Der 17 Millionen Jahre alte Schädel eines Schnabelwals ermöglicht die neue Datierung der Hebung des Ostafrikanischen Plateaus. Und damit auch die Datierung einiger Meilensteine der Hominiden-Evolution!
Das Ostafrikanische Hochland ist heute eine Einöde voller Staub und Geröll – für Paläoanthropologen aber ist es der Garten Eden.
Auf einem recht kleinen Areal sind hier viele wichtige Arten von Urmenschen gefunden worden, u. a. mehrere Australopithecus und Homo-Arten. Darunter paläontologische Stars wie Lucy. Hominiden, deren Schädel sich vom modernen Homo sapiens beträchtlich unterscheidet, die aber schon einen aufrechten Gang hatten.
Ostafrika ist Teil eines 3 Milliarden Jahre alten Kratons und damit uralt. Gleichzeitig ist dort seit 20 Millionen Jahren ein höchst aktiver Grabenbruch – das East African Rift (EAR). Mit großem tektonischen Getöse wie Vulkanausbrüchen und Erdbeben wird sich Ostafrika nach und nach von Rest-Afrika abspalten. Meinen jedenfalls einige Geologen.
Das Ostafrikanische Plateau war einst fruchtbar und bedeckt von dichten Wäldern, es lag auf Meereshöhe und war von Flüssen durchzogen. Dann setzten tektonische Prozesse ein, das ganze Gebiet hob sich und die Flüsse versiegten. Die feuchte Meeresluft des Indischen Ozeans erreichte das Hochplateau nicht mehr, der Wald wurde zu Savanne. Dieser Landschafts- und Klimawechsel soll, so die Paläoanthropologen, die Evolution der Urmenschen maßgeblich mit beeinflusst haben – sie mussten neue Lebensstrategien entwickeln.
Die Hebung des Ostafrikanischen Plateaus fand vor 17 bis 13,5 Millionen Jahren statt, schrieb der Geologe Henry Wichura der Universität Potsdam jetzt in den Proceedings of the National Academy of Sciences.
Ein Walfossil hatte diese neue Datierung ermöglicht!
Der Turkana-Schnabelwal
Der fossile Schädel stammt vom Turkana-Schnabelwal (Turkana ziphiid).
Ein ungewöhnlicher Fund, denn Schnabelwale sind tief tauchende, hochozeanische Meeressäuger. Und dieses Fossil befand sich nun 740 Kilometer landeinwärts und 620 Meter über dem Meeresspiegel in West-Turkana, Kenia.
1964 wurde er im Hochland in Kenia entdeckt. Übrigens von James Mead, der heute einer DER Schnabelwal-Experten weltweit ist. 1975 wurde der Schädel wissenschaftlich beschrieben, dann verschwand er für mehrere Jahrzehnte in einer Museumsammlung.
2011 wurde der lange verschollene Schädel in einer Sammlung der Harvard University wiederentdeckt. Er war eingepackt und darum immer wieder übersehen worden. Interessanterweise war er ausgerechnet in dem Büro wieder aufgetaucht, in dem der mittlerweile verstorbene berühmte Paläontologe Stephen Jay Gould residierte. Das Büro wurde mittlerweile als Stauraum genutzt.
Ein Forscher-Team der Universität Potsdam um Henry Wichura hat nun den Schädel und die Original-Feldaufzeichnungen von James Mead analysiert.
Der Wal wurde in Sedimenten gefunden, in denen sich Ablagerungen aus Fluss- und See-Sedimenten mischten. Das deutet auf ein größeres Gewässersystem hin.
Die Forscher rekonstruierten die letzte Reise des Wals: Der Schnabelwal lebte vor 17 Millionen Jahren im Indischen Ozean. Dann schwamm er einen Fluss, den es schon längst nicht mehr gibt, hoch, strandete und starb. Der Fluss lag zum damaligen Zeitpunkt nur 24 bis 37 Meter über dem Meeresspiegel.
Das heißt, dass innerhalb der letzten 17 Millionen Jahren an dieser Stelle die Sedimente 590 Meter hoch aufgestiegen waren.
Auf der Karte (links) ist die Fundstelle des Schädels markiert.
Alte Lavaströme zeigen, dass das Plateau vor 13,5 Millionen Jahren bereits auf der heutigen Höhe lag. Und der Walschädel zeigt, dass die Gegend vor 17 Millionen Jahren noch nur wenig höher als der Meeresspiegel lag.
Das bedeutet, dass der Aufstieg dieser Landmasse zwischen 17 und 13,5 Millionen Jahren geschehen ist. Durch diese Hebung haben sich Landschaft und Klima massiv verändert: Wo vorher dichter Regenwald war, erstreckte sich jetzt die Savanne. Der Landschafts- und Klimawechsel hat die Evolution der Urmenschen maßgeblich mit beeinflusst.
Und ausgerechnet ein Hochsee-Bewohner wurde zum Augenzeugen des Aufstiegs der Hominiden!
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