https://assets.cdn.moviepilot.de/files/eb5b68586917a3dbb4ff592b27216fd1241b28912aa19aa55eafd61fdca3/Caprona_-_Das_vergessene_Land.jpg

Caprona – das vergessene Land (Filmplakat)

Dieser Text umreißt meinen Vortrag “Dinosaurier-Forscher als Vorbilder für Helden der Phantastik”. Es ist ein Name-Dropping, zu dem sich das Nachschlagen jedes einzelnen Namen und jeder Quelle lohnt. Gleichzeitig zeigt er eine grobe Übersicht der Entwicklung der Dinosaurier-Forschung bzw. anderer Forschungsthemen auf. In den Filme und Büchern spiegelt sich auch, wie sich unser Bild der Dinosaurier verändert hat – von der schrecklichen Echse zur Guten Mutter.
Der Vortrag enthält natürlich viel mehr Bilder, mehr Hintergründe und mehr amüsante, persönliche und unglaubliche Anekdoten.

Dinosaurier sind Reptilien aus der irdischen Vergangenheit und seit 65 Mio Jahren ausgestorben. Trotzdem beschäftigen sie auch heute noch viele Menschen und sind ein unverzichtbares Element der Pop-Kultur, immer wieder tauchen sie in Büchern und Filmen auf.

Oft vergeht die Dinosaurier-Begeisterung von Kindern und Jugendlichen mit der Pubertät, im Erwachsenenalter ist sie oft nur noch eine vage Erinnerung. Wenige Erwachsene bleiben den Dinos treu und studieren Paläontologie, um die Schrecklichen Echsen zu ihrem Beruf zu machen. Andere Erwachsene nehmen die Reptilien mit auf phantastische Reisen, denn: Dinos sind heute Teil der Science Fiction!

Die wichtigsten erzählerischen Bögen sind

  • Zeitreise: Forscher oder Entdecker reisen durch die Zeit zurück, um Dinos zu jagen oder zu beobachten
  • Wiedergeburt: Forscher „züchten“ Dinos durch Klonen o ä Technologie
  • Lost World: Isolierte Ökosysteme mit Dinos sind erhalten geblieben
  • Xenosaurier (Dinosauride Aliens): Story mit dino-ähnlichen Aliens o von Dinos abstammenden Alien-Rassen

Es geht also um einen fiktiven, spekulativen Vorstoß ins Unbekannte, aber irgendwie noch Mögliche. So ergibt sich die herbeigesehnte Gelegenheit für einige Menschen, die Urzeit-Getüme persönlich zu treffen.  Das erklärende Vehikel ist dann eine Zeitkapsel oder mehr oder weniger konstruierte futuristische Technik, wie Gentechnologie oder Zeitmaschine (Bernhard Kempen: „Abenteuer in Gondwanaland und Neandertal“). Oder ganz anders oder so ähnlich.

Meine Dino- und SF-Begeisterung ergänzt sich ideal. Dinophilie ist unter SF-Fans erstaunlich weit verbreitet und absolut akzeptiert.
Eine besonders schöne Dino-SF-Anekdote ist, dass der Wash, der Pilot der legendären „Firefly“, auf seinem Steuerpult zwei Dinosaurier stehen hat:


Interessanterweise erstreckt sich dies nicht  nur auf die Echsen selbst, sondern auch auf ihre ErforscherInnen. Als ich im vergangenen Jahr im Info-Zentrum Dinosaur Isle auf der Isle of Wight stand und mich ins Erdmittelalter zurückdachte, sah ich dort auch eine Widmung der viktorianischen Dinosaurierforscher. Zu Zeiten der langen Regierungszeit der Königin Viktoria von 1837 bis 1901– eben im viktorianischen Zeitalter  – lief die Industrialisierung auf vollen Touren. Viele wichtige Entdeckungen und Entwicklungen fanden in England statt, der Eisenbahnbau, Kanalbau und Bergwerksbau wurden als Grundpfeiler der Industrialisierung schnell vorangetrieben. Durch die systematische Erkundung und Erforschung des Untergrunds des United Kingdom entstanden auch die moderne Geologie und Paläontologie.

https://legacy-cdn-assets.answersingenesis.org/images/articles/am/v8/n4/iguanodon-fossil-fragments.jpgBeim Eisenbahnbau fiel auf, dass der Untergrund in Schichten gelagert ist. Manche der Schichten setzten sich über weite Entfernungen fort oder verschwanden und tauchten später wieder auf. Die Abfolge dieser Schichten war offenbar nicht zufällig, sondern regelmäßig, außerdem enthielten manche Schichten die versteinerten Überreste von heute nicht mehr existierenden Tieren und Pflanzen (Deborah Cadbury: „Dinosaurierjäger“). In Gruben, im Tage- und Unter-Tagebau kamen die Überreste rätselhafter Tiere zum Vorschein. Der Arzt und Fossilienforscher Gideon Mantell war einer der ersten Dinosaurier-Forscher, er beschrieb den ersten Iguanodon. Seine Frau Mary-Ann unterstütze ihn nach Kräften, sie fand nicht nur den ersten Megalosaurus-Unterkiefer sondern beschrieb und zeichnete auch viele der Fossilien.
Gleichzeitig wurde es durch den beginnenden Bäder-Tourismus schick, an die Küsten zu fahren und vor allem in Südengland, an der Küste Devons und Dorsets, kam das Sammeln von Fossilien in Mode. Die „Kuriositäten“-Sammlerin Mary Annings entdeckte u. a. den ersten Ichthyosaurier, auch die gebildete Elizabeth Philpott war dort aktiv (Tracy Chevalier: “Bemerkenswerte Frauen”). Heute ist dieser paläontologisch und wissenschaftsgeschichtlich bedeutende Küstenabschnitt das Weltnaturerbe Jurassic Coast

Der Baron George Cuvier – der nach Frankreich ausgewanderte Deutsche Georg Küfer hatte seinen Namen eingefranzösischt und war schließlich Baron geworden – hatte bereits bestätigt, dass es sich um die Überreste von ausgestorbenen Organismen handeln müsse. Die Funde von ausgestorbenen Meerestieren an der südenglischen Küste wurden zunächst im Kontext mit der Sintflut und somit bibelkonform gedeutet. Doch bald gingen die Diskussionen weiter. Das aufstrebende Bürgertum und die Wissenschaft konnten sich zunehmend stärker von der Macht der Kirche emanzipieren, dass Diskussionen erlaubt waren, dass die Erde früher vielleicht anders ausgesehen haben könne und früher andere Tiere und Pflanzen lebten. Richard Owen fand den Namen „Dinosaurier“ und das Dino-Fieber griff weiter um sich, Owen sollte später das Natural History Museum in London begründen. Einer der spektakulärsten Funde in Europa war eine ganze Herde von 30 versteinerten Iguanodons 1878 in der belgischen Kohlemine Bernissart.

https://cpdinosaurs.org/wp-content/uploads/2014/09/dinosaur_doctors_1a.jpgAnläßlich der Weltausstellung 1851 in London schmückten Dino-Rekonstruktionen  den Crystal Palace, ein spektakulär großes Gewächshaus aus Glas und Stahl. In einem überdimensionierten Iguanodon, der damals noch vierfüßig und mit dem Daumen als Horn auf der Nase rekonstruiert, fand 1853 das berühmte Bankett der Wissenschaftler Owen, Buckland, Cuvier, Mantell und anderer zum Neujahrstag statt.
Selbstverständlich unter Ausschluss von Frauen. Da half es Mary Annings, Elizabeth Philpott und Mary-Ann Mantell wenig, dass sie wesentliche Fossilfunde gemacht hatten und versierte Expertinnen waren, sie kamen im Wissenschaftsbetrieb nicht vor und waren zu den Gelehrtenzirkeln überhaupt nicht zugelassen.

Kurz nach der Jahrhundertwende kam das Dinosaurier-Thema in der phantastischen Literatur an:
1912 schrieb Arthur Conan Doyle „Die vergessene Welt“ (The Lost World), Edgar Ryce Burroughs folgt 1918 mit der Caprona-Trilogie (The Land That Time Forgot (dt. Das vergessene Land), The People That Time Forgot (dt. Im vergessenen Land), Out of Time’s Abyss (dt. Flucht aus dem vergessenen Land) ).
Beides waren Zeitkapsel-Szenarien: Doyle ließ seine Helden ein geheimnisvolles  südamerikanisches Plateau im Dschungel mit Urtieren erkunden. Burroughs schickte seine Protagonisten ans Ende der Welt: In der Antarktis war auf einer Insel unter dem Eis ein urzeitlicher Dschungel erhalten geblieben. Beide Geschichten gaben phantastische Filme ab.
Wieweit die phantastischen Helden ihren Paläontologie-Kollegen entsprachen und welche Inspirationen genau die Basis waren, ist heute nicht überliefert. Aber seit der Weltausstellung in London und dem Dino-Dinner waren Dino-Forscher Personen des öffentlichen Lebens.

An dieser Stelle möchte ich das Repertoire für phantastische Helden von den Paläontologen um die Archäologen erweitern. Beide Disziplinen werden von Laien oft verwechselt, schließlich haben beide etwas mit Ausgrabungen zu tun. Aber: Die Paläontologie/Geologie steht den Naturwissenschaften nahe und erforscht meist die tiefere Vergangenheit, die Archäologie hingegen ist eine Kulturwissenschaft – dabei geht es um die kulturellen Hinterlassenschaften der Menschen, sie begibt sich bestenfalls wenige Millionen Jahre in die Vergangenheit. Natürlich gibt es inhaltliche und methodische Überschneidungen.
Beide Disziplinen sind in der Öffentlichkeit Geheimnis umwoben und inspirierend, auch für phantastische Geschichten.

https://lh3.ggpht.com/_4MeUnRLlmWk/S8xbWND69fI/AAAAAAAACL0/QEYJzC8NcJA/adele_thumb6.jpg?imgmax=800Die Journalistin und Abenteurerin Adèle Adèle Blanc-Sec – Journalistin, Abenteurerin und Femme fatale, ist eine Erfindung des genialen französischen Comic-Zeichners Tardi. Draufgängerisch und unerschrocken arbeitet und reist sie allein in Paris und in Ägypten. Ihre Welt ist das Paris vor dem 1. Weltkrieg, bevölkert mit allerlei grenzwissenschaftlichen Wesen und Personen, wie ausgestorbene Tiere und ägyptologische Angelegenheiten. Es ist nicht bekannt, ob Tardi sich für Adèle an einer bestimmten Frau orientierte.
Unzweifelhaft ist: Vorbilder für Wüstenforscherinnen und Wüstenreisende aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und die Entwicklung der Ägyptologie gibt es zur Genüge, darunter auch einige wagemutige Frauen.

Die britische Archäologin und Historikerin Gertrude Bell war vor allem im Mittleren Osten aktiv. Ihre ausdauernde und langjährige Arbeit unter der brennenden Wüstensonne brachte ihr die Beinamen „Mutter der Mesopotamischen Archäologie“ und „Tochter der Wüste“ ein, die Wüstenstämme behandelten sie als „Mann ehrenhalber“. Neben der Erforschung und Rekonstruktion der Vergangenheit engagierte sie sich auch politisch für die Gegenwart und Zukunft des Mittleren Ostens. Sie war, neben „Lawrence von Arabien“ maßgeblich an der politischen Neuordnung der Region und an der Gründung des Irak beteiligt und war Beraterin König Faisal I. Ihr Leben ist 2015 verfilmt worden.

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Agatha Christie und Max Mallowan

Auch die Abenteurerin und Wüsten-Reisende Isabelle Eberhard war ein Kind der Wüste. Geboren in Genf, reiste sie mit ihrer Mutter nach Algerien. Beide traten bald zum Islam über. Isabelle Eberhardt kleidete sich in arabische Männergewänder, um sich freier bewegen zu können. „Unter dem Decknamen Si Mahmoud streifte sie in Männerkleidung durch die Wüste, besuchte sowohl Bars und Bordelle als auch heilige Stätten des Islam und lebte promiskuitiv bei den nordafrikanischen Beduinen.
Über ihre Abenteuer schrieb sie. Durch ihre Heirat mit einem französischen Offizier erlangte sie die französische Staatsbürgerschaft und verbrachte den größten Teil ihres Lebens in Nordafrika und der Sahara. Ein kurzer Aufenthalt in Paris enttäuschte sie, es zog sie zurück in die Sahara, wo sie sehr jung bei einem Unwetter ertrank.

Die Gattin des britischen Archäologen Max Mallowan war seine Grabungsassistentin und eine tatkräftige Pionierin der Archäologie, vor allem in Ägypten. Sie sollte seine Funde dokumentieren. Nach eigenen Aussagen war sie jedoch völlig untalentiert zum Zeichnen – darum entwickelte sie die Dokumentation von Grabungsfunden  per Photographie. Mitten im Sahara-Sand baute sie sich eine Feld-Dunkelkammer und schreckte auch nicht davor zurück, ihr Gesichtswasser zum Entwickeln der Photographien einzusetzen. Der Name der toughen und erfinderischen Dame: Agatha Christie (Trümpler, C (Edt.): Agatha Christie und der Orient – Kriminalistik und Archäologie (1999) ). Ihr wichtigstes Zitat zur Archäologie: „An archaeologist is the best husband a woman can have. The older she gets the more interested he is in her.”

Der geniale französische Regisseur Luc Besson hat „Adèles ungewöhnliche Abenteuer“ filmisch inszeniert – es geht ägyptologisch zu, zwischen Königsgräbern in Ägypten und einer Pharaonen-Ausstellung im Pariser Louvre. Erschwerend kommt hinzu, dass zeitgleich im Pariser Museum für Anatomie (dem Cuvier-Tempel) das Küken eines Pteranodon, eines Flugsauriers, sowohl seine Eischale als auch die Glasvitrine durchbricht und einfach davon fliegt. Besson verwebt beide Storylines zu einem grandiosen Film, der trotz des Sauriers wahrhaftig kein Kinderfilm ist, sondern von witzigen Dialogen mit zahlreichen Anspielungen nur so brilliert. Adèle, die von der anbetungswürdigen Louise Bourgoin verkörpert wird, erscheint weitaus attraktiver als im Tardi-Comic. Allerdings raucht sie wie das Original Zigarren, kann reiten und schießen und ist überhaupt eine Draufgängerin.
Übrigens: Ein FLUGsaurier ist natürlich kein DINOsaurier. Dinosaurier haben immer vier Beine, Flugsaurier hingegen haben Vorderextremitäten, die immer zu Flügeln umgebildet sind. Auch die restliche Anatomie beider Reptilien-Gruppen zeigt erhebliche Unterschiede.

(Hier endet der erste Teil, der zweite folgt demnächst).

Kommentare (5)

  1. #1 MartinB
    30. Mai 2016

    Quengeln hilft also doch.
    Danke 🙂

  2. #2 Bettina Wurche
    30. Mai 2016

    @MartinB: Manchmal schon : )
    Obwohl das pädagogisch natürlich nicht sinnvoll war.

  3. […] nur ein faszinierender Forschungsgegenstand, sondern auch gerne in Filmen und Büchern verwendet. Bettina schreibt über Dino-Forscher und vor allem Forscherinnen und was sie inspiriert […]

  4. […] Dinosaurier-Forscher als Vorbilder für Helden der Phantastik (Fed-Con 2016 – Teil 3 a) […]

  5. #5 Rüdiger Kuhnke
    26. Juni 2016

    Ich fand “Xenosaurier (Dinosauride Aliens)” als Sprachschöpfung recht interessant. Aber dann habe ich festgestellt, dass es die Familie der Xenosauridae tatsächlich gibt: https://de.wikipedia.org/wiki/H%C3%B6ckerechsen
    🙂