Ich mag Kunst und Natur und Wissenschaft. Und bin Museumsliebhaberin.
Eine Ausstellung an der Schnittstelle zwischen Kunst und Naturwissenschaft ist für mich ein „Must-have-seen“!
„Wie ist das Universum entstanden? Woher kommen wir? Wohin gehen wir? Sind wir allein? Gibt es andere intelligente Zivilisationen im Universum? Wie könnte das Leben auf anderen Planeten aussehen? Können wir mit Außerirdischen, wenn es sie denn gibt, in Kontakt treten? Diese Fragen beschäftigen Philosophen und Naturwissenschaftler, Literaten, Filmemacher und Künstler, geistige Führer, Spinner und Visionäre gleichermaßen.“ schreibt die Bundeskunsthalle über ihre Ausstellung „Outer Space“.
Diese Fragen beschäftigen mich auch, darum wollte ich die Ausstellung ja auch unbedingt sehen.
Nach den Ankündigungen in Wort und Bild und einigen Blogbeiträgen hatte ich eine Raumfahrt-Ausstellung mit Verknüpfungen zur Kunst erwartet.
Die Ausstellungen „Der Mond“ im Wallraf-Richartz-Museum in Köln und „Sternstunden“ im Gasometer Oberhausen mit genau dieser Themen-Schnittstelle waren einfach wunderbar und so ging ich mit hohen Erwartungen in „Outer Space“.
Hier ist mein ganz subjektiver Eindruck der Ausstellung.
Ausstellungsinhalte – “Ist das „echtes Raumfahrtequipment“ oder ist das „Kunst“?“
Die Verknüpfung von Raumfahrt und Weltraum, historische Exponaten und künstlerischen Interpretationen und Impressionen zu diesem Thema ist reizvoll. Aus meiner eigenen Arbeit in Museen ist mir die Frage „Ist das echt?“ sehr vertraut, sie ist ein wichtiges Element im Dialog zwischen Exponat und Besucher. Die Einordnung von Objekten ist ein elementarer Bestandteil des Verstehens und Lernens.
Vorweg so viel: Ich habe in „Outer Space“ trotz meines umfangreichen Wissens große Probleme gehabt, Exponate zuzuordnen und stand oft irritiert davor. Vieles ist mir erst hinterher bei der sorgfältigen Recherche klar geworden.
Im Folgenden einige Beispiele und Gedanken zu „Outer Space“:
Die Himmelsscheibe von Nebra.
Doch sicherlich eine Replik, oder?
Oder?
Die geringfügige Sicherung der Vitrine deutet daraufhin, dass es eine Replik ist.
Neil Armstrongs Bett für seine erste Nacht nach der Heimkehr ist etwa halb so groß wie der Astronaut.
Ein Modell?
Oder?
Nein, das Original! Es handelt sich nämlich um ein Kunstwerk, und nicht wirklich um die Bettstatt des Fliegerhelden.
Das erfahre ich aber erst, als ich eine Museumsmitarbeiterin danach frage, die sich als lebende „Informationskonsole“ zwischen den Besuchern bewegt.
Startschlüssel des Sojus-Raumschiffes mit Ikone?
Wird die Sojus wirklich mit einem Schlüssel angelassen? Oder ist das Kunst?
…wohl eher Kunst.
Zum Schmunzeln.
Komarovs Unfall – ein Photo.
Das Photo zeigt Komarovs Unfall.
Offenbar ein historisches Dokument.
„Last Call“ – Komarov-Gedächtnis-Raum von Via Lewandowsky
Verkohlte Unterwäsche liegt in mehreren Vitrinen.
Ein bedeutsamer Satz steht an der Wand.
Ach? Das ist gar nicht Komarovs echte Restwäsche, sondern eine künstlerische Installation?
Zum historischen Dokument des Unfalls – dem Photo – und dem künstlerischen Exkurs dazu hätte ich gern etwas Hintergrundinfo gehabt:
Z. B.: „Der Kosmonaut Komarov kam 1967 bei einem schweren Landungsunfall ums Leben.
Der Künstler XY erschuf in diesem Kontext das Werk sich zu „Last Call“. Das Zitat stammt aus/von …“
Mit diesem Minimum an Text wäre alles klar gewesen.
Gab´s aber nicht.
So dachte ich zunächst, es handele sich um echte Unfallopfer-Wäschereste.
Und da war ich nicht die Einzige. Ein Museumsbesucher erzählte mir, er sei sich vorgekommen wie ein Voyeur, der ein Unfallopfer begafft.
„Celestographs of August Strindberg“
Glücklicherweise als Kunstwerk erkennbar.
Der berühmte Dramatiker hat offenbar auch bemerkenswerte Kunstobjekte geschaffen.
Mit einer ungewöhnlichen, experimentellen Technik – „Celestographs“ eben.
Da er Kameralinsen misstraute, platzierte er photographische Platten auf dem Fenstersims oder dem Boden und setzte sie dann dem Licht des Sternenhimmels aus:
“Star Projector” von Oliver van den Berg
Ob wirklich jeder erkannt hat, dass dieser Sternenprojektor eine hölzerne künstlerische Idee zu den Sternenprojektoren in Planetarien ist?
Das Informationsdefizit zieht sich durch die gesamte Ausstellung.
Die Unterscheidung zwischen technischen bzw. historischen Exponaten und Kunstobjekten ist nicht immer einfach. Hintergrundinformationen, die für den historischen, technischen und künstlerischen Kontext wichtig wären, fehlen. Auch die Information, was Original und Replik ist, fehlt fast durchgehend.
Wissenschaftliche Instrumente oder Kunstobjekte?
Ein astronomisches Instrument ist weitaus mehr als ein hübsches, bewegliches Messing-Spielzeug. Ein astronomisches Instrument ist das Ergebnis mathematischer und physikalischer Grundlagen und feinster Berechnungen. Das komplexe theoretische Konzept wird mit hohem technischem Können von kunstfertigen Instrumentenkonstrukteuren umgesetzt.
Passage-Instrument von John Bird
Ein wissenschaftshistorisch wertvolles Instrument von dem berühmten Londoner Instrumentenmacher Bird.
Ein Passage- (=Durchgangs-)-Instrument dient der Beobachtung, wann ein Stern genau im Süden steht.
Diese Information hätte ich gern vor Ort gelesen.
Planisphäre
Hier habe ich eine offensichtliche Bildungslücke schließen können. Die Betrachtung des historischen Objekts war glücklicherweise selbsterklärend.
Wenn echte Instrumente wie Kunstobjekte präsentiert werden – ohne Information zu ihrem Nutzen, ihrer Funktionalität und ihrer wissenschaftlichen Bedeutung – werden sie ihrer eigentlichen Bedeutung beraubt. Denn sie sind weitaus mehr, als ein hübsch glänzender Zierrat. Diese wissenschaftlichen Grundlagen und das technische Können mit dem Ziel, neue Erkenntnisse zu erlangen, sind ein wesentliches Stück unserer Kultur.
Der Science-Fiction-Raum
Ich persönlich halte sehr viel davon, wenn in einer Ausstellung zu diesem überirdischen Thema auch etwas Science Fiction zu sehen ist. Schließlich bin ich selbst ein großer SF-Fan und nutze dieses Genre der Phantastik gern zur Illustration von naturwissenschaftlichen Inhalten.
Die Beschriftungen muss ich – wie gehabt – suchen.
Der Raum ist leider genauso zusammengewürfelt und inhaltlich schwer erschließbar wie der Rest der Ausstellung. (Da hatte die grandiose Ausstellung „Science Fiction in Deutschland“ im Haus der Geschichte in Bonn jedenfalls ganz andere Maßstäbe gesetzt – und zwar direkt im Nachbargebäude.)
Die Exponate sind allerdings wirklich sehenswert!
Mein persönlicher Favorit in der SF-Abteilung: das mehrere Meter große und großartige Modell der „Rodger Young“ – einem Transporter aus dem Film „Starship Troopers“.
Science Fiction-Kunst:
Die Gemälde waren für mich eine Offenbarung – von den Künstlern habe ich noch nie etwas gehört.
Paul Laffoley
Präzise ausgearbeitete, knallbunte Gemälde zwischen Mandala und technischer Illustration.
Ward Shelley
Präzise gezeichnet und gemalte Diagramme mit einem Fundus an Informationen, etwa zur Geschichte der Science Fiction.
Henry Darger
Darger verdiente als Hausmeister seinen Lebensunterhalt. Erst kurz vor seinem Tod kam heraus, dass er schreibend und malend ein überwältigendes Paralleluniversum erschaffen hatte.
Das 15.145 Seiten umfassende und mit mehreren hundert Zeichnungen und Aquarellen illustrierte Manuskript mit dem Titel The Story of the Vivian Girls, in What is known as the Realms of the Unreal, of the Glandeco-Angelinian War Storm, Caused by the Child Slave Rebellion.
Die ausgestellten, riesigen Aquarelle erweckten in mir spontan Assoziationen zu Comics.
Alle genannten Künstler haben großartige Werke geschaffen, die inhaltlich ganze Vorstellungswelten transportieren. Ich könnte sie mir stundenlang und immer wieder ansehen und würde immer noch etwas Neues entdecken. Die Gemälde sind sehr detailliert angelegt und mit hoher Präzision gemalt bzw. gezeichnet.
Ein Besuch auf den Homepages der Künstler lohnt sich sehr!
Zwei außergewöhnliche „Schmankerl“ mit pseudohistorischem Anspruch
Peter Sauerer: Masken Vril-Gesellschaft
An der Wand hängen vier Frauenmasken – mit je einem Doppelpaar Augen. Der Versuch, Blickkontakt aufzunehmen, führt zu Irritationen – welches Augenpaar soll man nun fixieren?
Die Damen symbolisieren die legendäre fiktive Vril-Gesellschaft, einen ominösen Geheimbund aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Die Vril haben angeblich die Nationalsozialisten mit Plänen für den Bau von “Reichsflugscheiben” versorgt. Meinen jedenfalls einige Verschwörungstheoretischer und Pseudohistoriker.
„Moon Goose Analogue: Lunar Migration Bird Facility“ – Agnes Meyer-Brandis
Die Mondgänse fliegen regelmäßig zum Mond. Offenbar bekommen sie dafür eine spezielle Astronautenausbildung – das suggerieren jedenfalls die heroischen Portraits der Gänseküken unter der wehenden Phantasie-Flagge. Außerdem machen sie punktgenaue Landungen auf einem spezifischen Areal der Mondoberfläche.
Die Eier, aus denen sie einst schlüpften und eine Feder sind ebenso präsentiert, wie an anderer Stelle das Equipment menschlicher Astronauten.
Die Inszenierung ist eine Analogie auf Bishop Francis Godwin „The Man in the Moone“.
Dieser Künstlerraum ist eine zauberhafte theatralische Inszenierung mit vielen Hintergedanken und hat mich zu einer fiktive Reise eingeladen. Auf eine so sympathische Weise, dass ich mich gern darauf eingelassen habe. Wahrscheinlich, weil ich als Zoologin mit Viechern sowieso grundsätzlich sympathisiere.
Allerdings habe ich einem neben mir stehenden Jungen und seiner etwas ratlosen Mutter erklärt, dass es sich um ein Kunstwerk handelt. Das war wohl doch nicht so offensichtlich.
Aufbau, Didaktik, Vermittlung – orientierungslos in Outer Space
Ausstellungsarchitektur:
Der inhaltliche Rote Faden ist auch in der Ausstellungsarchitektur schwierig zu finden. Die Vielzahl klein gegliederter Räume mit mehreren Durchgängen und vielen spitzen Winkeln macht die Ausstellung zu einem Labyrinth -man erarbeitet sich die Räume explorativ.
Eine Besucherführung ist offenbar nicht geplant, hätte der Ausstellung aber sicherlich gut getan. Außer mir haben sich jedenfalls auch sehr viele andere Besucher gefragt, wo denn der Ausgang sei und ob sie schon alles gesehen hätten. Glücklicherweise konnte das wirklich freundliche und hilfsbereite Aufsichts- und Informations-Personal meist weiterhelfen.
Objekte wie der legendäre Sputnik, der unglücklich platziert auf den Zwischenwänden über der Ausstellung thronte, waren außer Sichtweit der meisten Besucher. Ich war zufällig beim Verlassen der Ausstellung darauf aufmerksam geworden.
Schade um das schöne Objekt – denn es ist ein Meilenstein auf dem Weg der Menschen ins Weltall.
Objekt-Beschriftungen:
Minimalistische Objektbeschriftungen sorgen für wenig inhaltlichen Input.
Unter und neben vielen Objekten hängt irgendwo eine winzige Legende.
Der Informationsgehalt ist durchweg zu gering, außerdem fehlte die Unterscheidung zwischen Originalen und Repliken
Besonders ärgerlich ist die Informationsführung an den zentral platzierten Objekten in der Raummitte wie die „Liberty Bell“ (die von Virgil „Gus“ Grissom geflogene Mercury-Redstone-4-Raumkapsel) oder die sagenumwobene Weltraumtoilette.
Großartige Exponate – aber erst einmal informationsfrei, zum freien Assoziieren puristisch inszeniert. Die spärlichen Informationen sind erst nach längerem Suchen irgendwo an einer Wand zu finden. Mit dem Rücken zum Objekt.
Die Objekt-Beschriftung ist durchweg in zu kleiner Schriftgröße. Maximal zwei Personen können gleichzeitig die kleinen Infotäfelchen lesen. In einer so großen Ausstellung mit dem Besucherpotential wie die Bundeskunsthalle absolut ungenügend.
Katalog, Audio-Guide und Rahmenprogramm
Ausstellungen werden –meist – durch Kataloge und Rahmenprogramm unterstützt und mit zusätzlichen Informationen angereichert.
Der Audio-Guide bringt mir leider nicht wesentlich mehr Informationen. Zumal ich eigentlich auch lieber selbst lese, in meinem eigenen Tempo.
Das Rahmenprogramm kann ich als Tagesbesucherin schwerlich mitnehmen.
Den Katalog hätte ich gern mitgenommen – wenn er mir denn Hintergrundinformationen geboten hätte. Leider bietet er nur überwiegend schöne Photographien und Bildnachweise.
Orientierungslos in “Outer Space”
Der Informations-Minimalismus ist in Kunstausstellungen sehr verbreitet. In naturwissenschaftlichen, historischen und archäologischen Ausstellungen wird oft wesentlich mehr an Informationen angeboten. Das mag daran liegen, dass diese unterschiedlichen Disziplinen ein unterschiedliches kulturelles Selbstverständnis haben.
Aus museumspädagogischer Sicht halte ich es für elementar wichtig, Informationen optional anzubieten. Meiner Ansicht nach haben Museen einen gewissen Bildungsauftrag und sind ideale Lernorte. Und die Vermittlung von Inhalten gehört für mich, in gewissem Umfang, auch zur kuratorischen Aufgabe.
Ganz persönlich reagiere ich sogar genervt, wenn ich den Sinn einer Ausstellung nicht einigermaßen schnell zu erfassen vermag.
Nicht nur ich hatte mir unter der Ankündigung mehr Raumfahrt versprochen.
Wir waren mit einer kleinen Gruppe unterwegs, mit viel Raumfahrtexpertise und Kunstbegeisterung. Es ging jedem von uns ähnlich.
Außerdem kam ich – wie immer in Museen – mit vielen anderen Besuchern ins Gespräch, die ähnlich reagierten wie ich -„Ist das jetzt „echt“ Oder ist das Kunst?
Viele Eltern wollten den Museumsbesuch nutzen, um ihren Kindern etwas über Raumfahrt und Weltraum zu erzählen. Familien mit jüngeren Kindern gehen tendenziell eher in naturwissenschaftliche Ausstellungen als in Kunstausstellungen – sagt meine 20-jährige Museumserfahrung. Nun fanden sie sich in einer Kunstausstellung wieder und waren teilweise erheblich irritiert. Aufgrund meiner Vorbildung konnte ich in vielen Fällen weiterhelfen – mit Hintergrundinformationen zu Raumfahrt und Science Fiction bzw. oft mit der Richtigstellung, dass es sich um Kunst handelt. Und dass niemals Gänse auf dem Mond waren.
Mein Fazit
Die Verknüpfung von Raumfahrt und Kunst ist eine wunderbare Idee.
Viele der Exponate sind wirklich originell, erheiternd und denkanstoßend.
Aber reale Raumfahrtrelikte und künstlerische Exponate unsortiert durcheinanderzuwerfen und eine solche inhaltsschwere Ausstellung nur mit minimalistischen Objektbeschriftungen zu versehen, ist ein gewaltiges Manko.
Informationen, was Kunstwerk und was „echtes Raumfahrtexponat“ ist, wären ein Minimum gewesen. Gleichzeitig fehlte der Hinweis, welche Objekte Originale sind.
Die ausgezeichneten Exponate können die inhaltliche Schwäche nicht aufwiegen.
Für einen Rundgang, der nach 1,5 Stunden wirklicht alles umfasst hatte, sind die 10,00 € Eintritt recht hochpreisig.
Zum Weitergucken und Weiterlesen:
Das Photographieren war nur am Eröffnungstag erlaubt. Das liegt daran, dass viele Leihgeber keine Photographien erlauben. Darum ist mein Beitrag nicht illustriert.
Daniel Fischer hat auf Skyweek einen ausgezeichneten Beitrag mit vielen Photos gebracht:
https://skyweek.wordpress.com/2014/10/02/outer-space-in-bonn-die-ersten-eindrucke/
Hier gibt es mehr zu den hintergründigen Absichten der “Outer Space”-Ausstellungsmacher:
https://www.bundeskunsthalle.de/ausstellungen/outer-space.html
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