https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/c/c7/Antarctic_krill_(Euphausia_superba).jpg

Antarktischer Krill (Euphausia superba). Im Körper ist der mit grünen Algengefüllte Magen der Schwebegarnele sichtbar. (Wikipedia)

Im ersten Teil dieses Beitrags ging es um anatomische und physiologische Grundlagen und  Methoden. In diesem zweiten Teil stehen die ökologischen Auswirkungen der Wal-Fäkalien im Vordergrund. Und wie Wale mit ihrem Kot Algen düngen und Kohlendioxid im Meer binden.

Der offene Ozean weitab der Küsten ist eine nährstoffarme Wüste. Von den Küsten her schwemmen Regen und Flüsse Humus, Mineralien und Nährstoffe ins Meer. Wo dann noch kaltes, sauerstoffhaltiges Wasser über große Strömungssyteme dazukommt, wimmelt es vor Leben.
Wo dieser Nährstoffeintrag fehlt, also im offenen Meer, sind vor allem Stickstoff und Eisen begrenzte Ressourcen, die das Wachstum der Meeresalgen limitieren. Algen sind die Primärproduzenten, also die Basis der gesamten Nahrungskette. Sie sind als Phytoplankton die Nahrung für das Zooplankton, die dann wieder die Häppchen für die nächstgrößeren Zooplankter sind. In der Antarktis und Arktis weiden (nicht nur) Myriaden von Krillkrebschen die Algenrasen und –wolken ab, die zur wichtigsten Nahrung für Bartenwale gehören.

Wale sind nicht nur Konsumenten, sondern geben den marinen Ökosystemen gleichzeitig auch viel zurück. Als wichtige Vektoren tragen sie Nährstoffe und  Materialflüsse zwischen den Wasserschichten umher, erklärt der Biologe Joe Roman. Joe Roman forscht und lehrt an University Vermont, unter anderem untersucht er die ökologische Rolle von Walen im ozeanischen System.
Große Meeressäuger sind, wie auch große Landsäuger „Megafauna“. Und mittlerweile wird in marinen und terrestrischen Ökosystemen weltweit, fossil und rezent, deutlich, dass diese Megafauna einen ganz erheblichen positiven Impact auf ganze Ökosysteme hat und durch ihre mechanischen und physiologische Einflüsse die Existenz ganzer ökologischer Netzwerks ermöglicht und bewahrt.

Zunächst sorgen sie rein mechanisch für die vertikale Durchmischung der Wasserschichten. Alle Wale tauchen mehr oder weniger tief nach ihrer Nahrung, sie durchqueren dabei Hunderte oder gar Tausende von Metern der Wassersäule. So durchmischen sie die Wasserschichten mit ihren gewaltigen Körpern von bis zu 100 Tonnen Gewicht und der entsprechenden Wasserverdrängung, rein mechanisch, jeden Tag mehrfach. In stabil geschichteten Wasserkörpern kann diese mechanische Durchmischung des Wassers schon eine erhebliche Bedeutung haben.

Stickstoff und Eisen in der „nutrition plume“

Whale pump (Wikipedia)

Der wichtigste Punkt dürfte ihr direkter Nährstoffeintrag über die Exkretion sein. Wal-Exkremente enthalten auch Stickstoff und Eisen, wichtige Düngestoffe für die Meeresalgen, die Basis des Nahrungsnetzes. Und, so Joe Roman, es sei wenig überraschend, dass besonders große Tiere auch einen besonders großen Beitrag zur “chemischen Suppe” des Ozeans beitragen. Auch wenn dieser Beitrag schwierig in absoluten Mengenangaben zu erfassen ist. Wissenschaftler bezeichnen den Walkot als „nutrient plume“, als aufsteigende Nährstofffahne. „Plume“ ist ursprünglich die Bezeichnung für einen Helmbusch, im modernen Sprachgebrauch beschreibt der Begriff aufsteigende Ströme (z. B. Magma im Erdmantel) oder Gase (z. B. in einer Planetenatmosphäre oder an einem Brandherd).
Die Meeressäuger tauchen zum Fressen ab, nehmen ihre Nahrung in tiefen Schichten auf, und  transportieren dann die Nährstoffe an die Oberfläche, einfach indem sie atmen, verdauen und verstoffwechseln. In den obersten 200 Metern des Ozeans dringt das Sonnenlicht, nur dort ist Photosynthese und somit Pflanzenwachstum möglich. Darum ist die Anreicherung von Stickstoff und Eisen in dieser photischen Zone so wichtig. Und genau dort geben Wale, vor dem nächsten Tauchgang, Urin und Kot ab. Diese Wal-Pumpe hatte Joe Roman 2010 gemeinsam mit James J. McCarthy für den Gulf of Maine beschrieben (PLOS: „The Whale Pump: Marine Mammals Enhance Primary Productivity in a Coastal Basin“). Vor Maine ist, so Joe Roman, Stickstoff der limitierende Faktor ist.

Wale – Ingenieure oder Gärtner des Ozeans?

Wale liefern, wie in geringerem Umfang andere Meeresbewohner auch, mit ihren Fäkalien wichtige Beiträge zur Primärproduktion. Der Düngereintrag der Großwale ist so bedeutend, dass Joe Roman und einige andere Biologen die Meeressäuger als „Ingenieure des Meeres“ bezeichnet haben.

Den Begriff „Ingenieure des Meeres“ finde ich nicht sehr passend. Denn nach heutigem Sprachgebrauch schafft ein „Ingenieur“ komplexe technische Werke, aktiv und zielgerichtet. Ein Wal hingegen setzt niemals komplexere Technik als einfache Werkzeuge wie Schwämme, Schnecken, oder ähnliches ein. Im vorliegenden Fall unternimmt er keine anspruchsvollere Aktivität als zu fressen und Stoffwechsel zu betreiben. Das reicht mir nicht für einen Ingenieur. Immerhin trägt ein Wal aber Nährstoffe zwischen den einzelnen Wasserschichten umher, das ähnelt dem Kompost umräumen und verteilen eines ursprünglichen Gärtners oder Farmers.

Der Meeresforscher Victor Smetacek vom Afred Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung nennt Großwale „Gärtner“ des Ozeans. Der Begriff trifft es eher, schließlich düngen die Meeressäuger das pflanzliche Plankton und lassen so Myriaden von Meeresalgen wachsen (Übrigens steht er auch Co-Autor von Joe Romans Publikation, ist aber wahrscheinlich nicht für den Titel verantwortlich).
Victor Smetacek forscht vor allem im Südpolarmeer. Das Meer um den sechsten Kontinent beherbergte in früheren Zeiten gigantische Wal- und Krillbestände, die sich heute kaum noch jemand vorzustellen vermag. Die Blauwale sind auf einen Bruchteil ihrer einstigen Bevölkerungsstärke geschossen worden, die Bestände dieser größten aller Wale haben sich bis heute nicht erholt.
Auch das Antarktische Krill ist nie wieder zu solchen Mengen angewachsen, wie in der Ära vor dem Antarktischen Walfang. Das erscheint paradox, denn nun sind ja nicht mehr so viele hungrige Wale da, um die kleinen Garnelen aufzufressen. Viele Wissenschaftler meinen, dass dies im Kontext mit dem Klimawandel stehe. Victor Smetacek hat allerdings eine andere Erklärung, die mit den Walen zusammenhängt. Die Erwärmung des Klimawandels sei im Südpolarmeer schließlich noch gar nicht angekommen.
Im Südpolarmeer ist Eisen der knappste Faktor, der das Algenwachstum und somit die Futterquelle für den Krillkrebs Euphausia superba  limitiert. Und Walkot enthält Eisen. Viele Wale bedeuten viele Wal-Fäkalien, das führt zu viel Eisen im Wasser und ermöglicht mehr Algen- und somit Krillwachstum. Die kleinen Schwebegarnelen werden dann wiederum von den Walen geerntet.
Da die Walbestände nun aber auf einen Teil ihrer einstigen Größe zurückgegangen sind und sich vor allem die sehr großen Arten wie Blauwale nicht wieder erholen werden, bleibt der Eiseneintrag ins Südpolarmeer wesentlich geringer als vor der Walfang-Ära. Und damit fehlt auch die Nahrungsgrundlage für die Krillschwärme.

https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/d/d8/Large_Blue_Whale_Off_Southern_California_Coast_Photo_D_Ramey_Logan.jpg

Blauwal (Wikipedia)

Die Internationale Walfangkommission gibt als geschätzten Blauwalbestand für die Südliche Hemisphäre 2300 Tiere an (Stand 1997/98), das Überleben der Art ist nicht gesichert. Andere Walarten haben sich besser erholt, werden wohl aber auch kaum jemals wieder ihre alte Populationsstärke erreichen und geben ebenfalls viel weniger Dünger ab.
Der Kot von Pottwalen soll besonders eisenhaltig sein, schreibt Trish J. Lavery (Department of Environment, Australia). Das liege an der bevorzugten Tintenfisch-Diät dieser großen Zahnwale. Sie schätzt die Eisenproduktion allein der Pottwale auf der Südhalbkugel auf 50 Tonnen jährlich (Trish J. Lavery, et al, Victor Smetacek: “Iron defecation by sperm whales stimulates carbon export in the Southern Ocean; 2010). Die tief tauchenden Pottwale holen die rare Ressource Eisen aus der dunklen Tiefe ihrer Jagdgründe in die durchlichtete Zone des Meeres, wo das Sonnenlicht die Photosynthese von Algen ermöglicht.
Übrigens: Abgesehen vom Walkot-Eintrag gelangt Eisen sonst vor allem über Saharasand, der von Staubstürmen in die Atmosphäre gewirbelt und dann über weite Strecken verdriftet wird, ins Meer. Dann lässt der rötliche Wüstenstaub Meereswüsten erblühen.

„Whale pump“ – der Wal als CO2-Umwälzpumpe

Wale transportieren Nährstoffe durch verschiedene Wasserschichten.
Außerdem hat die Eisendüngung der Wale auch noch einen weiteren Effekt: Sie ist von globaler Bedeutung für das Klima! “Algen liefern ebenso wie Landpflanzen die Basis allen Lebens; sie bauen aus dem Treibhausgas CO₂ Zucker, Eiweiße und Fette auf. Diese sonnenbetriebene Riesenpumpe und das Meerwasser haben rund die Hälfte des gesamten von Menschen emittierten CO₂ aus der Luft geholt.“ erklärt Victor Smetacek.

Einige Wissenschaftler sind der Meinung, dass man so große Mengen des Treibhausgases Kohlenstoffdioxid aus der Atmosphäre ziehen und in Algen binden könnte, dass es zu einer weltweiten Abkühlung kommen könnte. John Martin, der Direktor des Moss Landing Marine Laboratory, hatte 1988 formuliert: “Give me a half tanker of iron, and I will give you an ice age.” (Diesen Satz soll er in seinem „besten Dr. Strangelove-Tonfall“ gesagt haben, möglicherweise war die Bemerkung teilweise ironisch gemeint.)
Der Bremerhavener Meeresforscher Smetacek und einige indische Fachkollegen hatten 2004 an Bord des Forschungsschiffes „Polarstern“ aus ein Eisendüngungsexperimenten im Südpolarmeer durchgeführt. So wollten sie erproben, ob, wo und wie sich die erhoffte Versenkung von CO₂ ökologisch verträglich durchführen lässt.

https://blogs.faz.net/planckton/files/2009/01/Eifex.jpg

Ergebnis einer Eisendüngung im Rahmen des europäischen Vorgänger-Experiments „Eifex“ vor ein paar Jahren. Die hellgrünen Schlieren und Flecken zeigen die Algenblüten – die künstlich erzeugte neben vielen natürlichen Algenteppichen. (https://blogs.faz.net/planckton/files/2009/01/Eifex.jpg)

Dieser Feldversuch im Rahmen des Projekts EIFEX ist sehr kontrovers diskutiert worden, denn letztendlich kann natürlich niemand genau vorhersagen, was der Eiseneintrag in so einem komplexen Ökosystem bewirken wird. Eine solche großflächige Düngung des Ozeans wäre schon ein groß angelegtes Geo-Engineering und birgt Risiken. Die Düngung könnte nämlich auch das Wachstum giftiger Algen fördern, was dann nicht nur für Meeressäuger sondern die gesamte Meeresfauna tödlich enden könnte.
Trotz der Risiken haben große Firmen natürlich ein großes Geschäft gewittert, schließlich geht es um den Milliardenmarkt mit CO₂-Zertifikaten. Um mögliche unabsehbare ökologische Folgen zu verhindern, ist die Eisen-Düngung des Ozeans 2007 in der London Convention geächtet worden (CONVENTION ON THE PREVENTION OF MARINE POLLUTION BY DUMPING OF WASTES AND OTHER MATTER […]: Statement of concern regarding iron fertilization of the oceans to sequester CO2).

Im Moment bleibt die Düngung der irdischen Ozeane den Walen und anderen Wesen vorbehalten. Ob die Wale nun als Ingenieure, Gärtner oder Farmer des Meeres tätig werden. Fest steht, dass sie das Algen- und Krillwachstum nach Kräften unterstützen. Und vor allem die Pottwale, so schreibt auch Trish J. Lavery, helfen mit ihren besonders eisenhaltigen braunen Wolken, auch gehörig beim Versenken von Kohlenstoffdioxid im Meer: „We find that Southern Ocean sperm whales stimulate the export of 4 × 105 tonnes of carbon per year to the deep ocean and respire only 2 × 105 tonnes of carbon per year. By enhancing new primary production, the populations of 12 000 sperm whales in the Southern Ocean act as a carbon sink, removing 2 × 105 tonnes more carbon from the atmosphere than they add during respiration.” Und sie schlußfolgert: “The ability of the Southern Ocean to act as a carbon sink may have been diminished by large-scale removal of sperm whales during industrial whaling.”.
Mit anderen Worten: Die Pottwale machen´s mal wieder eine Nummer größer.

Einige persönliche Gedanken zu Walen, Fischen und Fischerei

Dass viele Wale zu einer höheren Produktivität des Meeres führen und somit auch reichere Fänge für die Menschen bedeuten, steht in krassem Gegensatz zu den üblichen Statements der Fischer und Walfänger, die großen und kleinen Meeressäuger mit und ohne Zähne würden uns Menschen den Fisch wegfressen.
Ich finde die Sicht der Ökologen deutlich überzeugender.
Die einziger Prädatoren, die Menschen, Walen, Robben, Seevögeln, Fischen und anderen Meereswesen das Seafood im gigantischen Umfang weg fangen, ohne etwas zurückzugeben, sind die Menschen selbst. Und zwar die gierigen, gigantischen Fangflotten der globalen Fischerei-Industrie, die ohne einen Gedanken an die Nachhaltigkeit ihrer „Ernte“ zu verschwenden, den Ozeanen ungeheure Mengen an Biomasse entnehmen und Bestand um Bestand Art gefährdend dezimieren. Das ist keine Ernte, sondern ein Raubbau.

Diese Erkenntnis ist gar nicht neu, sondern sehr alt. Der französische Historiker Michelet hat in seinem 1861 erschienen Buch „La Mer“ bereits den Niedergang der Kabeljau- und Walbestände im Zuge der Industrialisierung der Fischerei vorausgesagt und mit dieser düsteren Prognose leider recht behalten.
Jules Verne legt in „20.000 Meilen unter den Meeren“ Kapitän Nemo manche dieser kritischen Aussagen in den Mund. Mittlerweile sind zumindest die Großwal-Bestände vor der totalen kommerziellen Ausschöpfung geschützt. Das Essen von Walfleisch ist in den meisten heutigen Kulturen geächtet, der Wal ist vom „Fisch“ zum „Mitwesen“ erhoben worden. Das ist zumindest mal ein Anfang beim Meeresschutz.

Kommentare (17)

  1. #1 Dampier
    14. Juli 2016

    Dass viele Wale zu einer höheren Produktivität des Meeres führen und somit auch reichere Fänge für die Menschen bedeuten, steht in krassem Gegensatz zu den üblichen Statements der Fischer und Walfänger, die großen und kleinen Meeressäuger mit und ohne Zähne würden uns Menschen den Fisch wegfressen.
    Ich finde die Sicht der Ökologen deutlich überzeugender.

    Lässt sich das ansatzweise ausrechnen, ob ein Wal im Laufe seines Lebens mehr Biomasse durch Düngung ermöglicht, als er selbst frisst?
    (Aber ok, selbst wenn es ein Nullsummenspiel wäre, würde das den Vorwurf des Wegfressens entkräften …)

    Ein Artikel, der zu Denken gibt. Hätte nicht gedacht, dass ein Text über Walscheiße so fesselnd sein kann. Super Job 🙂

  2. #2 Bettina Wurche
    14. Juli 2016

    @Danke, Dampier. Das müssten andere Leute mal durchrechnen, die gern mit Zahlen jonglieren. Ökosystem-Modellierer wären da gefragt.
    Die Publikationen von Joe Roman und Trish Lavery enthalten so einige Rechenbeispiele, in etwas kleinerem Maßstab.
    Ein Nullsummenspiel wird das nicht sein, denn allein der antarktische Krill ernährt so ungefähr das ganze antarktische Ökosystem – Robben, Pinguine, Wale, … Und die Durchmischung des Meeres kommt allen Organismen zugute. Die Megafauna schließt Ökosysteme für andere Organismen erst auf.

  3. #3 RPGNo1
    15. Juli 2016

    Vielleicht ein wenig OT: Aber bei der Beschreibung, welchen Einfluss die Megafauna auf die Umwelt (besonders Pflanzen) hat, musste ich an mehrere Artikel aus National Geographic und Geo denken.
    Es ging darum, wie Großtiere (Mammuts, Nashörner, Riesenhirsche etc.) die subarktische Tundra während der Eiszeiten beeinflusst haben. Das lange kolportierte Bild einer kalten windzerzausten Steppe scheint demnach falsch zu sein. Die Gegenden unterhalb der Gletscher waren vielmehr reich an Pflanzen aller Art, seien es Gräser, Büsche, Nadel- und vor allem auch Laubbäumen. Keine öde Ebene, sondern ein wenn auch kaltes Pflanzenparadies.
    In Sibirien hat ein russischer Forscher einen von vielen Kollegen spöttisch beäugten Feldversuch gestartet und auf einem umzäunten Areal in der Tundra zahlreiche Großtiere (Pferde, Büffel, etc.) angesiedelt. Dabei sind erstaunliche Ergebnisse herausgekommen. Wo es vorher nur Flechten und wenige Nadelgewächse gab, hat sich inzwischen eine vielgestaltige Steppenlandschaft mit zahlreichen Gräsern, Blumen und anderen kälteresistenten Gewächsen gebildet, die wiederum als Lebensgrundlage für Insekten dienen, die ihrerseits weitere Kleinsäuger und Vögel angelockt haben.
    Und das alles kommt u.a. durch die Ausscheidungen der Tiere neben Bodenverdichtung durch Hufe und weiteren Faktoren, die ich nicht mehr weiß, zustande. Die Großsäuger haben einen ähnlicher Effekt auf das Land(-leben), wie ihn die Wale auf das Meer(-leben) haben.
    Faszinierend, wie Mister Spock sagen würde.

    PS: Mehr Quellenangaben außer den angesprochenen Zeitschriften kann ich leider nicht liefern.

    PPS: Back to the Topic: Ein sehr schöner Artikel, von dem ich einiges mitnehmen werde. Vielen Dank!

  4. #4 Bettina Wurche
    15. Juli 2016

    RPGNo1: Die Megafauna-Diskussion ist superinteressant und ich finde, dass sie auch wichtige Erkenntnisse für die Zukunft unserer Ökosysteme bringt. Das ist ja einer der Gründe, warum Artenschutz isoliert nicht erfolgreich sein kann, sondern warum immer ganze Ökosysteme mit ausreichender Ausdehnung betrachtet und geschützt werden müssen. Nur in ihrem ökologischen Netz können Arten überleben.
    Reden wir über Pleistocene Park von Sergej Simow.
    https://scienceblogs.de/meertext/2015/01/20/mammut-3-0-auferstehung-in-der-arktis/
    Öhem. Ich hatte auch darüber gespottet – wegen der Mammut-Klonerei. : )

  5. #5 RPGNo1
    15. Juli 2016

    @Bettina: Richtig, Sergej Simow, das war der Mann. Wie gesagt, gab es in NG oder Geo eine ausführlichere Reportage über ihn und sein Parkprojekt.
    Das Thema Mammut-Klonerei (DinoPark, anyone?) sehe ich als Spleen an. Die positiven ökologischen Einflüsse seiner Tiere auf die Parkumgebung (insbesondere die Pflanzenwelt) bleiben jedoch faszinierend.

  6. #6 RPGNo1
    15. Juli 2016

    Wer daran interessiert ist: Ich habe tatsächlich noch Links zum Pleistozänpark und Sergej Simow gefunden:
    https://en.wikipedia.org/wiki/Pleistocene_Park
    https://www.spiegel.de/spiegel/print/d-131355130.html

    Und es scheint tatsächlich ein Geo-Artikel zu sein, in dem er näher vorgestellt wird. Wenn ich wieder an meine Geo-Sammlung rankomme (beim nächsten Heimaturlaub ;)), werde ich wohl danach mal suchen müssen.

  7. #7 Bettina Wurche
    15. Juli 2016

    @RPGNo1: Außerdem hat der park auch noch eine Website:
    https://www.pleistocenepark.ru/en/
    und eine Pressemappe mit auch ein paar englischen Meldungen:
    https://www.pleistocenepark.ru/en/press/

  8. #8 Roland B.
    15. Juli 2016

    “Das Essen von Walfleisch ist in den meisten heutigen Kulturen geächtet”
    Kann man heutzutage bei Ländern, die Wale schlachten und Walfleisch essen, überhaupt noch von “Kultur” sprechen?
    Vor allem, wenn, wie bei Japan, dann noch diese völlig verlogenen Ausreden dazukommen.

  9. #9 Dampier
    15. Juli 2016

    Kann man heutzutage bei Ländern, die Wale schlachten und Walfleisch essen, überhaupt noch von “Kultur” sprechen?

    Ja. Alle Kulturen sind an irgendeiner Stelle verlogen, bigott, irrational, was auch immer.
    Japan die Kultur absprechen zu wollen ist ja wohl bestenfalls ein schlechter Witz. Mir geht dein Ansinnen schon zu sehr in Richtung “Entmenschlichung des Gegners”, und mit sowas sollte man seehr! vorsichtig sein!

  10. #10 tomtoo
    16. Juli 2016

    @roland b und dampier

    das japan eine kultur ist sollte ja wohl ausser frage stehen. gut oder schlecht irrelevant.

    und ja ich mache mich unbeliebt aber wer mit freude ein säugetier verspeist das dem menschen genetisch sehr, sehr nahe steht ( schwein) sollte mit den steinen sehr vorsichtig sein ( deutsche ).
    auch keine kultur ? naja man kann ja reden.

  11. #11 RPGNo1
    16. Juli 2016

    Waljagd ist heutzutage absolut unnötig, und das Essen von Walfleisch hat nichts mehr mit Ernährung zu tun (mit Ausnahme von indigenen Völker vielleicht). Nationen wie Island, Norwegen, Färöer und Japan betreiben Walfang nur noch aus “Tradition” (bzw. Trotz und Ideologie, wie ich es sehe), und wird von diesen Staaten mit teils erheblichen Summen subventioniert.

  12. #12 Bettina Wurche
    16. Juli 2016

    @Roland B.: Nein, nein und nein. In sehr vielen Ländern wird Walfleisch gegessen, auch in EU-Ländern (Azoren, Färöer). Meistens geht es dabei um Bushmeat, was de facto direkt zur Ernährung armer Bevölkerungsschichten z. B. in Südostasien gehört. Das weiß bei uns bloß keiner (da läuft gerade eine Forschungsarbeit dazu, ich warte auf die Ergebnisse). Aboriginal whaling sehe ich sehr kritisch, denn es ist nicht traditionell, Wale mit Schnellfeuergewehren zu schießen. Einige Stämme wie die Makah sprechen sich mittlerweile gegen das Whaling aus. Man sollte sich hüten, “Traditionen” zu verherrlichen, auch Traditionen können überholt sein.
    @RPGNo1: In Norwegen und Japan hat der Walfang im heutigen Sinne erst ca 1930 begonnen, es ist also keine sehr lange Tradition.
    Japan betreibt heute höchst umstrittenen “Wissenschaftlichen Walfang”, der jetzt gerichtlich untersagt wurde. Bin gespannt, wie und ob das Urteil durchgesetzt wird. Und wenn die Russen nicht weiter blockieren, könnte das Südpolarmeer endlich bald Schutzgebiet werden.
    Norwegen betreibt einen von der IWC genehmigten kleinskaligen echten kommerziellen Fang auf Zwergwale, damit verpflichten sie sich gleichzeitig zur Bestandsforschung. Internationale Wal-Forschung im Nord-Atlantik hat ergeben, dass der Zwergwalbestand nicht gefährdet ist.
    Übrigens lehnen die meisten Japaner und Norweger den Walfang mittlerweile ab, sie halten es für nicht zeitgemäß.
    Darum unterstütze ich nicht-letale Wal-Industrie wie z. B. Whale-watching in Norwegen. Damit unterstützen wir die Nicht-Wal-essen-wollen-Fraktion in diesen Ländern.
    Der isländische Walfang ist ein echter Piratenwalfang und ein echtes Problem.

    Einem Land wie Japan aufgrund des Verzehrs von Wal die Kultur absprechen zu wollen ist mir nun wirklich zu absurd, um darauf zu antworten. Danke @Dampier, für Deine gute Antwort.

    Wenn Deutsche sich über Walfang ereifern udn meinen, damit für Walschutz einzutreten, antworte ich gern, dass diese Leute doch mal im eigenen Lnad damit beginnen sollte. In der Ostsee sind noch etwa 350 Schweinswale übrig, die Population nimmt stetig ab. Sie landen als Fischerei-Beifang in dne Netzen der Ostseefischer. Und eine moderne Industrienation wie Deutschland schafft es nicht, ihnen Schutzgebiete einzuräumen, den Beifang zu reduzieren, die Fischerei zu reduzieren um diesen Bestand vor der Ausrottung zu bewahren. Denn jedes Jahr wird der Betsand kleiner. In der Nordsee haben wir zwar mittlerweile einen Nationalpark. Aber auch dort gibt es für Fischerei und weitere Industrie jede Menge Ausnahmeregelungen. Und das sind einheimische Gewässer, wo die Deutschen ihre Schutzgesetze nicht einmal mit anderen Staaten absprechen müssten. Doch die Fischerei- und Gas, etc. -Lobby ist viel zu stark, als dass zumindest dort für eine hochgradig bedrohte Walart den dringend benötigten Schutz durchzusetzen.

    @tomtoo: Du hast völlig recht, diese Diskussion ist echt dünnes Eis und völlig unlogisch. Wale sind die Heiligen Kühe der Moderne. Wie würden denn Deutsche reagieren, wenn Inder ihnen das Essen von Kühen verbieten wollten?

    Es gibt allerdings tatsächlich gute Gründe, keinen Wal zu essen.
    Hier sind sie zusammengefaßt:
    https://scienceblogs.de/meertext/2014/09/19/7-gute-gruende-keinen-wal-zu-essen/

  13. #13 RPGNo1
    16. Juli 2016

    zu #9: Bettina, ich stimme deinen Ausführungen zu. Der Begriff “Tradition” wird gerne mal missbraucht, deshalb habe ich ihn in Gänsefüßchen gesetzt und auf die Ideologie verwiesen.
    Zu den Färöer habe ich erst gestern eine Reportage auf Phoenix gesehen, in der u.a. ein altgedienter einheimischer Fischer interviewt wurde. Seine Aussage war sinngemäß, dass die protestierenden Länder gefälligst ihre Klappe zum Thema Walfang halten sollten, dieser sei ureigenstes färörisches Interesse. Andererseits wurde auch betont, dass vor allem die junge Bevölkerung dem Walfang nichts mehr abgewinnen kann.
    Dass Whalewatching viel mehr Gewinn abwirft als der Fang, ist eine Tatsache. In der Folgesendung zur o.g Reportage wurden die Azoren besucht und dort ein ehemaliger Walfänger interviewt. Er hat schon mit einer gewissen Nostalgie von seinem früheren Job erzählt, bereut aber absolut nicht, dass er heute nichts mehr damit zu tun. Im Gegenteil wendet er das erlangte Wissen an, um Touristen zu erfolgreichen Walbeobachtungen zu leiten. Ein Win-win-Situation für Wale, EInwohner und Touristen, würde ich meinen. 🙂

  14. #14 adenosine
    17. Juli 2016

    wie viel Prozent des Eisens stammte denn tatsächlich von den Walen?

  15. #15 Bettina Wurche
    17. Juli 2016

    @adenosine: Eisen gelangt auf verschiedenen Wegen in den Ozean: Durch den Wüstenssand, durch Einschwemmungen über Flüsse, durch submarine vulkanische Quellen und Black Smoker, durch Wale, durch alle anderen Organismen. Ich kann nur sagen, dass in der Antarktis offenbar der Walkot die mit Abstand wichtigste Quelle war/ist, da die Antarktis weit weg vom nächsten Land, weit weg von der Sahara ist und die Großwale hier konzentriert auftauchen, fressen und verdauen. Diese Zusammensetzung und Zufuhr von Eisen ist, wie alles andere, regional und saisonal variabel.
    Hier ist noch ein paper der indischen Wissenschaftler zur walzentrierten Eisenzufuhr:
    https://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0114067
    Und hier ist ein Bericht über eine unvermutet im Südatlantik entdeckte Eisenquelle im Mittelozeanischen Rücken (tektonische Aktivität):
    https://www.welt.de/wissenschaft/umwelt/article119321956/Eine-Wolke-transportiert-Eisen-in-den-Atlantik.html
    Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgend jemand dazu eine seriöse Schätzung über alles Eisen in allen Ozeanen abgeben kann.
    Es sei denn, die Person hat eine große blaue Kristallkugel, in der alles Wissen einfach so drinsteckt. Ich habe leider keine.

  16. #16 RPGNo1
    9. August 2016

    In Ergänzung zu #3 und #6
    Ich habe in meiner Sammlung gestöbert und tatsächlich die Artikel gefunden, die sich mit dem Pleistozänpark sowie dem Einfluss von pflanzenfressenden Großsäugern auf eine subarktische Umgebung beschäftigen.
    In der National Geographic, Ausgabe April 2016, werden neuen Erkenntnisse bezüglich der eiszeitlichen Steppe in Deutschland erläutert. Der Dung der Großsäuger hat erheblich zur Aufwertung des Bodens beigetragen und ein üppiges Pflanzenwachstum begünstigt. Die These wird mit dem Hinweis auf Sergej Zimows Pleistozänpark untermauert, wo Yaks, Pferde und Wisente durch ihr Äsen Flechten und Bäume kurzhalten, gleichzeitig durch ihren Mist den Boden düngen und somit eine Grassteppe “heranzüchten”.
    Die Geo, Ausgabe Juni 2012, gibt nähere Auskunft über Sergej Zimow, seinen Park und die Beweggründe, das Experiment zu starten. Es geht nämlich urspünglich darum, den Permafrostboden vor dem Klimawandel (Auftauen durch höhere Temperaturen) zu bewahren, wozu eine Grassteppe weitaus besser als Flechtenbewuchs oder Nadelbäume geeignet ist.
    Wer noch die Gelegenheit hat, die genannten Hefte zu lesen, sollte es auf jeden Fall tun. Hochinteressant und lehrreich!

  17. #17 Bettina Wurche
    10. August 2016

    @RPGNo1: Dankr für den Lesetipp! Das Dung-Thema ist gerade ganz groß in Mode, weil es eine neue Überlegung ist und neue Perspektiven öffnet. Der Artikel hört sich spannend an, muss ich auch unbedingt lesen.