten und Entwicklungen des menschlichen Körpers in ihrem evolutiven Zusammenhang besser zu verstehen. Dieses Wissen aus unterschiedlichen Perspektiven und seine Lehrerfahrung machen ihn zu einem ausgezeichneten Sachbuch-Autoren.
Die reinen Fakten vermittelt er anschaulich, seine Anekdoten über sich und seine Kollegen machen die Texte lebendig. Selbstironie und Reflexion würzen den Text mit Schmunzeln und Selbsterkenntnis.
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