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Marsh und Cope

Die Zeit des späten 19. Jahrhunderts auf der anderen Seite des Atlantiks, in Amerika, war ungleich rauer. Dinosaurierforscher hatten hier eine gigantische, zivilisatorisch fast unberührte Landschaft, in der sie nach Herzenslust ihren paläontologischen Neigungen und Abenteuern nachgehen konnten. Indianer-Überfälle waren keine Seltenheit und die Weite des nahezu unerschlossenen Kontinents brachte viele logistische Probleme mit sich.  Vor allem Cope und Marsh waren unermüdlich und sehr erfolgreiche Dinosaurierjäger.
Im Sommer 1868 fuhr der Paläontologe Othniel Charles Marsh mit der Union Pacific-Eisenbahn auf der neu eröffnete Bahntrasse durch den “Wilden Westen”. In der großartigen Landschaft erkannte er ihr Potential als den größten Dinosaurer-Friedhof der Welt.
Othniel Marsh war ein armer Farmerssohn, sein vermögender Onkel George Peabody, ein viktorianischer Gentleman, ermöglichte ihm eine Universitätsausbildung in den USA und Europa. An der Yale-Universität installierte Peabody ein Wissenschafts-Museum und 1866 bekam sein Neffe Marsh den ersten lehrstuhl für Paläontologie. Der rastlose und ehrgeizige Marsh entdeckte und benannte 86 Arten von Dinosauriern und wurde schließlich Vize-Präsident u Präsident der National Academy of Sciences.

Edward Cope stammte aus einer Quäkerfamilie aus Philadelphia. Er war Autodidakt und wuchs unter Amateur- und Gentleman-Naturforschern auf. Er wird als brillant, arrogant, charmant und jähzornig beschrieben. Cope entdeckte 56 Dino-Arten und schrieb 1400 Publikationen. Seine persönliche Sammlung aus über 80 Tonnen Fossilien ging nach seinem Tod an das Smithsonian Museum.

Zunächst arbeiteten die beiden zusammen, in den unfruchtbaren Ebenen war genug Platz und genügend Aufsehen erregende Saurier-Funde für zwei Fossilienjäger. Dann allerdings fand Cope eine Meeresechse,  den Plesiosaurus Elasmosaurus platyurus. Leider setzte er das Tier anatomisch nicht ganz korrekt zusammen, sondern verwechselte beim Montieren Hals und Schwanz . Als er das zusammengebaute Skelett stolz der Öffentlichkeit präsentierte, machte sich Marsh darüber lustig.
https://2.bp.blogspot.com/-QXjOaBqK5U8/TfYzaFdBsoI/AAAAAAAAADc/mZBpARft4Iw/s1600/BoneWars.jpg
Von Stund an waren die beiden erbitterte Feinde, ihr Streit eskalierte immer weiter. Beide trafen bei ihren Grabungskampagnen auch auf Indianer: Cope traf bei einer  große Expedition nach Missouri zum Judith River auf Crow-Indianer. Mit seiner Zahnprothese erreichte er den Respekt und die Achtung der Indianer – herausnehmbare Zähne hatte diese noch nie gesehen. Marsh traf im Bereich der Black Hills in deren Nähe 1876 die berühmte Schlacht vom Little Big Horn stattgefunden hatte, auf Sioux. Er ging diplomatisch vor und erreichte so eine Zusammenarbeit mit dem Stamm und konnte so ungehindert arbeiten.

https://1.bp.blogspot.com/-EjOfWDVgsfc/VZd6Da6wfkI/AAAAAAAACIo/5NnbnIHzJNg/s1600/DinoRush.jpgIm Feld jagten sie sich gegenseitig Fossilien ab, arbeiteten gegeneinander, wo es nur möglich war und verleumdeten sich gegenseitig. Dieser Zwist und der Wettlauf um die meisten Saurier zwischen 1877 und 1892 sind als „Bone Wars im Wilden Westen“ in die Geschichte eingegangen. Beide hatten Bahn brechende Entdeckungen gemacht wie Triceratops, Diplodocus, Stegosaurus, Allosaurus und Camarasaurus und andere heute jedem Kind bekannte Dinos. Allerdings mussten viele ihrer Benennungen und angeblichen neuen Arten später revidiert werden.
Diese Geschichte und ihre Akteure wären eine Steilvorlage für eine Verfilmung, etwa im Steampunk-Milieu. Bisher ist allerdings noch niemand darauf gekommen.

Das nächste besonders wichtige Kapitel der Dinosaurierforschung findet um 1920 statt, wieder ist ein raubeiniger US-Amerikaner die Hauptperson: Roy Chapman Andrews.
Andrews begann als Präparator im American Museum of Natural History. Bald machte er sich einen Namen, u. a. war er eigenhändig mit auf Walfang gegangen und hatte die lebensgroße Plastik eines ganzen Blauwals angefertigt. Ein spektakuläres Ausstellungsstück für das beliebte Naturkundemuseum! Neben seiner Arbeit studierte er Paläontologie und stieg in die Wissenschaft ein. Einen großen Coup landete er als Initiator und Leiter Expeditionen in die Mongolei. Hinter den Expeditionen steckte die Idee, dort sehr alte menschliche Fossilien zu finden. Böse Zungen behaupten, dass der Gedanke, ihre Vorfahren seien afrikanischen Urmenschen gewesen, für viele Europäer und Amerikaner eine schmerzhafte Vorstellung war und man mit asiatischen Funden das Gegenteil beweisen wollte. Zwischen 1922 und 1939 fuhren also umfassend und modern ausgerüstete Expeditionen mit Automobilen in die nahezu unerforschte und unkartierte Wüste Gobi.
https://www.mongoliatravels.com/blog/wp-content/uploads/2012/04/5_Crew.jpgGute Logistik und tatkräftige Unterstützung durch Mongolen führten schnell zu unglaublichen Funden: Bei den Flammenden Klippen stießen die Expeditionsteilnehmer auf Brutkolonien von Dinosauriern mit Nestern, Eier und vielen völlig unbekannten Arten. Hier waren nicht nur perfekt erhaltene, nahezu vollständige Skelette zu finden, sondern es gab sogar erste Hinweise auf das Sozialverhalten der längst ausgestorbenen Reptilien: Manche Echsen waren direkt auf ihrem Gelege gestorben, möglicherweise durch Schlamm oder Sand schnell verschüttet. Ihr Name: Maiasaurus – die „Gute Mutter“. An anderer Stelle fanden sich Pflanzenfresser und Räuber mit scharfem Gebiß ineinander verbissen – der Räuber erhielt den Namen Oviraptor – Eiräuber.
Die Grabungskampagne fuhr mit den Automobilen voraus, die mongolischen Helfer kamen dann mit der Trampeltier-Kolonne nach. Die Fossil-Funde polsterten sie mit der Wolle der Kamele ab und transportierten sie dann mit der Karawane ab.
Der Paläontologe Walter Granger machte noch einen ganz besonderen Fund: Den Unterkiefer eines Säugertiers! Damit wies er erstmals die Anwesenheit früher Säugetiere in der Zeit der Dinosaurier nach. Nur Menschenfossilien fanden sie an keiner Stelle – manche Personen betrachteten die Expedition darum als Fehlschlag.

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Kommentare (6)

  1. #1 Bettina Wurche
    4. Juni 2016

    Eine Anmerkung von Frank via Facebook:
    “Grandioser Artikel. Nur 1 winzige Korrektur: Jack Horner hat vor ein paar Tagen bekannt gegeben, dass er nun in Rente sei. Hat er gewiss verdient!”
    https://www.ted.com/…/jack_horner_building_a_dinosaur…

  2. #2 MartinB
    4. Juni 2016

    Kleine Korrekturen
    “An anderer Stelle fanden sich Pflanzenfresser und Räuber mit scharfem Gebiß ineinander verbissen – der Räuber erhielt den Namen Oviraptor – Eiräuber.”
    Ne, das Paar ist doch Velociraptor+Protoceratops, oder nicht?
    Und ich meine, die Serie hieß Primeval (soo böse war sie nicht…)

  3. #3 Bettina Wurche (meertext)
    4. Juni 2016

    @”Primevil” war wohl mein Wunschdenken : )
    Ich fand es ziemlich übel.
    Bei der Interaktion hast Du auch recht: Die beiden verkeilten Tiere sind Velociraptor u Protoceratops. Maiasaurus ist nur in Nordamerika gefunden worden. Oviraptor war unterstellt worden, Gelege i d Gobi zu plündern – später stellte sich ja ´raus, dass er auf seinen eigenen Eiern saß.

  4. #4 Bettina Wurche
    4. Juni 2016

    Übrigens erzählte mir gerade eben jemand, er hätte am letzten Wochenende auf der Role Play Convention in Köln im Fahrstuhl einen Velociraptor getroffen.
    Und zwar den hier (nicht im Fahrstuhl): https://www.youtube.com/watch?v=n4IGc8NQd8E
    Und wenn wir ganz großes Glück haben, kommt das Tierchen auch zu den Space Days nach Darmstadt. Mein Dino-Vortrag ist für den 15./16.10 jedenfalls schon mal gebucht. Das wird sicherlich spaßig.

  5. #5 MartinB
    5. Juni 2016

    Cooles Kostüm – die Handhaltung ist natürlich kriminell falsch (Hände von Maniraptoren müssen immer mit Handflächen nach innen zeigen – die können nen Ball festhalten, aber nicht dribbeln), und nen Velociraptor ist es auch nicht (viel zu groß), eher ein Utahraptor…

  6. #6 Bettina Wurche
    5. Juni 2016

    @MartinB: An dem Kostüm sind jede Menge Details zu benörgeln. Immerhin sieht man ja auch den Unterleib des “Puppenspielers”. Ich finde aber, dass die Gesamt-Silhouette und die Bewegungen erst mal ziemlich beeindruckend sind.
    Dann kommt noch das Überraschungsmoment hinzu. Und wenn man das Vieh nicht erwartet, gibt ein sehr ursprünglicher Hirnabschnitt schnell das Kommando “Lauf!”: