Mein Fachgebiet ist Wissens-Kommunikation – Science Communication, Science Education, manchmal auch Edutainment. In Texten, Vorträgen, pädagogischen Programmen und anderen Formaten. Seit 2011 betreibe ich mein altes Interesse an der Science Fiction auch aktiv, z. B. mit Vorträgen auf der FedCon.
Wegen des Star Trek-Jubiläums war die Schauspielerin Alice Krige angekündigt worden – die Borg Queen! Dieser phantastische Charakter war mein Aufhänger für „Roboter, Cyborg und KI in der Science Fiction“. (Leider hatte Alice Krige ihren Bonn-Besuch abgesagt, so dass ich sie nicht persönlich getroffen habe).
Der Begriff „Robot“ ist gar nicht so neu, er stammt von Josef Capek. Josef Capek war der Bruder von Karel Capek, der u. a. den phantastisch-düsteren Roman „Der Krieg mit den Molchen“ geschrieben hat. 1921 brachte Karel Capek das Drama „R.U.R. – Rossum’s Universal Robots“ (Rossumovi Univerzální Roboti) auf die Bühne. Der Begriff Robot ist abgeleitet vom slawischem robota – Arbeit, in Österreich ist auch Frondienste so bezeichnet worden. In Capeks Drama geht es um das Unternehmen R.U.R., das künstliche Menschen (nach heutigem Sprachgebrauch Androiden) produziert. Die „Robots“ werden als billige und rechtlose Arbeiter verwendet, ihr massiver Einsatz in der Industrie verändert mit der Zeit die gesamte Weltwirtschaft. Schließlich rebellieren die Kunstmenschen und vernichten die Menschheit.
Vor der Erfindung des Begriffs „Roboter“ hießen solche mechanischen Gestalten übrigens einfach „Maschinenmenschen“ oder Elektromenschen, wie in dem Film „Die große Wette“ von Harry Piel (1916). Die Folgen der Industrialisierung mit ihrer Ausbeutung von Arbeitern und die russische Revolutionen waren und sind eine wichtige Strömung der Science Fiction, utopische, gleichnishafte Geschichten. Arbeiteraufstände und –Revolutionen, urbane Utopien und künstliche Menschen sind auch der Stoff des legendären deutschen SF-Epos „Metropolis“. Fritz Lang hatte sich dabei an der Silhouette Chicagos orientiert, dem damaligen Inbegriff einer modernen Stadt. Seine düstere Visualisierung von Straßenschluchten für die Armen und die Architektur der Macht für die Herrschenden hat SF-Filme bis heute maßgeblich beeinflusst.
Der sowjetische SF-Film „Aelita“ (1924) zeigt außerdem expressionistische, dramatische Bewegungen wie auch ist ideologisch und filmhistorisch bedeutsam, außerdem zeigt er Züge des expressionistischen Tanztheaters, wie auch die futuristischen, körpergroßen Tanzmasken von Lavinia Schulz. „Aelita“, einige Kostüme und Lavinia Schulz´Tanzmasken waren in der Ausstellung Sturm-Frauen in der Schirrn-Kunsthalle in Frankfurt zu sehen.
Isaac Asimovs Werk und seine Entwicklung der Roboter-Gesetze von 1942 bzw. von 1983 sind ein weiterer Meilenstein in der Beziehung von Menschen und Robotern.
Schnell waren Roboter feste Bestandteile von futuristischen Szenarien und übernehmen seitdem wichtige Rollen – als Helfer, Partner oder Gegner. Oder Komiker. In der legendären deutschen SF-Serien “Raumpatrouille Orion” war der “Konservenknilch” ein solches mechanisches Helferlein, das auch bedrohliche Seiten zeigen konnte.
Ein weiterer Schwerpunkt des Vortrags sind die Androiden und Cyborgs des Star Trek-Universum, namentlich Data und die Borg-Queen. Der Androide Data steht in mehreren Folgen in der Diskussion um die Rechte künstlicher Lebensformen: Ist ein einzigartiger Android eine Person? Kann ein Android Persönlichkeitsrechte haben? Wer hat das Recht, einen solchen Androiden abzuschalten? Das Star Trek-Universum beschäftigt sich de facto erstaunlich oft mit tagespolitischen Diskussionen und zeigt hier in der Argumentation und im Perspektivenwechsel oft erheblichen Tiefgang. Das mechanisch-kybernetische Besatzungsmitglied Data wird nach anfänglichen Schwierigkeiten ein wichtiges Mitglied der Besatzung der „Enterprise“. Seine Fähigkeiten helfen der Crew in vielen schwierigen Situationen, seine Suche nach Menschlichkeit, Emotion und Individualität machen den sonst perfekten und „voll funktionsfähigen“ Androiden rührend verletzlich. Er ist denkstark, körperlich stark und absolut loyal gegenüber der Sternenflotte und seinen Bordkameraden.
Die Borg-Queen aus „First Contact“ hingegen symbolisiert eine eher düstere Erscheinung und eine starke Gegenspielerin der Menschheit. Sie steht für die Perfektionierung eines intelligenten Organismus durch das Ablegen der Individualität und der Assimilation in ein Kollektiv, inklusive eines verbesserten, künstlich erweiterten Körpers. Ihre äußere Erscheinung ist technisch-morbide, ein schützender Bodysuit und technische Accessoirs bedecken den größten Teil des Körpers, ihre Haut ist grau gefleckt wie die einer Leiche. Süß und grausam gleichermaßen, lieblich lächelnd und mit stählernen Klammern im Dekolleté umgarnt sie ihre Gegener. Ein pseudotechnischer Knoten aus metallischen Federn ahmt einen strengen Haarknoten nach, der Blick ist silbrig-distanziert. Dieser Look, auch der einschwebenden Kopf-Wirbelsäule, ist übrigens recycelt aus dem Disney-Kurzfilm “Captain Eo & the Supreme Leader” mit Michael Jackson und Anjelica Houston von (1984).
Der Machtkampf der Borg-Queen mit dem menschlichen Captain Picard und dem Maschinenwesen Data ist legendär: Dem Menschenmann bietet sie Macht durch Assimilation, den Maschinenmann versucht sie, mit Emotionen zum Überlaufen zu verführen. Natürlich scheitert sie bei beiden – allerdings war Data kurz versucht, ihr Angebot anzunehmen, immerhin 0,68 Sekunden lang. Für einen Androiden eine Ewigkeit.
Der Cyberpunk der 80-er Jahre greift die düster-dystopische Architektur aus Fritz Langs Metropolis auf, reichert sie mit den stroboskopartig blitzenden Werbetafeln des Tokyoter Stadtteils Shibuya und an und katapultiert die Science Fiction ins Computer- und Netzwerk-Zeitalter. Noch vor der Einführung der e-Mail. Begriffe wie Cyberspace stammen aus SF-Büchern und werden nur wenige Jahre später Bestandteile unseres Alltags. Globalisierte Konzerne regieren, Vernetzung und Überwachung sind allumfassend, die Spaltung in Arm und Reich in Stadt-Molochen und andere Zukunftsvisionen sind Alltag für viele Menschen. Hier zeigt sich die Stärke der Science Fiction, mögliche künftige Entwicklungen voraus zu denken und exemplarisch durchzuspielen. Meilensteine des Cyberpunk sind der Roman „Neuromancer“ (1984) von William Gibson und der Film „Blade Runner“ (1982) von Ridley Scott (nach Philip K. Dicks Roman: „Träumen Androiden von elektrischen Schafen?“).Trostlose Zukunftswelten in düsterem Dauerregen und in dystopischen Straßenschluchten. Wieder geht es um die Frage: Wie unterscheiden sich Mensch und Maschinenmensch, welche Rechte haben Cyborgs?
Besteht im Cyberpunk- oder Computer-Zeitalter überhaupt noch die Notwendigkeit von Sex und Gender? Im Cyborg Manifesto (1991) erörtert Donna Haraway ihre Gedanken zur postfeministischen Science Fiction. Sie sieht Cyborgs als Geschöpfe in einer Post-Gender-Welt. Schließlich ist durch die Schaffung künstlicher Menschen die Rolle der Frau als „Gebärerin“ überholt. Die feministische Science Fiction ist bevölkert von Cyborgs, die den Status von Mann oder Frau, Mensch, Artefakt, Rassenzugehörigkeit, individueller Identität oder Körper fragwürdig erscheinen lassen. Allerdings beginnt sie ihr Cyborg-Manifesto mit dem Hinweis, ihr Manifest sei ironisch. Ich vermag nicht zu beurteilen, welcher Anteil davon ironisch gemeint ist, das möge jede/jeder selbst beurteilen.
Außerhalb der feministischen Science Fiction ist das Konzept der Überwindung von Sex und Gender nicht verbreitet. Ganz im Gegenteil weisen auch Roboter, Cyborgs und KIs oft sehr stark ins Auge fallende Geschlechtsmerkmale auf, sowohl äußerlich als auch im Verhalten.
Florentine Strzelcyk greift in ihrem Essay „Maschinenfrauen – Weibliche Cyborgs – Sci-Fi Filme“
allerdings zu kurz, wenn sie SF grundsätzlich als konservativ und patriarchalisch beschreibt. Sie bezieht sich dabei vor allem auf „Metropolis“ und „Star Trek: First Contact“. „Wie die Maschinen-Maria ist auch die Borg Queen negativ als Vamp sexualisiert, und wird damit zur Gefahr für die männlichen Protagonisten Kapitän Picard und Commander Data.“ Im Weiteren beschreibt sie Data als jungfräulich. Mit diesen Aussagen zeigt Strzelcyk eine tiefe Unkenntnis des Star Trek-Universums. Denn KennerInnen wissen: Data ist mitnichten jungfräulich, sondern „voll funktionsfähig“, unter Trekkies ein Running Gag. Außerdem ist die Borg-Queen zwar eine Frau, aber neben der „Verführerin“ auch die fürsorgliche Mutter, im Sinne einer Bienenkönigin. Des Weiteren verführt sie nicht nur männliche Protagonisten, sondern auch weibliche, sie ist omnisexuell. In späteren Voyager-Folgen umgarnt die Borg-Queen Captain Janeway und Seven of Nine, die ihr natürlich ebenfalls widerstehen.
Mir kommt es vielmehr so vor, als ob in der SF sogar mehr starke weibliche Gestalten vertreten sind, als in vielen anderen Genres. Das Äußere sowohl der weiblichen als auch der männlichen Darsteller ist natürlich extrem gefällig, oft übertrieben. Aber solange die schneckenbezopfte Prinzessin Leia eine Lasergun trägt und ihre Truppen in den Kampf führt, Captain Janeway erfolgreich ein Raumschiff kommandiert und die zyklopenäugige Leela aus Futurama ihr Planet Express Ship sicher durch alle galaktischen Unbilden führt halte ich diese Charaktere für moderner als viele andere weibliche Rollenvorbilder, deren vorrangiges Ziel oft immer noch ist, den männlichen Helden zu erobern und ein Happy End zu erheiraten.
In den noch recht neuen Filmen „Her“ und „Ex machina“ steht die Paar-Beziehung im Fokus. Kann man(n) herausfinden, ob man mit einem Menschen oder einer künstlichen Intelligenz spricht und flirtet? Ist der Turing-Test zuverlässig? Ist eine KI vielleicht sogar die „bessere“ Beziehung, weil ihre Algorithmen sie passender und gefälliger machen als jedes menschliche Gegenüber es könnte? Beide Filme sind mir unter die Haut gegangen, denn sie zeigen, wie viel Macht eine Maschine über einen Menschen erlangen kann. Eine KI könnte ein menschliches Gehirn in einen Kokon von scheinbarer Interessiertheit und Faszination einspinnen, eine sanfte Maschinenstimme könnte eine größere Verlockung als die Borg-Queen sein. Dabei kommt die Frage auf, was heute bereits möglich ist: Können Algorithmen einen Menschen, der Aufmerksamkeit sucht, heute schon „einwickeln“. Und: Wieweit kann ein menschliches Gehirn, das nach Zuwendung und Übereinstimmung giert, rational genug sein und sich Einhalt gebieten? Ist die Faszination einer einlullenden, positiv bestätigenden Cyber-„Liebe“ größer als ein echtes menschliches Miteinander?
Ein kurzer Ausblick zum Schluss wirft die Frage nach den moralischen Grenzen von Robotern und KI auf. Der Physik-Nobelpreisträger Stephen Hawking hatte 2015 gewarnt: Die wirkliche Gefahr bei künstlichen Intelligenzen sei nicht Bosheit, sondern Fähigkeit: “Eine superintelligente künstliche Intelligenz wird extrem gut in der Erfüllung ihrer Ziele sein und wenn diese Ziele nicht mit unseren übereinstimmen, haben wir ein Problem”. Ebenfalls 2015 hatten vier führende Wissenschaftler der KI-Entwicklung in Nature in vier Aufsätzen eine Ethik für KIs angemahnt (Stuart Russell: „Take a stand on AI weapons“, Sabine Hauert: „Shape the debate, don’t shy from it“, Russ Altman: „Distribute AI benefits fairly“, Manuela Veloso: „Embrace a robot–human world“).
Wie Hawking sagte: Es liegt nicht an den Maschinen, sondern an den Menschen, die die Maschinen programmieren und einsetzen. Friedliche Anwendungen für Roboter, Cyborgs und KIs gibt es genug, vom Pflege-Assistenz-Roboter bis zum Forschungs-Roboter, der über ferne Himmelskörper rollt. Immerhin leben wir heute in dem Zeitalter, in dem unser Nachbarplanet Mars von gleich mehreren Robotern „bewohnt“ ist.
Das Thema um künstliche Lebensformen in der SF zeigt für mich wieder einmal die Stärke dieses Genres, das aufkommende Themen erahnt und in eine breitere Diskussion bringt, als es Fachaufsätze normalerweise schaffen.
(Dieser Beitrag ist eine stark gekürzte Zusammenfassung meines Vortrags „Roboter, Cyborg und KI in der Science Fiction“. Der Vortrag stellt kurze Schlaglichter auf Meilensteine der SF und ihre gesellschaftlichen Hintergründe und Bedeutungen vor, er ist – weit entfernt von der Vollständigkeit dieses Themas – als Anreiz zur Diskussion gedacht.)
Kommentare (6)