Sex bei Knochenfischen ist meist wenig spektakulär: Das Weibchen gibt die Eier ins Wasser ab, dann schwimmt das Männchen darüber und gibt seinen Samen dazu. Eine kleine, milchige Wolke, darum auch „Milch“ genannt.
Dieser ganze Vorgang der äußeren Befruchtung kann ausgeschmückt und variiert werden, wie etwa bei Seepferdchen. Aber meistens wird es nicht so richtig „gefühlsecht“, wie wir Säugetiere es uns so vorstellen. Eine innere Befruchtung ist doch schon eine andere Nummer.

https://www.nature.com/polopoly_fs/7.20974.1413565927!/image/Microbrachius_mating_scene_finale1.jpg_gen/derivatives/nature_homepage/Microbrachius_mating_scene_finale1.jpgKnorpelfische – Haie, Rochen und Chimären – vollziehen eine innere Befruchtung!
Dafür haben die Männchen zwei penisartige Strukturen, die Klasper, die sie in die Kloake ihrer Holden einführen. Das Sperma fließt dann durch die Rinne im Innern des Klaspers in den Eileiter. Außerdem sorgen die Klasper für eine „Verankerung“ des Männchens am Weibchen, schließlich ist so ein Liebesspiel im Wasser nicht ganz einfach.
Dieser „Penis“ besteht aus einem zusammengerollten Abschnitt der Bauchflossen, so dass Männchen und Weibchen äußerlich sehr einfach unterscheidbar sind.
Klasper erwachsener Männchen sind übrigens mit Kalksalzen verstärkt, sie fossilisieren auch. So sind diese Begattungsorgane schon von Placodermen aus dem Erdaltertum überliefert. Diese Panzerfische sind vor über 360 Millionen Jahren ausgestorben – sie haben die ältesten bekannten Kopulationsorgane aller Wirbeltiere
(Long et al: Copulation in antiarch placoderms and the origin of gnathostome internal fertilization; Nature, January 2015).

Neue Erkenntnisse zur Entstehung eines uralten Organs

Katherine L. O’Shaughnessy von der University of Florida hat das Wachstum von Leucoraja erinacea-Embryonen in ihren Eihüllen im Labor beobachtet. Leucoraja erinacea ist ein kleiner Rochen, der im westlichen Nordatlantik lebt. Beim Vergleich eines weiblichen und eines männlichen Embryonen wurde deutlich, dass die Klasper sich in einem späten Wachstumsstadium der Bauchflossen entwickeln.
Daraufhin analysierte sie das Sonic Hedgehog (Shh), das u. a. die Entwicklung der Extremitäten steuert, also auch der Bauchflossen.
Hedgehog ist ein Signalprotein und Morphogen, das in der Embyonalentwicklung wichtige Aufgaben übernimmt. Sonic Hedgehog ist ein spezifisches Hedgehog-Protein und steuert die Entwicklung der Extremitäten und des Gehirns. Das Sonic Hedgehog-Protein wird vom Sonic Hedgehog-Gen codiert – dieser Signalweg ist von der Fruchtfliege bis zum Menschen bekannt.

body morphologyDas Shh wurde bei männlichen Embryonen einen Monat früher aktiv, als bei weiblichen!
Ein Verringern des Shh bei heranwachsenden Männchen reduzierte die Klasper-Entwicklung signifikant und die frühere Aktivierung des Shh bei Weibchen führte zu einer Ausbildung von Klaspern.
Für das Einschalten des Shh ist das Geschlechtshormon Androgen verantwortlich.
Dieser Mechanismus, mit Androgen den Shh zu einem früheren Zeitpunkt anzuschalten und so Klasper auszubilden, ist evolutiv sehr alt. Wahrscheinlich lief dieser Signalweg bereits bei den Placodermen vor über 360 Millionen Jahren so ab.

Diese Ergebnisse publizierten Katherine L. O’Shaughnessy et al im Februar 2015 in Nature Communications: “Molecular development of chondrichthyan claspers and the evolution of copulatory organs”.

Mehr zur Fortpflanzung der Haie finden Sie bei der Deutschen Elasmobranchier-Gesellschaft:
https://www.elasmo.de/biologie/fortpflanzung

Kommentare (4)

  1. #1 meregalli
    8. Mai 2015

    Danke für den interessanten Bericht.
    Was das Shh betrifft: auch wenn es schon 360 Mill a alt ist, für mich war das neu.
    Chimären: Bei manche Seekatzen besitzen die Männchen auch mittig aus der Stirn ragende, unpaarige Tentacula, bei Riedel als Organ zur Festhaltung während der Kopulation interpretiert, bei Wiki spricht man von Reizorgan vor oder während der Paarung. Assoziationen zum Anglerfisch einerseits, zu den diversen Kopfschmücken vieler Vögel oder den Geweihen mancher Vertebraten andererseits liegen nahe.
    Anderer Knorpelfisch: Ein landlebender Rochen, vor 2-3 Jahrzehnten noch häufig, heute nur mehr selten rezent, benützt als Reizorgan (Tentaculum) seinen linken Unterarm (im UK und einigen Commonwealth-Staaten ist es der Rechte)

  2. #2 Bettina Wurche
    9. Mai 2015

    @ Meregalli: Danke für den Kommentar. Ja, Seekatzen sind auch wirklich abgefahren. Auch die Clasper dienen zusätzlcih zum Klammern.
    Hast du für den “landlebenden Rochen” einen Namen oder eine Quelle? Hört sich sehr interesant an.
    Zum Shh: Eigentlich muss es ja noch wesentlich älter sein, wenn es bei mehrzelligen Tieren wie Drosophila auch vorkommt. Die Spur der letzten gemeinsamen Vorfahren von Chrodaten und Arthropoden verliert sich im Dunkel der Zeit…im Präkambrium (vor 580 Mio Jahren) waren beide Gruppen bereits klar vorhanden.

  3. #3 meregalli
    10. Mai 2015

    Ich kenne so ein Exemplar. Er wird wohl 70+ sein, athletischer Habitus mit Waschbrettbauch, graue Haare 30 cm lang, hinten zu einem Zopf gebunden. In der Nebensaison fährt er in unserem Hafen mit seiner Zille und einer Mähmaschine zu den diversen seeseitigen Gärten und betreut sie; da ist er nur mit Badehose, Sonnenbrillen und einer goldenen Halskette bekleidet; in der Hauptsaison kutschiert er mit einer echten venetianischen Gondel Touristen herum, da hat er schwarze Hose, blau gestreiftes Laibchen und einen Sonnenhut mit roter Banderole an,- Gott sei Dank singt er nicht.
    Zu diesen Beschäftigungen kommt er immer mit seinem roten Manta- seit 40 Jahren. Ich weiß nicht mehr, wie es früher war. Aber jetzt zeigt er sein Werbeverhalten nicht mehr und hat die Seitenflosse reponiert.

  4. #4 Meertext
    19. September 2022

    […] Anders als Knochenfische, die für ihre äußere Befruchtung der Eier ohne Körperkontakt meist über das Gelege schwimmen, vollführen Knorpelfische eine komplizierte innere Befruchtung – die Männchen haben zu einer Art Penis umgeformte Bauchflossen. […]