Um die Jahreswende 2014/2015 strandeten zwei Langflossen-Grindwale (Globicephala melas) an der Holländischen Nordseeküste. Seltene Besucher!
Das am 17.12.2014 bei Nieuw-Haamstede (Zeeland, SW Netherlands: 51°42’58”N, 3°41’06”E) gestrandete junge Männchen war mäßig stark verwest. Der Wal war 3.85 Meter lang und wog 410 kg. Die dunkle Oberhaut war vollständig abgelöst, die Extremitäten aufgelöst, aber ansonsten war der Körper vollständig.
Das am 11.01.2015 nahe Petten (Noord-Holland, Dutch mainland coast, 52°44’24”N, 4°38’22”E)angespülte erwachsene Weibchen war zwischen 4–4.5 Meter lang und wog 600 Kilogramm. Das Tier war im fortgeschrittenen Zustand der Verwesung (Anmerkung: Falls ein Leser/eine Leserin genau wissen möchte, wie eine Walverwesung abläuft und was das im Einzelnen bedeutet, kann ich gern mal einen gesonderten Beitrag dazu schreiben).
Veterinäre der Universität Utrecht haben eine umfassende pathologische Untersuchung durchgeführt, um die Todesursache herauszufinden. Dazu gehörte u. a. auch der Test auf Brucellose, da diese Bakterieninfektion unter Walen mittlerweile sehr weit verbreitet ist ((IJsseldij et al: “Fatal Asphyxiation in Two Long-Finned Pilot Whales (Globicephala melas) Caused by Common Soles (Solea solea)., s. u.).
Todesursache: Seezunge
Die Todesursache war überraschend und deutlich:
Beide Grindwale hatten „Seezunge“ – sie waren an einer Seezungenmahlzeit erstickt.
Beim männlichen Grindwal war eine Seezunge (Solea solea) von 34,6 cm Länge bis in eine der Nasensäcke gerutscht, der Kopf der Seezunge lag in Richtung Blasloch, der Schwanz steckte 5 cm weit in der Speiseröhre des Wals. Der Kehlkopf des Wals war nach links verschoben. Der Plattfisch war vollständig erhalten und leicht verwest.
Der Wal hatte sich erbrochen, ein Teil des Mageninhalts war im Vormagen.
Er hatte außer der Seezunge Flunder, Neunauge, Atlantischen Hering, Sandgrundeln, Sepia und Garnelen gefressen
Das Weibchen war erwachsen und ist mehrfach trächtig gewesen, zum Todeszeitpunkt war sie weder trächtig noch säugte sie ein Kalb. Fast 3 Zentimeter der Seezunge ragten aus ihrem Blasloch hinaus, der Rest des Fisches steckte mit dem Kopf voraus in den Nasensäcken und ragte bis in die Mundhöhle des Wals. Die Seezunge war etwa 27,5 Zentimeter lang. Eine zweite, kleinere Seezunge steckt in der Speiseröhre. Ansonsten war ihr Magen bis auf drei Kalmarschnäbel leer.
Der Parasitenbefall bei beiden Grindwalen war nicht sehr stark, es lag keine Brucellose-Infektion vor und keine weiteren makroskopischen Verletzungen waren zu sehen (IJsseldij et al: “Fatal Asphyxiation in Two Long-Finned Pilot Whales (Globicephala melas) Caused by Common Soles (Solea solea), s. u.).
Grindwale in der Südlichen Nordsee: Seltener Besuch
Grindwalstrandungen sind an der holländische Küste sehr selten.
Nur sechs Wochen vorher war ein Pod von 20-40 dieser Zahnwale in der Südlichen Nordsee beobachtet worden, am 10.11.2014 vor Cley, Norfolk (UK), drei Tage später vor Blankenberge, Belgium. Die Größe und Zusammensetzung der Gruppe mit Kälbern war charakteristisch, es dürfte sich immer um die gleiche Gruppe gehandelt haben.
Am 16.11.2015 schwammen die Tiere dann im Themse-Ästuar, wo sie von Freiwilligen in kleinen Booten wieder in die offene Nordsee geleitet wurden – die Gefahr einer Strandung der ganzen Gruppe erschien groß.
Dann strandete ein junges Weibchen von 2,18 Meter Länge bei Goldhanger im Fluß Blackwater, Essex. Sie war stark abgemagert und litt sehr wahrscheinlich an Meningoencephalitis (Hirnhautentzündung) (UK strandings database, 2014) (IJsseldij et al: “Fatal Asphyxiation in Two Long-Finned Pilot Whales (Globicephala melas) Caused by Common Soles (Solea solea)., s. u.).
Pilotwale ernähren sich von Kalmaren und Fischen, es ist zu befürchten, dass sie in der leer gefischten Südlichen Nordsee nicht genug Freßbares gefunden haben. Plattfische gehören eigentlich nicht in ihr Nahrungsspektrum.
Wie erstickt ein Wal?
Wale sind Säugetiere – sie müssen unter Wasser Nahrung aufnehmen und schlucken können, ohne dabei Wasser in die Luftröhre zu bekommen. Darum sind bei Walen Luft- und Speiseröhre strikt getrennt: Der Kehlkopfknorpel ist ein zusätzliches Ventil! Die schlauchförmige Verlängerung des Kehlkopfknorpels – der sogenannte „Gänseschnabel“ – ragt in den unteren Teil des Nasenganges hinein. Der Gänseschnabel ist von starker Muskulatur umgeben und kann zum Schlucken großer Beute zur Seite bewegt werden. Nach dem Passieren der Nahrung rutscht er wieder an den richtigen Platz (Slijper: „Riesen des Meeres: Eine Biologie der Wale und Delphine“
Normalerweise klappt das ausgezeichnet.
In seltenen Ausnahmefällen bleibt aber ein Fisch stecken, die Luftversorgung bleibt unterbrochen und der Wal muss ersticken.
Der Plattfisch war zu groß und zu sperrig für die Pilotwale, so dass sie daran erstickt sind. Dazu kommt, dass Seezungen agile bewegliche Fische mit beweglichen Körpern sind, die noch lange nach dem Fang zappeln. Ähnliche Fälle sind von Schweinswalen und Delphinen bekannt.
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