Carl Djerassi ist am 30.01.2015 verstorben. Sein größtes Verdienst als Chemiker ist die Arbeit an der Antibabypille – er bezeichnet sich selbst in seiner Autobiografie als  „Mutter der Pille“, da er nur der chemische Erfinder der Pille sei.

Er war Chemiker und Schriftsteller – eine seltene Kombination.
„Der 1923 in Wien geborene Naturstoffchemiker Carl Djerassi, emeritierter Professor der Stanford University, ist einer der bedeutendsten und vielseitigsten Forscherpersönlichkeiten unserer Zeit. Nach der Emigration in die USA studierte er Chemie und in den 50er Jahren gelang ihm die wohl folgenschwerste Synthese seines Lebens, die ihn zur “Mutter der Pille” machte. Das Sexualhormon Noretisteron war die Grundlage der Entwicklung der Antibabypille, die 1961 erstmals auf den Markt kam. Das wissenschaftliche Oeuvre Carl Djerassis umfasst mehr als 1200 wissenschaftliche Publikationen. […].“ schrieb die Goethe-Universität über ihn. Er hatte dort am dem 29.11.2013 – an seinem 90. Geburtstag – die Ehrendoktorwürde des Fachbereichs Biochemie, Chemie und Pharmazie der Goethe-Universität erhalten.
Außerdem war er auch maßgeblich an der Synthese von Kortison beteiligt.

Als Schriftsteller erfand er die neue Romangattung „Science in fiction“ – dabei arbeitete er seine eigenen Erlebnisse und Erfahrungen in der Wissenschaftswelt auf.
Fein beobachtet beschreibt er den Kampf um wissenschaftliche Anerkennung und andere Verhaltensweisen aus der Insider-Perspektive.

Bedeutung der Antibabypille

Die „Pille“ ist eine der wichtigsten pharmazeutischen Entwicklungen des 20. Jahrhunderts – es gibt wohl nur wenige Medikamente mit einer ähnlich starken gesellschaftlichen Auswirkung.
Erstmals stand Frauen eine zuverlässige Verhütungsmethode zur Verfügung, die einfach zu handhaben und nicht gefährlich war. Frauen konnten auf einmal selbst entscheiden, ob und wann sie schwanger werden wollten. Die Pille hat die Rolle der Frau in der Partnerschaft, in der Familie und in der Gesellschaft grundlegend verändert! (Die Bedeutung der Empfängnisverhütung)

Für die Entwicklung der Antibabypille war Carl Djerassi außerdem immer wieder ein potentieller Kandidat für den Nobelpreis für Medizin 2013. Den er ja bekanntlich nie erhalten hat. Verdient hätte er ihn sicherlich.

Kommentare (4)

  1. #1 Ludger
    2. Februar 2015

    Carl Djerassi ist ein verdienter Forscher, kein Zweifel. Er 1951 hat das oral wirksame Norethisteron synthetisiert.
    Zur “Antibabypille” sind aber noch einige andere Namen zu nennen:
    Wikipedia: “1921 publizierte der Innsbrucker Physiologe Ludwig Haberlandt als Erster ein Konzept der hormonellen oralen Kontrazeption.”
    Wikipedia: “Die Entwicklung von Ethinylestradiol erfolgte 1938 durch Hans Herloff Inhoffen und Walter Hohlweg bei der Berliner Schering AG (heute Bayer HealthCare Pharmaceuticals).”
    Wikipedia: “Von 1951 bis 1967 hielt Gregory G. Pincus eine Professur in Boston inne. Auf Grundlage der Erkenntnis, dass bei Schwangerschaften eine erhöhte Progesteron-Konzentration den Eisprung (Ovulation) verhindert, leitete er das Prinzip der hormonalen Empfängnisverhütung durch Ovulationshemmer ab.”
    Carl Djerassi war aber ohne Zweifel viel amüsanter als die anderen Kollegen. Deswegen gehört ihm auch eine besondere Hochachtung.

  2. #2 Bettina Wurche
    2. Februar 2015

    @ Ludger: Danke für die Ergänzungen!
    Die meisten Entdeckungen und Erfindungen gehen auf einen Personenkreis und viele einzelne kleine Entdeckungen und Entwicklungen zurück, so auch hier.
    Da ich meine kleinen Beiträge anläßlich der Verleihung seiner Ehrendoktorwürde und seines Ablebens geschrieben habe, war ich so frei, Djerassi in den Mittelpunkt zu stellen.
    Da hätte man sicherlich noch sehr viel mehr schreiben können. Z. B., dass Djerassi seinen Anteil an der Antibabypille angeblich sogar unbeabsichtigt beigetragen hat, weil er eigentlich nach einem Rheuma-Medikament fahndete.
    Seine Rede an der Goethe-Uni hatte ich 2013 leider nicht gehört, aber sie soll gut gewesen sein.

  3. #3 inge schuster
    3. Februar 2015

    Liebe Frau Wurche,

    falls es Sie interessiert:

    Carl Djerassi hat unserem Blog einen Beitrag gewidmet, der zu seinem 90er erschienen ist: https://scienceblog.at/die-drei-leben-des-carl-djerassi-%E2%80%93-chemiker-romancier-bühnenautor#.

    Zu seinem Tod habe ich einen Nachruf geschrieben – da ich ihn persönlich kannte, sind es eigene Eindrücke: https://scienceblog.at/abschied-von-carl-djerassi#.

  4. #4 Bettina Wurche
    3. Februar 2015

    Liebe Frau Schuster,
    vielen Dank für den Hinweis auf Ihren wirklich schönen Nachruf auf Herrn Prof. Djerassi!