In den Weiten des Indopazifischen Ozeans tummeln sich Meeresgeschöpfe unbeobachtet von allzu neugierigen Biologen. Vor allem über die Hochseespezies wie die Schnabelwale (Ziphiidae) wissen wir immer noch sehr wenig.
Diese Wasserwüste ist eher punktuell erforscht, auch über die dortigen Wale ist deutlich weniger bekannt, als über ihre Verwandten des Nordatlantik, Nordpazifiks oder der subantarktischen Gewässer. Das liegt vor allem daran, dass dieser große südliche Ozean eine so ungeheure Ausdehnung hat. Die bewährte Kombination der Walforschungs-Finanzierung über Whale-watching-Aktivitäten läuft zwar in australischen küstennahen Gewässern und um Haiwaii großartig, in vielen kleineren Ländern oder fernab der Küsten rentiert es sich aber nicht. Die Anfahrt ist zu lang und Schiffszeit ist teuer.
Zum anderen liegt es sicherlich auch daran, dass die Walforschung für viele der Anrainerstaaten eine eher geringe Priorität hat. Letzteres ist selbstverständlich meine ganz subjektive Meinung. Aber man sollte dabei bedenken, dass solche Forschung ein Luxus ist, den sich nicht jedes Land leisten kann.
Der allergrößte Teil der Forschungserkenntnisse der Nach-dem-Walfang-Ära stammt von gestrandeten Tieren. Darum sind die vereinzelten Publikationen in diesem Bereich besonders wertvoll – sie öffnen uns ein Fenster in das unbekannte Leben und Treiben der Meeressäuger der offenen Ozeane.
Gerade sind dazu einige Publikationen erschienen, die kleine Stückchen im Wal-Puzzle des Indopazifik ergänzen.
Schnabelwal-Strandungen (Ziphius cavirostris) im Indopazifik – auf den Marshall-Inseln
Die Marshall-Inseln gehören zu Ozeanien, historische Texte bezeichnen diese Region nahe des Äquators auch als „Südsee“.
Der polnische Cetologe und Schnabelwal-Experte Wojtek Bachara hat zwei gestrandete Cuvier-Wale (Ziphius cavirostris) auf den Marshall-Inseln dokumentiert. Die Tiere, ein erwachsenes Männchen von etwa 600 cm Länge und ein kleineres Tier von 450 bis 50 cm Länge unbekannten Geschlechts waren bereits 2009 auf der Marschall-Insel Langor tot aufgefunden worden. Leider wurden sie damals weder vermessen noch ihre Schädel oder gar die ganzen Skelette aufbewahrt. Bachara hat die Tiere offenbar anhand der Photos identifiziert.
2013 hatte Bachara erstmals einen gestrandeten Cuvier-Wal beschrieben, ein etwa 200 cm Weibchen. Der kleine Wal war zunächst fälschlich als Zweizahnwal einsortiert worden (Bachara, 2015; Bachara et al, 2013; s. u.).
Damit sind bis heute 35 Cuvier-Schnabelwal-Strandungen für Ozeanien nachgewiesen.
Zweizahnwal–Strandungen (Mesoplodon sp.) im Indopazifik – Brunei Daressalam und Sri Lanka
Buchara und seine Co-Autoren Dols und Yusniasita-Dols des Panagua Natural History Museums beschreiben auch den ersten Nachweis für Mesoplodon denisrostris. Der Blainville-Zweizahnwal war bereist 1998 am Panaga-Strand in Brunei Daressalam lebend gestrandet. useumsmitarbeiter und Feuerwehrmänner versuchten, ihn ins Meer zurückzubringen, er starb jedoch während der Rettungsaktion. Der Wal hatte Wunden am Bauch, die wahrscheinlich von einem Bootspropeller stammten. Schädel und Skelett wurden in das Brunei-Museum gebracht, wo sie heute noch ausgestellt sind.
Das Tier wurde zunächst fälschlich als Cuvier-Schnabelwal identifiziert, was Bachara jetzt korrigierte. Das Museum dürfte sich darüber gefreut haben, denn der Blainville-Schnabelwal ist noch wesentlich seltener.
In einer weiteren Publikation beschreibt Georgina Gemmell vom Orca Project Sri Lanka, dass „ihre Schwertwale“ vor Sri Lanka unter anderem auch Zweizahnwale (Mesoplodon) erbeuten. Dies sei, so schreibt sie, ihres Wissens nach der einzige gesicherte Nachweis, dass Orcas Schnabelwale jagen und fressen. Bisher hatte man dies nur aufgrund der Narben auf einem gestrandeten Blainville-Schnabelwal angenommen.
Die Orcas vor Sri Lanka haben jedenfalls auch keine Angst vor noch größeren Walen: Sie wurden bei Angriffen auf eine Herde Pottwale und einen Blauwal beobachtet (Gemmell, G. L. et al, 2015, in press; s. u.).
Übrigens: In Sri Lanka ist kürzlich auch eine neue Mesoplodon-Art beschrieben worden: M. hotaula.
Schlussfolgerung aus diesen Strandungen
Ein gestrandeter Wal macht mich immer traurig.
Und doch war ich nach dem Lesen der o. g. Publikationen total erleichtert.
Ich hatte nämlich mit viel Schlimmerem gerechnet!
Einer Massenstrandung nach einem Marinemanöver mit dem neuartigen Sonar, bei dem die Tiere in Panik auftauchen – mit schweren Einblutungen in allen inneren Organen und mit zerstörten Innenohren.
Aber in diesen Fällen sind „nur“ einzelne Tiere gestorben und nicht ein ganzer Familienverband ausgerottet worden.
Diese hochozeanischen und scheuen Zahnwale sind in der Weite und Tiefe des Indopazifik gut aufgehoben. Die Cuvier-Schnabelwale sind die amtierenden Tieftauchmeister – mit 2992 Meter Tauchtiefe und 137,5 Minuten Tauchdauer haben sie im Indopazifik immer noch reichlich Wasser unter dem Schnabel.
Und die nächste Marinebasis ist weit weg.
Damit sind sie hier auch in den meisten Regionen vor dem LFAS-Sonar sicher, das um die kanarischen Inseln, um Hawaii und im Mittelmeer schon so viele Cuvier-Wale in den Tod getrieben hat.
In den meisten Staaten des Indopazifiks mit Küsten gibt es bis heute keine koordinierte Walforschung. Darum sind diese einzelnen Strandungsberichte wertvolle Nachweise ihrer Verbreitung. Würden sie vollständig ausgewertet, könnten sie noch wesentlich mehr Informationen preisgeben. „It is essential to carry out more stranding surveys, research cruises and to develop stranding networks in many countries to understand the situation of the the species and other ziphiids in Southeast Asia“ schreibt Bachara am Ende seines Manuskripts. Recht hat er.
Der Cuvier-Schnabelwal – ein Kosmopolit?
Ziphius cavirostris ist erstmals 1832 wissenschaftlich beschrieben worden – natürlich von Georges Cuvier. Der mittelgroße Zahnwal kommt in allen subtropischen, tropischen und gemäßigten Meeren vor.
Die Gattung besteht aus nur einer Art. Ein starker Gegensatz zur Gattung Mesoplodon, die aus mittlerweile 15 Arten besteht, die sowohl anatomisch als auch molekularbiologisch sauber nachgewiesen sind.
Ist das möglich?
Eigentlich erscheint es mir unwahrscheinlich.
Zurzeit werden, nicht zuletzt durch den verbesserten weltweiten Datentransfer, die Digitalisierung von Sammlungsdaten und verfeinerte molekularbiologische Methoden, regelmäßig neue Walarten beschrieben.
Cuvier-Schnabelwale haben große Schädel, die vor Ort studiert und erfasst werden müssen. Die Erfassung eines solchen Schädels in Zahlen ist nicht einfach, man muss die Tiere recht genau kennen, um zu wissen, welche Maße für jede Art fest geschriebene Merkmale sind und welche Maße eine innerartliche Varianz haben. Und oft ist es schwierig, genügend frisches Gewebe für die molekulare Untersuchung sicherzustellen. Wale verwesen aufgrund ihrer Körpertemperatur und guten Isolierung sehr schnell, in warmen Gegenden noch schneller.
Ich warte jedenfalls gespannt darauf, welche Überraschungen diese Ozeanbewohner mit dem außergewöhnlichen Gebiss noch bereithalten.
Literatur:
Bachara W. and S. A. Norman. 2013. “Ziphius cavirostris strandings-a short review.” Reports of the International Whaling Commission SC65/SM1
Bachara, Wojtek: 2015 “Second stranding record of a Ziphius cavirostris in the Marshall Islands” Reports of the International Whaling Commission SC/66a/SM/8
Bachara, W. Hans Dols, and Novi Yusniasita-Dols. 2015. First stranding record of a Mesoplodon densirostris in Brunei Darussalam, Southeast Asia
Gemmell, G. L., McInnes, J. D., Heinrichs, S. J. & de Silva Wijeyeratne, G. (In Press) 2015 “Killer Whale (Orcinus orca) Predation on Whales in Sri Lankan Waters.” Aquatic Mammals
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