Die Kanarischen Inseln sind ein Hot Spot für Wale – mehr als 18 Arten der Meeressäuger kommen hier vor. Manche leben ganzjährig in den Gewässern, andere kommen nur in bestimmten Monaten.
Dazu gehören sowohl küstennah lebende Arten wie Delphine als auch hochozeanische Arten wie Schnabelwale.
Leider waren die Inseln auch mehrfach ein Hot Spot für ungewöhnliche Massenstrandungen von Schnabelwalen. Als Ursache war das bei NATO-Manövern eingesetzte LFAS-Sonar in Verdacht geraten. Darum hatte die spanische Regierung schon 2004 ein Moratorium für den Einsatz dieses Sonars in dem Meeresgebiet vor den Kanaren verboten. Seitdem hatte es keine weiteren atypischen Massenstrandungen mehr gegeben.
2011 hatte das spanische Umweltministerium wegen der besonderen Bedeutung dieses Seegebiets für Wale eine wissenschaftliche Studie in Auftrag gegeben, um zu untersuchen, welchen Umfang ein Schutzgebiet haben sollte.
Paradox ist, dass die Regierung der Ölfirma Repsol im gleichen Zeitraum für das gleiche Meeresgebiet eine Bohrgenehmigung für die Ölsuche erteilt hatte.
Darum hat der WWF jetzt zur Unterzeichnung für eine Petition aufgerufen, um das Walschutzgebiet zu realisieren und die Repsol-Bohrungen zu verhindern.
Damit würde die spanische Regierung ihren walfreundlichen Kurs fortsetzen.
Zwanzig Vertreter von 11 spanischen Parteien, (PSOE, IU, PNV, CiU, BILDU, UPyD) sowie das portugiesische Parlament haben die Erklärung an die EU-Kommission bereits unterzeichnet.
Zur WWF-Petition geht es hier.
Ich nehme die Petition, die ich natürlich auch unterschreiben habe, zum Anlass, noch einmal das Thema „Sonar und Schnabelwale“ anzuschneiden.
LFAS-Sonar und atypische Strandungen von Schnabelwalen
Schnabelwale sind mittelgroße Zahnwale. Sie leben in tiefen Gewässern und jagen in ähnlichen Tiefen wie Pottwale nach Tintenfisch und Fisch. Sie halten sich immer nur kurz an der Oberfläche auf und sind ihres unauffälligen Oberflächenverhaltens immer noch wenig erforscht.
Bis jetzt wissen wir, dass sie sehr alt werden und nur wenige Jungtiere geboren werden.
Die meisten Informationen stammen von tot gestrandeten Tieren.
Immer wieder sind verunglückte, kranke oder verirrte Tiere tot gestrandet oder kurz danach verstorben. Typischerweise sind es einzelne Tiere, manchmal Mutter- und Kind-Paare. Diese Strandungen sind seit Jahrhunderten dokumentiert – auf alten Stichen oder in Zeitungsartikeln, seit etwa 150 Jahren auch in wissenschaftlichen Publikationen. Schließlich sind die Tiere mit Größen zwischen 5 und 10 Metern groß genug, um am Strand Aufsehen zu erregen.
Seit einigen Jahrzehnten gibt es vermehrt atypische Massenstrandungen, das bedeutet, dass mehrere Tiere gleichzeitig an die Küste gespült werden.
LFA-Sonar (LFAS, Low Frequency Active Sonar) ist ein niederfrequentes Sonar und wird zum Aufspüren von U-Booten eingesetzt. Die niedrigen Sonar-Frequenzen zwischen 100 -1000 Hz haben eine besonders große Reichweite und können auch sehr leise U-Boote entdecken. Das LFAS-System nutzt große Lautstärken von 235 Dezibel oder mehr. Die Impulse werden von einer starken Schallquelle erzeugt, die hinter einem Schiff der TAGOS-class geschleppt wird (FAS).
Dezibel misst Schalldruck, die Skala steigt logarithmisch an.
Zum Vergleich:
Die Schmerzgrenze für Menschen liegt bei 130 Dezibel.
Die von der Marine eingesetzten Sonargeräte mit ihren mit zu 235 dB sind in 10 km Entfernung noch das so laut wie ein startender Düsenjet.
Dazu kommt: Wasser leitet Schallwellen viel besser als Luft, die Laute haben eine wesentlich höhere Reichweite.
Der griechische Biologe Alexandros Frantzis hatte 1998 als erster den Zusammenhang zwischen dem Sonar-Einsatz und dem Schnabelwal-Tod in Nature publiziert: A. Frantzis: “Does acoustic testing strand whales?” Scientific Correspondence); https://en.wikipedia.org/wiki/Marine_mammals_and_sonar). (Nature 392, 29 (5 March 1998) | doi:10.1038/3206).
Direkt im zeitlichen Zusammenhang mit einem NATO-Manöver waren gleich mehrere Cuvier-Wale gestrandet – eine absolut untypische Strandung, wie es sie noch nie gegeben hatte.
Bei der pathologischen Untersuchung der Tiere durch den Zoologen Frantzis (Universität Athen) kam heraus, dass die die Tiere Einblutungen in einigen Geweben herum zeigten – Zeichen für Gasembolien, die durch ein Barotrauma („Taucherkrankheit“) verursacht worden waren. Das ist für Wale sehr ungewöhnlich, als Meereswesen und Tieftaucher haben sie normalerweise keine Probleme mit dem Druckausgleich. Die ganze Gruppe muss viel schneller aus großer Tiefe aufgetaucht sein, als sie es normalerweise tun.
Vor allem durch Massenstrandungen im westlichen Mittelmeer und der Karibik mittlerweile ein signifikanter Zusammenhang mit den Marinemanövern nachgewiesen.
Die Erklärung: Das Sonar versetzt mit seiner spezifischen Frequenz und Intensität die Tiere in solche Panik, dass sie viel zu schnell aus großen Tiefen auftauchen. Die Wale sterben dann an schweren, Taucherkrankheits-ähnlichen Symptomen: massiven Blutungen in den Ohren, im Gehirn und in der Lunge.
Islas Canarias – Paradies für seltene Schnabelwale
Die kanarischen Inseln sind Vulkaninseln im Atlantik, sie ragen abrupt aus großer Tiefe auf. Die Inseln haben steile Abhänge, dicht an der Küste ist das Meer schon 500 Meter tief und wird schnell noch tiefer. Das sauerstoffreiche Tiefenwasser wird von den Inseln mit organischen Stoffen angereichert – es ist ein gedeckter Tisch für Mikroorganismen und alle weiteren Stufen der Nahrungskette.
In diesem Meeresparadies leben auch Schnabelwale (Ziphiidae):
– Cuvier-Wale (Ziphius cavirostris)
– Blainville-Schnabelwal, Blainville´s beaked whale (Mesoplodon densirostris)
– Sowerby-Schnabelwal, Sowerby´s beaked whale (Mesoplodon bidens)
– Gervais-Schnabelwal, Gervais´beaked whale (Mesoplodon europaeus)
– True-Schnabelwal, True´s beaked whale (Mesoplodon mirus)
– Entenwal (Hyperoodon spec.)
Übrigens: Ein kalifornischer Cuvier-Wal (Ziphius cavirostris) ist der amtierende Tieftauchmeister: Der Meeressäuger erreichte bei einem Tauchgang vor der kalifornischen Küste 2992 Meter Tiefe und 137,5 Minuten Tauchdauer.
Lange Zeit waren diese mittelgroßen Wale mit den ungewöhnlichen Schnäbeln vor allem durch Strandungen und somit tote Tiere bekannt. Ihre Lebensweise war kryptisch. Erst seitdem man verstärkt ihre Lautäußerungen erforscht, werden auch die lebenden Tiere häufiger entdeckt und dokumentiert.
Wo tiefe Meeresareale dicht an der Küste liegen, wie in Kalifornien oder den Kanarischen Inseln, können Wal-Experten die dort lebenden Meeressäuger mit wenig Aufwand erreichen und beobachten bzw. abhören.
Selbst beim Whale-Watching hat man dort zumindest eine kleine Chance, zumindest einen kurzen Blick auf diese ungewöhnlichen Tieftauchmeister zu erhaschen.
Am häufigsten sind Cuvier-Wal und Blainville-Schnabelwal.
Aus den Ergebnissen von Walforschern wie Alexandros Frantzis, dem erfahrenen Kenneth Balcomb und anderen Experten leitete die spanische Regierung den Sonar Ban vor den Kanaren ab. Es wäre schön, wenn jetzt auch der nächste Schritt zum Schutzgebiet kommen würde.
Der Sonar-Ban ist ein erfolgreicher Schritt zum Walschutz, in einem Schutzgebiet dürften dann auch etwa Ölbohrungen, die ebenfalls hohe Risiken für die Meeresbewohner bedeuten, untersagt werden.
Eine ausgezeichnete Idee!
Walschutz in deutschen Gewässern?
Könnte die deutsche Regierung sich daran nicht ein Beispiel nehmen?
Bei uns sind die Meeressäuger und andere Tiere bisher nicht einmal im Bereich des Nationalparks Deutsches Wattenmeer geschützt.
Erst vor einigen Wochen hatten mehrere Umweltschützer die Regierung dafür scharf kritisiert und verklagt: “In den ausgewiesenen Gebieten müssen nach EU-Recht Schweinswale, Seevögel, wertvolle Sandbänke und Riffe geschützt werden. Tatsächlich darf aber jeder Quadratmeter im Schutzgebiet befischt werden, obwohl Fischerei der schwerste Eingriff ins Ökosystem Meer ist.”.
Beschämend.
Gerade für die Ach-so-ökologisch-aktiven Deutschen.
Appendix: Übersicht von Massenstrandungen in zeitlichem Kontext mit Marinemanövern
- January 2006 At least four beaked whales strand in the Gulf of Almeria, Spain, while sonar exercises take place offshore.
- January 2005 At least 34 whales of three species strand along the Outer Banks of North Carolina as Navy sonar training goes on offshore.
- July 2004 Four beaked whales strand during naval exercises near the Canary Islands.
- July 2004 Approximately 200 melon-headed whales crowd into the shallow waters of Hanalei Bay in Hawaii as a large Navy sonar exercise takes place nearby. Rescuers succeed in directing all but one of the whales back out to sea.
- June 2004 As many as six beaked whales strand during a Navy sonar training exercise off Alaska.
- May 2003 As many as 11 harbor porpoises beach along the shores of the Haro Strait, Washington State, as the USS Shoup tests its mid-frequency sonar system.
- September 2002 At least 14 beaked whales from three different species strand in the Canary Islands during an anti-submarine warfare exercise in the area. Four additional beaked whales strand over the next several days.
- May 2000 Three beaked whales strand on the beaches of Madeira during NATO naval exercises near shore.
- October 1999 Four beaked whales strand in the U.S. Virgin Islands during Navy maneuvers offshore.
- October 1997 At least nine Cuvier’s beaked whales strand in the Ionian Sea, with military activity reported in the area.
- May 1996 Twelve Cuvier’s beaked whales strand on the west coast of Greece as NATO ships sweep the area with low- and mid-frequency active sonar.
- October 1989 At least 20 whales of three species strand during naval exercises near the Canary Islands.
- December 1991 Two Cuvier’s beaked whales strand during naval exercises near the Canary Islands.(Quelle: https://www.nrdc.org/wildlife/marine/sonar.asp)
Es handelt sich überwiegend um Schnabelwale, in wenigen Fällen sind auch Schweinswale (harbour porpoise) und Breitschnabeldelphin (melon-headed whale) mit aufgeführt. Auch bei diesen Tieren waren es atypische Strandungen.
Die auffallenden Schnabelwalstrandungen sind sehr wahrscheinlich nur die Spitze des Eisbergs. Wal-Experten wie der englische Tierarzt Jepson gehen von weitaus mehr Strandungen auch kleinerer Wale aus.
Inoffiziell haben auch chinesische Walschützer von Massenstrandungen im Kontext mit Marinemanövern etwa vor Hongkong berichtet, dazu gibt es allerdings keine offiziellen Angaben oder wissenschaftliche Publikationen.
Zum Weiterlesen:
meertext: Schnabelwal-Strandungen durch Sonar (1)
meertext: Schnabelwal-Strandungen durch Sonar (2)
meertext: 1 Marinemanöver im Mittelmeer und 10 gestrandete Cuvier-Schnabelwale
KENNETH C. BALCOMB III, DIANE E. CLARIDGE A MASS STRANDING OF. CETACEANS CAUSED BY. NAVAL SONAR IN THE. BAHAMAS.
https://www.bahamaswhales.org/resources/Stranding_Article.pdf
A. Frantzis: “Does acoustic testing strand whales?” Scientific Correspondence); https://en.wikipedia.org/wiki/Marine_mammals_and_sonar). Nature 392, 29 (5 March 1998) | doi:10.1038/3206).
Podesta et al: A review of Cuvier’s beaked whale strandings in the Mediterranean Sea, J. CETACEAN RES. MANAGE. 7(3):251–261, 2006
https://www.nmfs.noaa.gov/pr/health/noise/docs/podesta_mediterranean.pdf
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