Der Plot des neuen Jurassic World-Films lässt sich schnell zusammenfassen: „Übereifrige Wissenschaftler haben einen genmanipulierten Riesen-Dinosaurier gezüchtet, der im neu eröffneten Jurassic Park außer Kontrolle gerät und Amok läuft.“
Dieser Plot ist nicht vollständig neu und das schreckliche Ende kommt nicht gänzlich unerwartet.
Jedenfalls ist völlig klar, dass es auch diesmal schief gehen muss. Die T. rex-Mutante ist NOCH größer und NOCH VIEL SCHRECKLICHER als der T. rex es ohnehin schon war.
Für einen Meeresfreak wie mich gibt es diesmal allerdings ein besonderes Schmankerl, das den genmanipulierten T. rex weit überstrahlt:
Eine extragroße Meeresechse!
RickMac (DeepSeaNews) überlegt noch, ob es sich um eine kurzhalsige Art eines Pliosaurus handelt – möglicherweise ein Kronosaurus -) oder eine supergroße Art eines Mosasauriers – z. B. Tylosaurus – handelt.
Mir kommt der vierflossige Filmstar für einen Tylosaurus wesentlich zu groß und auch zu gedrungen vor, ich tippe eher auf einen Pliosaurus. Da sind immerhin Schädel von bis zu 2,65 bekannt, das ganze Tier ist insgesamt wuchtiger.
Klarheit herrscht hingegen über die Spezies des verfütterten Häppchens: Es ist ein Weißer Hai (Carcharodon carcharias).
Tylosaurus – Jurassic Park geht baden
Die Kameraeinstellung zeigt ein großes Wasserbecken mit Zuschauertribünen, wie wir es aus Wal-Shows kennen.
Die Kamera zoomt auf einen Weißen Hai (Carcharodon carcharias), der kopfüber in der Luft hängt.
Soll er etwa ein Köder sein?
Falls ja: Welches Tier nimmt einen Großen Weißen als Snack?
Bevor der Gedanke sich wirklich formt, schießt der Kopf einer gigantischen Meeresechse aus dem Wasser und schnappt den Hai.
Ein gedrungener Leib mit vier Paddeln und einem großen Kopf mit krokodilartigen Kiefern.
Ein Mosasaurier? Diese Meeresechsen waren gewaltige Prädatoren der erdmittelalterlichen Ozeane.
Ein solcher Beutegreifer braucht auch entsprechende Beute.
Aber muss es nun gerade ein Weißer Hai sein?
Weiße Haie fallen unter die UN Convention on the International Trade in Endangered Species of Wild Flora and Fauna (CITES)!
Sie stehen in Anhang II, das bedeutet, dass sie nicht unmittelbar vom Aussterben bedroht sind, aber der Handel mit Ihnen strengen Auflagen unterliegt und genehmigt werden muss. Der Antragsteller muss nachweisen, dass die beabsichtigte Entnahme einer spezifischen Anzahl von Individuen den Bestand nicht gefährdet. Dazu gehört ein nachhaltiges Bestandsmanagement. Dies beinhaltet die Erforschung der Populationsgröße und –verteilung, die Fortpflanzung, die ökologische Rolle der Art, Daten zur Fischerei und verschiedene andere Eckdaten.
Dann muss der Antragsteller nachweisen, dass seine Fischerei und der Handel nicht zum Niedergang des Bestands oder schweren ökologischen Folgen führen werden.
Wenn man annimmt, dass die Betreibergesellschaft des Jurassic Park ein Unternehmen ist, das unter US-Gesetze fällt, greifen die CITES-Regulatorien ganz ohne Zweifel. Auch die meisten anderen Nationen sind UN-Mitglieder und unterliegen damit der CITES.
Das Verfüttern einer geschützten Art an prähistorische Organismen ist möglicherweise juristisch interessant, moralisch und marketingtechnisch wäre es jedenfalls ein Desaster.
Denn ein Jurassic Park würde auch zahlungskräftiges US-amerikanisches und europäisches Publikum anziehen wollen. Und hier gäbe es auf jeden Fall eine Diskussion über das Verfüttern von geschützten Spezies.
Die nächste Diskussion gäbe es um die artgerechte Haltung des Pliosauriers: Ist das Becken ausreichend groß, tief und die Wasserqualität ausreichend?
Hat das Tier genügend Bewegung und Abwechslung?
Ist die Gruppengröße der gehaltenen Tiere für die Meeresechsen angenehm?
Viele weitere Fragen würden folgen.
Eine Meeresechsen-Haltung wäre sicherlich reizvoll, aber unbedingt hoch kontrovers.
Meeresechse XXXL?
Glücklicherweise ist Paläontologie und insbesondere der Themenkomplex „Dinosauria und Co“ ein ausgewiesenes Nerd-Thema.
In einem Video erklärt ein engagierter Fan, warum der Meeresechsen-Filmstar, den er als Tylosaurus anspricht, ihm viel zu groß vorkommt. Er habe nämlich nachgemessen, nachgerechnet und dazu auch ein kleines Lehrvideo gedreht. Dabei geht es um die echte, also paläontologisch bisher nachgewiesene Größe des Tylosaurus (und im Anschluss auch noch gleich um die neu eingeführte T. rex-Hybride Indominus.)
Ob es sich nun um einen Tylosaurus oder Kronosaurus handelt: Das Tierchen erscheint auch mir reichlich überdimensioniert. Der Kopf lässt den Hai wie eine mickrige Sardine aussehen. Carcharodon wird durchschnittlich 4 Meter lang, der größte Pliosaurier-Schädel misst 2,65 Meter und Mosasaurier haben geradezu zierliche, bis zu 1,5 Meter lange Schädel.
Also ist entweder der Hai ein Jungtier, oder die Meeresechse ist extrem überdimensioniert.
Indominus – Gentechnik muss ja schiefgehen
Indominus ist ein echtes Baby der Gentechnik. Die genetisch überarbeitete Nemesis der Schmalspurwissenschaftler.
„Wir haben in den letzten 10 Jahren mehr durch die Genetik gelernt, als durch 100 Jahre Knochen ausgraben.“ Sagt eine „Wissenschaftlerin“ in die laufenden Kamera (s. Filmtrailer im ersten Absatz).
Ein Super-Statement.
Jedenfalls für eine Schmalspur-Wissenschafts-Tussi, die offenbar noch nie was von Multivarianz-Analyse, Paläoökosystem-Rekonstruktionen, Funktionsmorphologie und interdisziplinärer Arbeitsweise gehört hat. Was man normalerweise in so´nem Paläontologie und Zoologie-Studium eben so lernt.
Wer nun immer noch nicht verstanden hat, dass auch das Knochenausgraben weiterhin seine Berechtigung hat – neben den modernen Methoden der Molekularbiologie und Genetik – , möge bitte mal kurz den deutschsprachigen Wikipedia-Artikel Aegirocassis durchlesen. Oder den meertext-Beitrag „Die Evolution des Haipenis“.
Übrigens: Auch wenn sogar die wildesten Wissenschaftler-Träume heute noch nicht ausreichen, um einen Jurassic Park zu bestücken, gibt es durchaus Anstrengungen, ausgestorbene Tierarten aus der jüngeren Vergangenheit wieder zum Leben zu erwecken: Mammuts!
Mammuts sind im sibirischen Permafrostboden hervorragend und nahezu unversehrt erhalten, mit ihren Weichgeben samt Zottelfell und Mageninhalt. Bis jetzt hat das Wiedererwecken eines solchen Tiefkühlofanten noch nicht geklappt, es ist wohl doch deutlich komplizierter, als angenommen. Und falls ein Mammut-Baby geboren werden sollte, gibt es eine lange Liste mit weiteren Problemen. Mehr dazu finden Sie in dem meertext-Beitrag „Mammut 3.0“.
Zum Weiterlesen über die Geographie und Parkstruktur des Jurassic Park:
https://de.jurassicpark.wikia.com/wiki/Isla_Nublar
Kommentare (16)