Achtung: Spoiler-Alarm!
Ich habe das Buch verschlungen und nun auch noch den Film geguckt.
Beides zusammen soll hier besprochen werden.
Es geht sowohl um die Gesamtstory von Andy Weir, als auch um die filmische Umsetzung durch Ridley Scott und sein Team.
Mein Gesamturteil: Hervorragend.
Eine futuristische Robinsonade der Extraklasse. Sehr wissenschaftlich.
Der Beginn mit dem Staubsturm und seinem dramatischen Auswirkungen und das Ende mit dem Flyby-PingPong sind völlig unrealistisch. Im Buch wie im Film. Sie sind genauso dünn wie Mars-Atmosphäre.
Aber was dazwischen war, hat mich beim Lesen umgehauen.
Das Buch ist phantastisch, möglicherweise mag der eine oder die andere LeserIn den recht wissenschaftlichen Stil als ein wenig trocken empfinden.
Aber auf dem Mars ist es nun mal trocken.
Mark Watney – Wissenschaftler und Astronaut
Mark Watney strandet auf dem Mars.
Allein.
Ein auf dem Mars gestrandeter Mensch hat nur eine einzige Überlebenschance: Die totale Flucht in die Sachlichkeit. Sowie ein solcher Mars-Robinson seinem Gehirn erlaubte, sich darüber Gedanken zu machen, dass er völlig allein auf einem lebensfeindlichen Planeten sitzt, wäre er verloren. Das Bewusstsein um diese totale Einsamkeit müsste den menschlichen Verstand lähmen.
Seine einzige Chance, zu überleben, besteht in der Flucht nach vorn. Die Bestandsaufnahme der vorhandenen Dinge und das gezielte Arbeiten an Lösungen und Abarbeiten von Tätigkeiten.
Seine wissenschaftliche Ausbildung und das harte Astronautentraining bestimmen sein Agieren. Es bedarf schon einer sehr starken Selbstbeherrschung und einer fast übermenschlichen Sachlichkeit, um, wenn ein spitzes Objekt in der Bauchdecke steckt, die nötigen Maßnahmen durchzuführen: die Schichten des Raumanzug ausziehen, dabei Teile des Objekts entfernen, zum Medizinschrank gehen, den Rest des Altmetalls entfernen , betäuben, desinfizieren, nach Resten sondieren, tackern, verbinden.
Ich weiß, dass das alles zum Astronautentraining gehört und nur Leute ausgewählt werden, die so etwas auch können. Insofern war es realistisch. Aber ich fand diese Szene härter als die härteste Raumschlacht.
Der Botanik-Teil erscheint mir sehr realistisch.
Auf dem Mars fruchtbaren Mutterboden zu produzieren, ist schon eine Herausforderung.
Aber die Praxis, aus Gestein und organischem Material fruchtbare Ackerkrume herzustellen, ist auch auf der Erde oft genug angewendet worden. Bewohner sehr karger Böden mussten sich, ohne Zugang zu modernen Düngemitteln, auch anders behelfen. In Irland und Schottland sollen die Bewohner felsiger Küstenabschnitte Sand und Tang abwechselnd aufgeschichtet haben, so dass sie allmählich fruchtbare Krume daraus bekamen. Magere Torfböden wurden mit Viehdung gedüngt und mit Sand zu bessere Durchlässigkeit vermengt. Watneys Vermengung der verfügbaren mineralischen und organischen Bestandteile ist absolut glaubwürdig. Er impft seine Marskrume dann mit Bakterien, ohne die der Boden steril bliebe und gibt den Kartoffeln damit eine echte Chance.
Im Film fehlen dann natürlich viele Details, es hätte einfach den Rahmen gesprengt.
Im Buch sind seine Gedankengänge ausführlicher vorgestellt, der Leser begleitet Watney bei der Suche nach Problemlösungen step for step.
Irdische Fachleute haben an dieser Stelle im “TechInsider”-Interview noch ergänzt, dass die Marskrume bereits viel Nitrit und auch gefrorenes Wasser enthält, was für die Kartoffelpflanzung bereits gereicht hätte. Weiterhin sagt der Physiologe Bugbee, dass die Zugabe konzentrierter menschlicher Fäkalien als Dünger für die Kartfoffeln vielleicht etwas zuviel Düngung gewesen wäre. Da kann ich nur antworten: RTFM. Im Buch mischt Watney Marskrume und Fäkalien nach und nach und produziert so einen fruchtbaren Boden. Das ist im Film simplifiziert worden, schließlich ist so eine rustikale Tätigkeit dramaturgisch kein Burner.
Zum Chemie-Anteil äußere ich mich besser nicht. Schon beim Hantieren mit Hydrazin und dem Auslösen der Knallgasreaktion habe ich weiche Knie bekommen. Immerhin hat er dann ja schnell dazugelernt und Sicherheitskleidung angelegt.
In den Selbstgesprächen kommt sein Sinn für Humor durch. Wenn er alltägliche, profane Aktivitäten wissenschaftlich korrekt und sprachlich überzogen notiert, wie für eine Fach-Publikation, kommt da ein verschrobener Wissenschaftler-Humor mit Selbst-Ironie auf, den ich hinreißend finde. Auch die üblichen Sticheleien zwischen den Fachrichtungen, wie „Botanik ist keine echte Wissenschaft“ finden ihren Platz.
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