Kürzlich ging ein Video durch die Presse, in dem ein Fischer seine Überraschung über einen etwas ungewöhnlichen Fisch zum Ausdruck brachte.
Es geht um einen Mondfisch.
Dieses virale Video hatte mich wirklich überrascht.
Allerdings weniger der Mondfisch, sondern vielmehr die wortreiche Überraschung des Fischers: „Oh my god, what the @#$% is that bro?“

Und dann erzähl´ mir noch mal jemand, Fischer seien wortkarg.
Das Video ist auf jeden Fall ein guter Aufhänger, diesen grauen Riesen mal etwas näher zu betrachten.

Groß. Grau. Irgendwie klumpig.
Ein Mondfisch gehört zu den ungewöhnlicheren Meeresbewohnern und unterscheidet sich ganz beträchtlich von anderen Knochenfischen.
Schließlich ist der Otto-Normal-Fisch mehr oder weniger länglich, nutzt die Schwanzflosse als Hauptantrieb, die zwei Paar paarige Flossen zum Manövrieren und hat meist noch Anal- und Rückenflosse(n). Beim Schwimmen ist idealerweise der dunklere Rücken oben und der hellere Bauch unten.

https://i.imgur.com/KmKbKRo.jpg

Mola mola-Skelett Museum

Beim Mondfisch (Mola mola) ist alles anders. Der wissenschaftliche Name Mola ist Lateinisch für Mühlstein. Da dieser graue Koloss, der bis zu 3,30 Meter Körperlänge erreichen kann, mit bis zu 2,3 Tonnen Gewicht der schwerste Knochenfisch der Welt ist, passt Mola gut. Der größte Mondfisch aller Zeiten strandete am Strand von Whangarei Heads in Neuseeland.

Seine Flossenausstattung und Fortbewegung sind bemerkenswert.
Das Tier hat am Körperende einen gewellten Saum, eine Flosse ragt senkrecht nach oben und eine nach unten: Die Rücken- und Afterflosse. Der gewellte Saum ist eine ungewöhnlich breit angesetzte Rückenflosse. „Gephyrocerk“, nennen die Ichthyologen diese Form, sie kommt nur beim Mondfisch vor.

Beim Schwimmen ist zu sehen, dass das Tier tatsächlich mit den nach oben und unten stehenden Flossen, der Rücken und Afterflosse,  synchron schlägt. Langsam und behäbig, nicht pfeilgerade, sondern eher schaukelnd, pflügt er durch den Ozean. An der Oberfläche liegt er oft auf der Seite, dann sind die keilförmige After- und Rückenflosse in Aktion und rudern durch Wasser und Luft. Ein auf die Seite gekippter Fisch, der scheinbar hilflos mit den Flossen in der Luft rudert, wirkt schnell wie ein Fisch in Seenot. Andere Beobachter haben dieses Oberflächenverhalten als „Sonnenbaden“ interpretiert. Daher kommt sein englische Trivialname: „Sunfish“.

Der Mondfisch hat keine Schuppen, sondern eine ledrige Haut, seine Oberfläche wirkt stumpf grau und faltig. Die dicke Schicht des subkutanen Gewebes ermöglicht rasche Tiefenwechsel, da es eine gelatinöse, unkomprimierbare Zusammensetzung hat.

Sein großes Auge ist dunkel, die zugespitzte Mundpartie gibt ihm einen etwas überraschten Gesichtsausdruck. Die Mundöffnung steht meist offen, die Zähne sind zu einer Art Papageienschnabel verwachsen.  Ein sanfter Riese, der in einigen großen Meerwasser-Aquarien bewundert werden kann, etwa in Stralsund im Ozeaneum.
Ein genügsamer Riese, der Quallen und Salpen frisst. Daneben speist er auch andere planktische Organismen wie Aallarven, Flügelschnecken, Krebse, kleine Fische und Tintenfische oder auch Schlangensterne.

Mola mola Larve (wikipedia)

Baby-Mondfisch – ein Sternchen

Baby-Mondfische sehen aus wie Sternchen.
Gut, die Bezeichnung „Baby“ ist nicht korrekt, es ist natürlich eine Larve.
Die Stacheln sollen die Jungtiere vor Freßfeinden schützen.
Der Mondfisch-Nachwuchs hat übrigens etwa 300 Millionen Geschwister, die grauen Meeresriesen sind außerordentlich fruchtbar. Die 3 Millimeter kleinen Winzlinge haben noch eine richtige Schwanzflosse.

Neue Forschungsergebnisse: ein neues Bild des Mondfisches

Die Gruppe der Mondfische (Molidae) steht nach neuen molekularbiologischne Untersuchungen gar nicht mehr so allein in der Fisch-Systematik: Sie sind verwandt mit den Tetraodontiformes, den Kugelfischverwandten.

Biogeographie Mola mola (Pope et al)

Biogeographie Mola mola (Pope et al)Auch die Unterstellung, die großen Grauen würden eher im Meer herumdriften, trifft nicht mehr zu.

Pope und seine Kollegen haben 2009 telemetrische Daten einiger mit Sendern markierten  Fische publiziert, die klar belegen, dass die Tiere zügig und zielstrebig die Ozeane durchqueren. Sie jagen bis in 250 Metern Tiefe. Auf solche Tauchgänge in Meeresschichten mit nur noch 6,8 °C Wassertemperatur folgt oft eine Periode des „Sonnenbadens“. Dieses Verhalten könnte also ein Ausgleichen des Wärmeverlusts sein.

Mondfisch wird fast nur in Japan als Speisefisch direkt gefangen und verabreitet, daraus sollte keine Bedrohung für diese Fische hervorgehen. Wesentlich problematischer ist die hohe Anzahl des Beifangs in der Langleinenfischerei auf Thunfisch oder dem Stachelmakrelenfang. Zurzeit gibt es keine Bestandsschätzungen, aber eine große Anzahl von Beifang, die bei so großen Tieren alarmierend ist.

Quelle:

EC Pope, GC Hays, TM Thys, TK Doyle et al: The biology and ecology of the ocean sunfish Mola mola: a review of current knowledge and future research perspectives;  Reviews in Fish Biology; 2010

Oh my god, what the @#$% is that bro?

Kommentare (28)

  1. #1 BreitSide
    Beim Deich
    12. Oktober 2015

    Wahrlich skurril, das Teil! Vor allem das Skelett ist erstaunlich dreidimensional. Ach nee, eine Täuschung. Hier sieht man es noch schöner: https://ombrenelcielo.wordpress.com/2012/01/25/lewis-carroll-photography/#jp-carousel-1478

    Im Fernsehen hatte ich zwei Sichtungen:

    – Am Ende des Films “La dolce Vita”,
    – In einer Doku, wo sich Delfine (oder waren es Orcas?) mit einem Mondfisch vergnügten, dem sie die Flossen abgebissen hatten. So hieß es jedenfalls im Kommentar.

  2. #2 BreitSide
    Beim Deich
    12. Oktober 2015

    Ein Glück, dass der Film nicht unter amerikanischer Lizenz läuft. Der Ton wäre sonst nur gewesen:

    What a Beep oh beep how beeeeeep-beep this is beeeeeeeep…

  3. #3 BreitSide
    Beim Deich
    12. Oktober 2015

    Jetzt versuch ich nochmal meinen ersten Kommentar:

    Wahrlich skurril, das Teil! Vor allem das Skelett ist erstaunlich dreidimensional. Ach nee, eine Täuschung. Hier sieht man es noch schöner: https://ombrenelcielo.wordpress.com/2012/01/25/lewis-carroll-photography/#jp-carousel-1478

    Im Fernsehen hatte ich zwei Sichtungen:

    – Am Ende des Films “La dolce Vita”,
    – In einer Doku, wo sich Delfine (oder waren es Orcas?) mit einem Mondfisch vergnügten, dem sie die Flossen abgebissen hatten. So hieß es jedenfalls im Kommentar.

  4. #4 meregalli
    12. Oktober 2015

    Wäre ich dabei gewesen: Ich weiß nicht wer, entweder der Fischer oder ich hätte dem Mondfisch Gesellschaft geleistet.

    Der Link zum angeschwemmten Exemplar stimmt aber nicht, oder?

  5. #5 Bettina Wurche
    12. Oktober 2015

    @meregalli: Doch, der link stimmt. es steht unter der Verbreitungskarte.
    Und, ja, das ging mir auch so. : )

  6. #6 Bettina Wurche
    12. Oktober 2015

    @BreitSide: Naja, der Informationsgehalt wäre ja gleich geblieben : )

  7. #7 Ute Gerhardt
    12. Oktober 2015

    Von dem Fisch hatte ich noch nie gehört. Ist ja ein faszinierendes Tier!

  8. #8 Dampier
    12. Oktober 2015

    Ich hatte irgendwie öfter mal Fotos von Mondfischen gesehen und fand die ganz schräge, aber seit ich zum ersten Mal gesehen hab, wie verdammt riesig die sind, faszinieren die mich total und gehören zu meinen Lieblingsfischen.

    Klasse Artikel btw. :]

  9. #9 terrikay
    12. Oktober 2015
  10. #10 BreitSide
    Beim Deich
    12. Oktober 2015

    🙂

  11. #11 BreitSide
    Beim Deich
    12. Oktober 2015

    Und wie es der Zufall will, macht web.de heute mit diesem Video auf:

    https://web.de/magazine/wissen/riesiger-mondfisch-ueberrascht-taucher-30990634

    Tolle Aufnahmen!

  12. #12 Hirk
    13. Oktober 2015

    Zwei Tonnen giftiges Fleisch, verpackt in 15 cm dicke Haut und ein Gehirn, nicht größer als eine Pflaume. Das hat 50 Mio. Jahre ausgereicht um zu überleben. Aber gegen Industrielle Fischei hilft eben gar nichts. Unser Zeitalter wird wohl keine Fossilien solcher Tiere hinterlassen. Nur Videoaufnahmen auf vergammelten Datenträgern.

  13. #13 Bettina Wurche
    13. Oktober 2015

    @terrikay: Danke für den Tipp, das hatte ich erst abends gesehen.

  14. #14 Bettina Wurche
    13. Oktober 2015

    @BreitSide: Das ist das gleiche Video wie auf SPON, danke!

  15. #15 Bettina Wurche
    13. Oktober 2015

    @Hirk: Bei soviel Nachkommen müssen wir noch nicht das Schlimmste befürchten. Allerdings werden vor allem die großen Exemplare weggefangen, das könnte dazu führen, dass die Art “verzwergt”.
    Ich finde tatsächlich keine älteren Hinweise auf Fossilien vor dem Eozän, eine so abgefahrene Gruppe sollte aber eine längere Entwicklung hinter sich haben. Aber die fossile Überlieferung von hochozeanischen Arten ist ja immer schwierig, weil die entsprechenden Sedimentablagerungen oftmals für uns unerreichbar bleiben.
    Die Fischerei auf den Mondfisch ist seit prähistorischer Zeit belegt
    https://www.jstor.org/stable/27825752?seq=1#page_scan_tab_contents
    und in Taiwan und Japan soll er eine Delikatesse sein.
    Mola soll nicht sehr stark toxisch sein: “Tests show that neither the mola, or many other tetraodontiformes have high enough levels of toxicity like that of a spiny puffer fish (Saito et al. 1991).” https://online.sfsu.edu/bholzman/courses/Fall00Projects/Mola.html

  16. #16 Hirk
    13. Oktober 2015

    Ich bin da weniger optimistisch. Von den vielen Nachkommen bleiben doch wohl die meisten auf der Strecke. Das ist Fischfutter. Eine erzwungene Verzwergung nimmt den erwachsenen Tieren den evolutionären Vorteil trotz mangelnder Agilität nicht gefressen zu werden. Bliebe der Art genug Zeit, würde sich als letzter Ausweg eventuell die Menge an Tetrodotoxin im Fleisch erhöhen, aber Zeit ist im Anthropozän knapp. Nebenbei erwähnt: Eisbären fressen jetzt Moos. Ein unschönes Beispiel, wie eng die Grenzen der Anpassung liegen, denn ich glaube nicht, dass sich diese Art damit länger über Wasser halten kann.

    Beste Grüße und Danke für den Blog
    Hirk

  17. #17 BreitSide
    Beim Deich
    13. Oktober 2015

    Irgendwie sieht der Gutste aus wie ein rotes Blutkörperchen, so eingedrückt.

    Oder wie das fränkische(?) Backwerk “Ausgezogene” Küchle oder Krapfen.

  18. #18 BreitSide
    Beim Deich
    13. Oktober 2015

    Durch dieses Video wird vielleicht das Bewusstsein für diese wunderbare Kreatur geschaffen. Bei Walen hat es ja sehr gut funktioniert, bei Haien fängt es wohl gerade an, beim Mondfisch muss es wohl erst noch werden.

    Kann man aber schon verstehen, zwei Tonnen Essen mit einem Fang, das macht schon was her… ;-(

  19. #19 Geoman
    13. Oktober 2015

    Wer Monfisch sagt, denkt normalerweise D’Arcy Thompsons klassische Fischtransformation mit:

    https://www.kritische-naturgeschichte.de/Medien/Darcy-Thompson-mola-morph.gif

  20. #20 BreitSide
    Beim Deich
    13. Oktober 2015

    Super Grafik!

    So schön kann Bio (oder Mathe…) sein!

  21. #21 Bettina Wurche
    13. Oktober 2015

    Eure Begeisterung für den Mondfisch freut mich sehr!
    Und das Video, das BreitSide noch ergänzte, kam eben gerade in den Nachrichten um 19:00 Uhr. Wie schön, dass mal ein so unbekannter Fisch Medienruhm erhält : )

  22. #22 Bettina Wurche
    13. Oktober 2015

    @Geoman: Herrlich!

  23. #23 Alderamin
    13. Oktober 2015

    So einen habe ich mal in dem großen Aquarium in Valencia gesehen. Na ja, so groß wie der im Video war er nicht, aber einen dreiviertel Meter wird er gehabt.

    Übrigens ein großartiges Aquarium. Wo gibt’s noch welche? In Arnheim in den Niederlanden zum Bleistift. Das im Berliner Zoologischen Garten war, glaube ich, auch ganz ok. Und Hamburg hat ein super Riesenschaubecken mit Haien. Aber den Mola gibt’s nur in Valencia, so weit ich mich erinnere.

  24. #24 Bettina Wurche
    14. Oktober 2015

    @Alderamin: Den in Valencia habe ich auch gesehen, außerdem soll in Stralsund einer sein.
    Valencia und Arnheim fand ich ganz nett, aber sie zeigen keine große Biodiversität. Aquarien wie Oceanopolis in Brest oder Monterey finde ich aus biologischer Sicht noch spannender. Das Two Oceans in Kapstadt fand ich auch klasse. Die sind nicht ganz so groß, haben dafür aber regionale Fauna und viele, auch kleinere Arten.

  25. #25 Alderamin
    14. Oktober 2015

    @Bettina

    Brest und Monterey kenne ich nicht. Monaco habe ich noch in Erinnerung. Die haben allerdings das Mittelmeer mit Caulerpa-Algen verseucht, die jetzt die Seegraswiesen zerstören :-X

    Aquarien finde ich spannend, nicht nur, weil sie schön aussehen, sondern weil ich selbst auch ein Seewasserbecken habe. Ist aber etwas in die Jahre gekommen. Meine Frau hat Angst, dass es nach 17 Jahren undicht wird oder der Schrank darunter zusammenbricht (wiegt immerhin mehr als eine halbe Tonne), werde es wohl bald abschaffen 🙁

  26. […] Meertext geht es um Mondfische, die im Englischen Sunfische heißen, und bei Biologen als Mühlsteinfische […]

  27. #27 Meeresakrobaten
    5. September 2016

    Ich habe zwei dieser tollen Geschöpfe im August 2016 beim Whale-Watchen im Ligurischen Meer gesehen. Je nachdem, aus welcher Perspektive man sie anschaut, sehen sie sogar aus wie kleine Haie.
    Für Kinder habe ich dazu eine Info-Seite verfasst:
    https://www.derkleinedelfin.de/mondfische-im-sonnenlicht/

  28. #28 Bettina Wurche
    5. September 2016

    @Meeresakrobaten: Danke für die Verlinkung, Susanne!