Whale-watching vor La Palma ist vielversprechend. Die kanarischen Inseln liegen in sehr tiefem Wasser, schon wenige Kilometer vor der Insel wird es schnell 1500 bis 2000 Meter tief. Und dann noch tiefer.
Und genau in solchen tiefen Gewässern leben die tief tauchenden  Schnabelwale und Pottwale.
Und jede Menge anderer kleiner und großer Waltiere. Mehr als 15 Arten werden hier regelmäßig gesichtet, manche leben hier, andere sind auf der Durchreise.
Aufgrund meines besonderen Interesses für Schnabelwale musste ich diese Chance natürlich unbedingt nutzen.

Wir haben also auf dem Katamaran „Fancy II“ eine Tour gebucht.
Nach kaum einer halben Stunde Fahrt hat der Steuermann Delphine gesichtet.
Mehrere kleine Gruppen von je einigen Tieren schwimmen in einem lockeren Verband (=Pod).
Snychronschwimmen zu viert im glasgrünen Wellenkamm.
Seite an Seite durch die Wellen pflügen, ohne zu kollidieren.
Spielerisches Umeinandertauchen in wenigen Metern Tiefe.
Einige von ihnen umspielen natürlich den Bug des Schiffes. Diese Art ist bekannt für ihr „ship-attracting“-Verhalten, d. h. sie werden von Schiffen angelockt und produzieren sich vor ihrem Publikum offenbar bewußt.
Es sind ca 30 bis 40 Große Tümmler (Tursiops truncatus).  Seit der Fernseh-Serie „Flipper“ der Inbegriff des Delphins.
Ich kann mich wie immer kaum sattsehen an den glänzenden grauen Rücken und schaue in die intelligenten großen Säugetieraugen in den Wellenkämmen eines freundlichen Atlantiks.
Wir sind nahe genug, um ihren kleinen Blas (=Blow) zu sehen und die Kratzer und Narben auf der grauen Haut zu zählen. Da ist „man“ – oder eher „delphin“ – wohl etwas aneinandergeraten. Viele der Finnen und Fluken sind ausgefranst.

Nach einer ganzen Weile sind auch noch einige der deutlich größeren Indischen Grindwale (Pilotwal, Kurzflossengrindwal; Globicephala macrorhynchus ) neben uns. Etwa 5 Meter lang, mit fleischiger, hakenförmiger Finne, dunkelgrau und mit stark vorgewölbter Stirn. Die Tiere ignorieren uns  und schwimmen parallel zum Schiff ruhig weiter.
Die Tümmler sind weiterhin dabei.
Schließlich reiße ich mich los und klettere nach unten, in die rechte Kufe des Katamarans und setze mich vor die Unterwasser-Fenster. Natürlich sind einige Delphine damit beschäftigt, genau dort zu schwimmen. Ein Tier schwimmt dicht unter die gegenüberliegende Kufe und schubbert sich dort ausgiebig den Rücken. Zwei andere schwimmen Bauch an Bauch in einer aquatischen “Umarmung”, ihre Brustflossen berühren sich fast an den Spitzen.
An Steuerbord sehe ich glitzernde Partikel, die im Wasser das einfallende Sonnenlicht reflektieren. Fischschuppen!
Der Rest einer Delphinmahlzeit.
Unser Guide Simon erzählte ja auch, dass die Tiere beim Fressen sind.

Und dann sehe ich meine erste Schildkröte! Eine Unechte Karettschildkröte (Caretta caretta) dreht an Steuerbord einige Kreise. Unter ihr schwimmen vier oder fünf Pilotfische und halten sich ängstlich unter dem Meeresreptil. Schon verwunderlich, dass die Delphine sich da nicht einen schnellen Snack genehmigen.
Als ich wieder ans Oberdeck komme sehe ich, wie einer der Grindwale hoch aus dem Wasser kommt – für einen besonders tiefen Atemzug – und dann mit einem perfekten Fluke-up senkrecht abtaucht. Auf dem Weg zu besonders dicken Tintenfischen, seiner Lieblingsmahlzeit.

Walverträgliches Whale-watching vor La Palma

Von Tazacorte Puerto, La Palma, aus starten zwei Unternehmen zum Wale gucken: Die Fancy II und Inia Whale watching.
Diese beiden und ein weiteres Unternehmen fahren unter der Ökosiegel-Flagge „Barco azul – Blue boat“. Das heißt, dass sie sich für eine umweltverträgliche Form des Tourismus verpflichten. Dazu gehört ein Mindestabstand zu den Walen, das Ausschalten Maschine, sowie man bei den Walen angekommen ist, kein aggressives Hineinfahren in Gruppen und keine Verfolgung von davonschwimmenden Tieren. Außerdem ist immer nur ein Boot bei einer Gruppe von Walen.
Ich hatte im südlichen Europa (Teneriffa, Bretagne) bisher sehr schlechte Erfahrungen beim Whale-watching gemacht, weil mehrere Motorschiffe die gleiche Delphingruppe verfolgten, hineinfuhren, kein Abstand eingehalten wurde und es auch nur wenig inhaltlichen Input gab.
Da ich in Norwegen selbst als Whale-Guide gearbeitet habe, habe ich da recht hohe Ansprüche. Wir  von Whale Tours in Nyksund und die Whalesafari Andenes haben uns  damals nach den Guidelines des International Fund of Animal Welfare gerichtet.
Ich war also sehr gespannt auf La Palma.
Und wirklich positiv überrascht.

Der von der kanarischen Regierung propagierte Abstand von 60 Metern erscheint mir persönlich auch wirklich unrealistisch weit. Kleinwale wie Delphine oder Grindwale lassen sich aus der Entfernung kaum noch erkennen. Der Mindestabstand lässt sich bei Delphinen nicht einhalten, sie kommen voll allein näher, spielen um das Schiff herum, schwimmen vor dem Bug und  posieren vor den Unterwasserfenstern.
Ich hatte nicht das Gefühl, dass wir die Tiere in irgendeiner Weise gescheucht hätten und das andere Whale watching-Boot war weit weg, oft sogar außer Sichtweite. Die Wale konnten also ausweichen.
Der Katamaran „Fancy II“ ist angeblich geräusch- und vibrationsarm. Das kann ich nicht beurteilen, es fällt mir aber positiv auf, dass sich die Betreiber offenbar Gedanken gemacht haben.

Müll wird natürlich eingesammelt und der Thunfisch in der Suppe ist zertifizierter, vor der Insel geangelter Bonito. Das entsprechende Fischerboot ist winzig – wir treffen den Fischer auf der Rückfahrt. Die Fischsuppe war übrigens sehr lecker – sie hätte den Delphinen vielleicht auch gemundet, ohne Knobi-Brot, versteht sich. Zum Nachtisch frisch aufgeschnittenes Obst, natürlich auch von der Insel.
Unser Guide Simon bemüht sich sehr, uns mit umfassenden Informationen zu versorgen, legt uns die mehrsprachige Bestimmungsliteratur hin und erklärt viel. Auf Spanisch, Englisch und Deutsch. Wale, die wir auf der Tour leider nicht gesehen haben (ich persönlich hatte ja doch auf einen Schnabelwal oder einen Bryde-Wale gehofft), hat er als Videofilmchen von früheren Fahrten dabei.
Außerdem führt er (bzw. seine Kollegen) sorgfältig Logbuch über die gesichteten Wale:
Art, Anzahl, Position, Verhalten und andere Daten werden regelmäßig an die Wal-Arbeitsgruppen der Universität von Teneriffa übermittelt.

Das Ökosiegel ist offenbar kein leeres Versprechen und man bekommt neben Walsichtungen (mit ca 80 % Wahrscheinlichkeit) auch umfangreiche und sachkundige  Informationen über die Tiere des Ozeans.
Mein Fazit: Absolut empfehlenswert!

 

 

 

 

 

 

Kommentare (3)

  1. #1 MX
    27. November 2014

    Mit dem anderen Unternehmen in Tazacorte haben wir das dieses Jahr auch gemacht. Wirklich beeindruckend. Das ruhige Auf und Ab der Delphine hat eine geradezu meditative Anmutung. Und es gab ein paar fliegende Fische, vorher noch nie gesehen. Auch gute Infos, unsere Begleiterin war angehende Meeresbiologin.

  2. #2 Alderamin
    28. November 2014

    @Bettina

    Da ich in Norwegen selbst als Whale-Guide gearbeitet habe

    Wow, Respekt. Ich bin ja neulich mit der Hurtigruten die Südstrecke gefahren, da hat man viel Zeit, das Meer zu beobachten. Ich hab’ mir mit dem Feldstecher die Augen aus dem Kopf geguckt, aber kein Wal weit und breit (na gut, ein einsamer Schweinswal war drin, aber die hatte ich auf einer früheren Autorundreise schon in ganzen Schulen gesehen; ich suchte eher nach größerem Getier).

    Fahren die Schiffe die falsche Strecke oder lag’s vielleicht an der Jahreszeit (Ende September/Anfang Oktober)? Ich hörte, die Orcas kämen jedenfalls erst im November auf die Lofoten.

  3. #3 Bettina Wurche
    28. November 2014

    @ Alderamin:
    So küstennah sind bestenfalls Schweinswale zu sehen.
    Die Orcas kommen im Winter auch vor die Vesteralen. Vor Andoya (von Andenes aus) sind vor allem Pottwale, neuerdings im Winter auch Orcas zu sehen. Dazu Zwergwale, Buckelwale, Langflossengrindwale, selten auch Delphine.
    Zwergwale und Orcas kommen selten auch mal in die Buchten ´rein.
    Aber zum Whale-watching ist die Whalesafari Andenes die geeignete Gelegenheit. Mit Walgarantie : )
    Und, ja, auch im Sommer wird da so manche Hvaltour zur Kvaltour : )))
    (Hval ist norw. für Wal und Kval ein nordnorwegischer Dialekt für den Wal).
    @ MX: Das freut mich zu hören!!
    Ich denke, so ein nachhaltiges Whalewatching ist ein wichtiger Beitrag zum Walschutz.