Jedes Jahr zwischen Ende Juli bis Mitte August gerät die Erde auf ihrer Himmelsbahn in einen besonders dichten Sternschnuppenschauer: Die Perseiden!
Heute Nacht gegen 02:00 Uhr erwarten Astronomen den Höhepunkt des diesjährigen Perseiden-Spektakels. Der Mond glänzt durch fast vollständige Abwesenheit – am Freitag ist Neumond – und sorgt für eine besonders dunkle und somit gute Kulisse für die Sternschnuppen.
Die Perseiden bestehen aus den „Auflösungsprodukten“ des Kometen 109P/Swift-Tuttle.
Solche Schweifsterne sind sicherlich schon seit der frühesten Menschheitsgeschichte ein besonderes Spektakel für die Menschen gewesen. Und Menschen suchen für außergewöhnliche Phänomene gern nach Erklärungen oder Begründungen, um sie in ihr Weltbild besser einordnen zu können.
Die Menschen des Mittelalters haben sich die fallenden Mini-Himmelkörper als die Tränen des heiligen Laurentius erklärt. Ein christlicher Märtyrer, der am 10. August 258 in Rom zu Tode gefoltert wurde. St. Laurentius starb einen sehr grausamen Tod auf dem Bratrost und soll heiße Tränen geweint haben.
So kamen die Perseiden, die alljährlich zum Todestag des Märtyrers um den 10. August herum auftauchten, zu ihrem Namen „Tränen des Laurentius“.
„Perseiden“ heißen sie, weil sie scheinbar aus dem Sternbild des Perseus auftauchen.
Die Verknüpfung des astronomischen Hintergrundes der Perseiden und der Geschichte des Heiligen Laurentius sowie die Gemälde des Märtyrers hat den Künstler Olaf Nicolai zu dem modernen und interaktiven Konzept-Kunstwerk: „Welcome to the Tears of St. Lawrence. An Appointment to Watch Falling Stars.” (Herstellungsjahr 2005) inspiriert.
Olaf Nicolai hat astronomische Informationen zu dem zweifachen August-Mysterium – Himmelserscheinung und Märtyrer – akribisch zusammengetragen. Von der Sichtbarkeit der Perseiden über eine Anleitung zum Sternschnuppengucken bis zu den Eckdaten des Heiligen Laurentius. Dabei bezieht er sich auf das Gemälde eines unbekannten Künstlers von etwa 1705, das heute in der Kartause Ittingen hängt.
Dazu hat Olaf Nicolai ein umfassendes Glossar ergänzt, das faszinierende und amüsante Feinheiten rund um die Meteoritenkunde präsentiert: Vom einzig nachgewiesenen Meteoritenopfer – Mrs. Hodges in Sylacauga, Alabama (1954) bis zum Element Niningerit, das bisher nur auf Meteoriten nachweisbar war. Von Kometen, Meteoriten, Meteoritenschauern bis zur Benennung von neu entdeckten Kometen.
Besonders gefällt mir die Einladung zum Mitgucken und Mitmachen. Denn an das Booklet zum Kunstwerk ist eine Postkarte angehängt, mit der man seine Beobachtungen dem Meteoritenexperten André Knöfel mitteilen kann.
André Knöfel ist einer der bekanntesten Meteoritensammler und –entdecker Deutschlands und hat bereits selbst viele neue Himmelskörper benannt.
Für sein herausragendes ehrenamtliches Engagement in der Meteoritenforschung hat er sogar schon Auszeichnungen erhalten, etwa 2004 die Verdienstmedaille des Verdienstordens aus der Hand des Bundespräsidenten Horst Köhler.
Diese universelle Betrachtung Olaf Nicolais der Perseiden aus kunsthistorischem und naturgeschichtlichem Blickwinkel und der Einladung zum Mitmachen gefällt mir außerordentlich gut! Er hat mich zum Nach- und Weiterdenken inspiriert. Außerdem ist es eine schöne Anekdote, die den üblichen Perseiden-Smalltalk noch einmal um eine Nuance bereichert.
„Welcome to the Tears of St. Lawrence. An Appointment to Watch Falling Stars.” war u. a. 2005 auf der Biennale in Venedig ausgestellt und gehört heute der Sammlung Thyssen-Bornemisza Art Contemporary. “Seit August 2009 wird die Arbeit als Dauerleihgabe im Kunstmuseum Thurgau in der Kartause Ittingen gezeigt. Zwischen Arbeit und Ort besteht dabei ein direkter Bezug, ist doch der heilige Laurentius der Kirchenpatron der Kartause Ittingen.”
Kommentare (6)