Sattelfleck und Augenfleck der Orcas sind das Fundament der modernen Walforschung im Feld und am lebenden Tier. In den 70-er Jahren nutzten die Pioniere der nicht-letalen Walforschung die natürlichen Markierungen von Orcas, Buckelwalen und Spinner-Delphinen vor British Columbia und vor Hawaii erstmals systematisch für die individuelle Erkennung von Walen. Zu diesen Markierungen gehörten die Färbung und zusätzlich Umrisse der Rücken- und Schwanzflossen sowie Narben. Diese Erkennungszeichen sind sowohl vom Schiff aus als auch von Land aus, manchmal sogar aus der Luft sichtbar. Aus natürlichen Markierungen entwickelten mehrere Walforscher nahezu zeitgleich die Photo-ID für die individuelle Identifikation.
Mittlerweile haben Wal-Forscher weltweit für viele Arten und Populationen Photo-ID-Kataloge angelegt. Darum wissen wir heute viel mehr darüber, wie groß das Habitat von Walen ist, wie weit sie wandern und wer mit wem schwimmt. Die individuelle Zuordnung von Individuen war die Basis für die Erforschung der Residents und Transients, die zu den Aufsehen erregenden Ergebnissen führte, wie etwa die matrilineare Gruppenzusammensetzung. Dieser Photo-ID-Katalog von den Hebriden zeigt prägnante Beispiele für Schwertwale.
Seit wann sind Orcas schwarz-weiß?
Leider ist die Farbe von Walhaut fossil absolut nicht nachweisbar. In besonderen Ausnahmefällen sind Farbpigmente bei Fossilien zwar erhalten geblieben, aber nicht in Haut, sondern als schwarze Pigmente in Fell und Federn. Hautabdrücke sind fossil etwa von Reptilien nachgewiesen, aber ein Abdruck gibt nur Aufschluss über die Hautstruktur, Schuppen und Federn, nicht jedoch über die Farbe.
So können wir darüber nur Mutmaßungen anstellen. Die Vorfahren der Orcas waren weiß, grau oder schwarz. Irgendwann kam es daraus zu einer kontrastreichen Schwarz-Weiß-Zeichnung, die sich wahrscheinlich als Vorteil beim Jagen herausstellte. Oder vielleicht auch bei der Erkennung der Tiere untereinander. Normaler weise halten Orcas durch akustische Kommunikation Kontakt und erkennen sich an ihren gruppenspezifischen und individualisierten Rufen. Beim Anpirschen an akustisch sensible Beute wie etwa andere Zahnwale halten Orcas jedoch „Funkstille“. Dann wären sie statt der akustischen auf optische Erkennung angewiesen.
Interessant ist in diesem Kontext, dass alle Orcas weltweit eine sehr ähnliche Färbung haben. Unterschiede gibt es vor allem bei der Größe des Augenflecks sowie der Größe, Position und Pigmentierung des Sattelflecks. Das bedeutet, dass die Stammgruppe der Ur-Orcas zunächst ihre markante schwarz-weiße Färbung entwickelt hat und sich erst danach über alle Ozeane verbreitete. Denn heute schwimmen „Panda“-Orcas weltweit und erfolgreich in allen Meeren.
Mittlerweile sind einzelne Orca-Gruppen durch ethologische (verhaltensbiologische) und kulturelle Merkmale wie Kommunikation soweit voneinander getrennt, dass es unter den einzelnen Gruppen nicht mehr zur Paarung kommt. Diese Gruppen werden als Ökotypen angesehen. Ob sie echte Unterarten sind, die sich untereinander nicht mehr vermischen, ist noch in der taxonomischen Diskussion.
Die molekularen Untersuchungen weisen darauf hin, dass diese verschiedenen Orca-Gruppen sich vor weniger als 250.000 Jahren differenziert haben. Die genetische Analyse ergibt auch, dass die heute so weit verbreiteten Schwertwale eine geringe genetische Variabilität haben. Hoelzel et al hatten 2002 mehrere regionale Orca-Gruppen untersucht und herausgefunden, dass es in der mitochondrialen DNA nur geringe Abweichungen gibt. Das liegt zunächst sicherlich an der strikt matrilinearen Fortpflanzung. Zusätzlich ist es ein starker Hinweis auf ein historisches „Bottleneck“ in der globalen Orca-Bevölkerung. Irgendwann gab es einmal sehr wenige Schwertwale mit der typischen Schwarz-Weiß-Zeichnung. Ihre Nachkommen haben dann alle Ozeane erobert.
Daraus könnte man folgende Arbeitshypothese aufstellen:
Die heutige Größe dieser größten aller Delphine und ihre weltweite Verbreitung könnte daran liegen, dass ihre Färbung für erfolgreiche Jäger besonders gut geeignet ist. Sowohl zum ungesehenen Anpirschen an große Beute wie Wale als auch zum Zusammentreiben kleiner Schwarmfische.
Der spärliche Orca-Fossilbefund stützt diese Hypothese: Bisher sind vor allem aus dem Pliozän (5,333 Millionen Jahren und endete vor etwa 2,588 Mio Jahre) etwa in Italien, Japan und Südafrika Zähne gefunden worden, die Experten als Orcinus oder nahe Verwandte identifiziert haben. Diese Zähne sind allerdings kleiner als die rezenter Orcas, auch ein Skelettfund wir mit nur 4 Metern rekonstruiert.
Die heutige Art Orcinus orca ist also nicht sehr alt. Und Orca-Verwandte waren vor 2 Mio Jahren noch kleiner.
Das charakteristische, unter Walen einzigartige markante Schwarz-Weiß-Muster scheint ein evolutiver Vorteil zu sein, der die heutigen Schwertwale fitter bzw. geeigneter macht, als ihre nächsten Verwandten wie die Grindwale, Falsche und Kleine Orcas.
So ist der Panda der Meere also zu seinem Muster gekommen.
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