Walforscher haben im antarktischen Ozean die Echolokations-Laute eines Schnabelwals aufgenommen, die keiner bisher bekannten Art zugeordnet werden konnten. Die ungewöhnlichen Laute sind von einem Walforschungs-Team unter der Leitung von Jennifer Trickey vom Scripps Institution of Oceanography bei einem visuellen und akustischen Survey im Gebiet der South Orkneys, South Shetland Islands und der Antarktischen Halbinsel aufgenommen worden.
Ihren Fund haben sie jetzt in Marine Mammal Science publiziert: “Antarctic beaked whale echolocation signals near South Scotia Ridge” (s. u.).
Schnabelwale – Wale undercover
In der Antarktis leben 5 Arten: Arnoux´s Wal (Berardius arnouxi), der Südliche Entenwal (Hyperoodon planifrons), der Cuvier-Wal (Ziphius cavirostris), Layard-Wal (Mesoplodon layardii) und Gray´s Schnabelwal (Mesoplodon grayi).
Die Echolokations-Laute der Schnabelwale sind frequency-modulated (FM) upsweep pulses – sie sind typisch für die ganze Familie und dann auch noch jeweils arttypisch.
https://cetus.ucsd.edu/Publications/Publications/Baumann-PickeringJASA2013B.pdf
Weiterhin deuten die bisherigen Daten auch auf einen Zusammenhang zwischen der Frequenz und der Größe eines Wals hin. Je kleiner die Walart, desto höher die Frequenz.
Schnabelwale leben im offenen Ozean und machen tiefe Tauchgänge.
Cuvier-Wale sind mit einem Tauchgang in 2,992 Meter Tiefe und einer Tauchzeit von 2 Stunden, 17 Minuten und 30 Sekunden die amtierenden Meister.
Zwischen den Tauchgängen halten sie sich eher kurz an der Wasseroberfläche auf. Außerdem sind die meisten Arten „ship-avoiding“: Sie tauchen bei Annäherung ab und sind vom Schiff aus unsichtbar.
Das wenig spektakuläre Oberflächen-Verhalten dieser mittelgroßen Zahnwale und ihre Ähnlichkeit untereinander machen die Arterkennung sogar für Experten schwierig. Viele von ihnen sehen nahezu identisch aus, optisch können die Arten nur an den Zähnen erwachsener Männchen unterscheiden werden. Für alle weiteren Analysen benötigt man einen Schädel oder eine DNA-Probe.
In den letzten Jahren sind, vor allem mit molekularbiologischen Methoden, immer wieder neue Arten dieser kryptischen Zahnwale entdeckt worden. Zuletzt kam 2014 Mesoplodon hotaula dazu.
„Antarctic BW29“ und „Antarctic BW37“ rufen anders
Trickey und ihr Team fand bei ihrem akustischen Survey auch ein Signal, das sie nicht zuordnen konnten.
Das Signal „Antarctic BW29” kam in 14 Aufnahmen 1000 Mal vor und gehört sicherlich zu einem Schnabelwal. Allerdings unterscheidet es sich von allen bisher bekannten FM Pulsen.
Die Walforscher konnten zunächst die beiden größten Arten, Arnoux´s Wal und den Cuvier-Wal, ausschließen, ihre Signale sind gut dokumentiert und bekannt.
Vom Südlichen Entenwal existiert nicht so viel Tonmaterial, sehr wohl aber von seinem „Cousin“, dem Nördlichen Entenwal. Wenn sich der Südliche Entenwal auch nur ungefähr so anhört wie sein nördlicher Verwandter, könnte er ausgeschlossen werden.
Und: Wenn der postulierte Zusammenhang zwischen der Ruf-Frequenz und der Körpergröße zutrifft, stammt der Sound Antarctic BW29 nicht von einem Gray-Wal. Auch die FM-Pulse des Layard-Wals sind nicht vollständig bekannt. Allerdings kommt diese Art normalerweise gar nicht so weit südlich vor.
Zusätzlich gibt es ein noch weiteres nicht identifiziertes Signal – Antarctic BW37 – mit einer höheren Frequenz, das 6 Mal aufgenommen wurde.
Die Wissenschaftler überlegen nun, ob das Signal Antarctic BW29 doch vom Südlichen Entenwal und das höherfrequente Antarctic BW37 doch vom kleineren Gray-Wal stammen könnten.
Sollten sich die beiden Entenwalarten viel stärker unterscheiden, als angenommen und der Gray-Wal kommt doch auch bis in sehr südliche Gefilde?
Beides ist möglich, aber eher unwahrscheinlich.
Nach allen bisher vorliegenden Informationen ist es wahrscheinlicher, dass ein anderer Wal gerufen hat.
Vielleicht eine neue Art, die sich in den eisigen Gewässern der Antarktis bisher unseren Blicken entzogen hat?
Warum ist das jetzt so aufregend?
Zoologen sortieren Tiere nach systematischen Kennzeichnen in ein bestehendes System ein. Das können Kennzeichen des Schädels oder des Skeletts sein, Farbvarianten, Bewegungsmuster oder Gesänge. Darum heißt diese Wissenschaft auch „Systematik“. Wenn nun ein Experte auf ein Tier stößt, das irgendwie nicht ganz in das bestehende System zu passen scheint, muss er genauer hinsehen. Die Abweichung ist zunächst oft erst einmal ein „Bauchgefühl“. So ein „Bauchgefühl“ kommt durch den automatischen Abgleich von Informationen zustande, der zunächst unbewusst abläuft. Erst bei einer detaillierten Analyse wird dann klar, worin die Abweichung genau besteht und sie kann benannt werden.
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