Walforscher (Cetologen), die das Verhalten lebender Wale im Freiland untersuchen, müssen möglichst viele Tiere individuell erkennen können. Nur so können sie Daten erheben, welcher Wal was und mit welchem anderen Wal so treibt. Die Basis für solche Walbeobachtung ist ein Katalog mit Photos der Individuen – der Photo-ID-Katalog. Aber wie funktioniert das eigentlich genau?
Die Northern Indian Ocean Killer Whale Alliance (NIOKWA) hat gerade einen Photo-ID-Katalog veröffentlicht: NIO Killer Whale ID Catalogue.
Wie funktioniert Photo-Identifikation?
Alle Walarten haben spezifische Artmerkmale und daneben noch individuelle Merkmale.
Die individuellen Erkennungszeichen sind Farbvarianten oder Markierungen an Rückenflosse (Finne) und Schwanzflosse (Fluke). Vor allem bei Buckelwalen, Orcas und Pottwalen klappt diese Form der Identifizierung ausgezeichnet.
Der NIO Killer Whale ID Catalogue ist ein ausgezeichnetes Beispiel, um diese Methode detailliert vorzustellen. Und für jedermann und jederfrau online zugänglich.
Alle Orcas haben eine schwarze Finne, die vom Schiff aus gut sichtbar ist.
Weibchen und Jungtiere haben eine kleinere Finne, bei erwachsenen Männchen ragt sie bis zu 2 Metern hoch auf, wie ein Schwert. Daher kommt auch ihr Name „Schwertwal“.
Die Finne und Fluke der Orcas sind vom Schiff aus gut zu sehen und haben individuelle Formen und Zeichen.
Manche Finnen sind gerader, andere sind stärker gebogen – die Neigungswinkel können recht unterschiedlich sein. Die Kontur der Flosse kann gerade, gewellt oder natürlich gekerbt sein. Je älter ein Tier ist, desto häufiger trägt es nicht natürliche Einkerbungen und Narben. Solche Kerben an den Flossen entstehen durch Unfälle, Reibereien unter den Orcas oder Parasiten.
Dazu kommen noch Narben, die hell auf schwarz gut erkennbar sind. Runde Narben können von Cookie Cutter-Haien stammen, die kreisrunde Stücke aus der Orca-Oberfläche herausstanzen. Mehrere parallele Streifen mit gleichem Abstand stammen meist von den Zähnen anderer Orcas. Auch Schiffskollisionen oder –propeller können Verletzungen hinterlassen.
Hier geht es zum Katalog.
Orcas im Nördlichen Indischen Ozean – Forschung ganz am Anfang
Fast die gesamte Forschung über den „Panda der Meere“ basiert auf den freundlichen Walen vor British Columbia. Nach und nach gibt es auch mehr Informationen über Tiere, die weit vor den Küsten leben oder nur gelegentlich vor den Küsten auftauchen.
Über die Orcas der tropischen Gewässer des Nördlichen Indischen Ozeans – ihre Ökologe, Population und ihre Wanderungen – ist noch sehr wenig bekannt.
Die Tiere leben in einem riesigen Gebiet im offenen Ozean und meist fernab der Küsten, sie sind eine Offshore-Population. Solche Wal-Forschung auf See kann nur in Kooperation mit vielen Personen und Institutionen erfolgen. Darum haben das Orca Project Sri Lanka (a Citizen Science study of killer whales seen off Sri Lanka) und der Wildlife Conservation Society-Biologe Tim Collins die The Northern Indian Ocean Killer Whale Alliance gegründet. Mit dabei sind sehr viele Kooperationspartner aus der Wissenschaft und Tourismus-Branche aus Sri Lanka, Indonesien, Oman, Kenia und anderen Anliegern des Indiks. So sind, wie es auf der NIOKWA-Seite steht, viele “Augen” und “Ohren” unterwegs, die Sichtungen machen, dokumentieren, den Photo-ID-Katalog ergänzen und alle Informationen sammeln.
Bis jetzt haben sie 51 Individuen erfaßt, die in 15 pods (Familiengruppen leben, 4 Tiere sind Einzelgänger. Sie haben die ersten jahreszeitlichen Rhythmen der Schwertwale erfaßt und auch die ersten Wanderer, nachgewiesen, die fast den ganzen Indik durchquert haben, schreibt Georgina Gemmell (Lead Administrator, Orca Project Sri Lanka) in ihrer Mail an das marmam-Netzwerk bei Ihrer Vorstellung des Photo-ID-Katalogs. Der Katalog wird jetzt stetig weiter ergänzt. In diesen Projekten, z. B. dem Orca Project Sri Lanka, sind rührige Biologen, die Naturschutz auf wissenschaftlicher Basis betreiben. D. h., sie veröffentlichen u. a. auch Fach-Publikationen und stellen ihre Methoden und Ergebnisse vor bzw. diskutieren sie mit anderen Walforschern.
Bis jetzt haben sie schon einige grundlegende Beobachtungen publiziert:
Die Orcas vor Sri Lanka jagen und fressen unter anderem Zweizahnwale (Mesoplodon). Das war sogar der erste direkte Nachweis weltweit dafür gewesen, dass Orcas Schnabelwale jagen. Bisher hatte man dies nur aufgrund der Narben auf einem gestrandeten Blainville-Schnabelwal angenommen. Außerdem haben die Orcas vor Sri Lanka haben auch keine Angst vor noch größeren Walen: Sie wurden bei Angriffen auf eine Herde Pottwale und einen Blauwal beobachtet (Gemmell, G. L. et al, 2015) (das hatte ich bereits 2015 in „Schnabelwale in tropischen Gewässern” beschrieben).
Whale watching im Nördlichen Indischen Ozean
An verschiedenen Stellen des Indischen Ozeans, der viele Urlaubsparadiese für sonnenhungrige Europäer bereithält, gibt es mittlerweile die Möglichkeit zum Whale Watching. Vom Delphin bis zum Blauwal sind alle Wal-Größen im Angebot, viele der Projekte geben an, walverträglichen Tourismus zu betreiben. Das kann ich leider nicht beurteilen. Allerdings deutet einiges darauf hin, dass zumindest einige Anbieter das Wohl der Wale und die Wissensvermittlung ernst nehmen.
Vor einer Buchung empfiehlt sich ein Gespräch mit dem Anbieter: Wenn viele Informationen zur Biologie vorliegen, liegt die Vermutung nahe, dass dort tatsächlich Biologen involviert sind. Dann kann man nachfragen, ob es „regulations“ gibt, etwa, wie dicht die Boote an die Wale heranfahren bzw. heranfahren dürfen. Oder wie viele Boote gleichzeitig unterwegs sind. Ein walfreundliches und auch den Touristen gegenüber verantwortungsbewusstes Unternehmen gibt den Gästen eine Menge Verhaltensregeln. Und erklärt auch gleich, dass die Gäste Verständnis haben sollen, wenn die Guides nicht zu dicht an den Wal heranfahren.
Nach meinen bisherigen Erfahrungen sind dann auch die Guides Experten und können viel zu den Walen und anderen Tieren erklären. Dann hat man nicht nur einen Wal vorbeischwimmen sehen, sondern lernt auch, welche Arten es sind und einiges über die Lebensumstände der Tiere. Außerdem sollten sie einen Photo-ID-Katalog ihrer Tiere an Bord haben.
Wenn ein Whale-Watching-Unternehmen mir einfach nur ein Ticket verkaufen will und keine oder wenig weitere Informationen gibt, besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass dem Unternehmen die Wale und Touristen eigentlich egal sind.
Leider war ich noch nie im Indik und kann keine persönlichen Empfehlungen geben, wo es sich lohnt, nach Walen Ausschau zu halten. Aber es gibt einige Bücher und Internet-Ressourcen, die wertvolle Empfehlungen geben, wann wo welche Walarten zu sehen sind. Dabei sollte man unbedingt auf Aktualität achten, denn solche Vorkommen können sich über die Jahre ändern. Falls jemand dort eine Whale-Watching-Tour mitgemacht hat, würde mich eine persönliche Einschätzung sehr interessieren. Solche Berichte sind mir als Mail oder Kommentar hoch willkommen.
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