Mesoplodon mirus, den wunderbaren Zweizahnwal nannte der US-amerikanische Zoologe Frederick True diesen Wal, als er ihn 1913 entdeckte. „Mirus“ ist lateinisch für „wunderbar“, damit hielt True sein Entzücken über diesen ungewöhnlichen Wal auch im wissenschaftlichen Namen fest (Leatherwood & Reeves 1983; Martin 1990). True war ein ausgewiesener Wal-Experte, von 1883 bis 1897 war er Kurator für Säugetiere und von 1897 bis 1911 der oberste Kurator für Biologie am United States National Museum, das heute zur Smithsonian Institution gehört. Um beim Anblick eines toten Wals ein solches Entzücken zu verspüren und es wunderbar zu finden, dafür braucht es angesichts des olfatoktorischen Erlebnisses schon viel Wal-Begeisterung.
Trues Zweizahnwal ist bis heute vor allem über Totfunde an den Küsten nachgewiesen worden, im Nordatlantik und im südlichen Indik. Dieses seltsame Verteilungsmuster kann den Grund haben, dass er in den anderen Meeresgebieten einfach noch nicht entdeckt worden ist. Obwohl diese Wale zu den größeren Mesoplodon-Arten gehören, sind sie auf See schwierig zu entdecken, wie alle Zweizahnwale. Sie meiden den Kontakt mit Menschen und tauchen vorher ab. Dazu sind sie auch noch äußerst schwierig zu identifizieren, denn auf den ersten Blick sehen die meisten von ihnen mit ihren lang gezogenen Schnabel für Laien aus wie zu groß geratene Delphine. Selbst gestrandete Exemplare können nur von Experten zugeordnet werden.
Männchen können bis zu 5,3 Meter lang und bis zu 1,5 Tonnen schwer werden, die Weibchen bleiben etwas kleiner. True-Wale sehen mit ihrem langen Schnabel aus wie zu große Delphine, mit den typischen Mesoplodon-Augenringen. Obwohl sie Zahnwale sind, brechen nur bei erwachsenen Männchen zwei Zähne im Unterkiefer durch, wie ja auch der Gattungsname schon andeutet. Mesoplodon ist zwar ein Zahnwal, de facto haben aber nur ausgewachsene Männchen zwei sichtbare Zähne im Unterkiefer. Diese beiden Zähne sind das wichtigste Unterscheidungsmerkmal der Zweizahnwal-Arten. Die Bezahnung ist artspezifisch und absolut abgefahren: Bei manchen Arten wachsen zwei Hauer aus dem Unterkiefer über dem Oberkiefer zusammen.
Jetzt, im Juni 2016, sind erstmals True-Wale im Mittelmeer gemeldet worden. Wie alle Schnabelwale sind sie Tieftaucher und leben im offenen Ozean, fern der Küsten, dadurch sind Lebendsichtungen sehr selten. Nun sind gleich drei Stück an der türkischen Mittelmeerküste angespült worden und wahrscheinlich ein vierter an der griechischen Küste. Die Kadaver waren schon verwest, ihre Todesursache wird wahrscheinlich ungeklärt bleiben.
Der erste tote M. mirus war am 4.6.2016 von Fischern gefunden und zum Hafen von Akyaka Port am Ufer der Ägäis gebracht worden. Es war ein 526 Zentimeter langes Männchen, wie die Nekropsie ergab. Neben schwerem Parasitenbefall hatte er auch eine Plastiktüte im Magen. Die Biologen entnahmen Proben des Magens, der Haut und des Muskelgewebes für spätere Untersuchungen.
Am 5.6.2016 strandete der nächste tote Wal in Killik Cape bei Izmir, also ebenfalls am Strand der Ägäis. Erst am 7.6. erhielten Biologen Kenntnis von der Strandung, sie mussten den Wal dann aus einem Abfallhaufen ausgraben. Ein Team um den Meeresbiologen Arda M. Tonay untersuchte dieses Exemplar, ein 510 Zentimeter langes Männchen. Der Wal war durch Fischereigerät verletzt worden: Eine Langleine steckte mit einem Haken im After und mit anderen in den Eingeweiden und im Magen. Auch dieser Wal war stark parasitiert. Aufgrund der fortgeschrittenen Verwesung war die Todesursache nicht mehr zu ermitteln.
Am 20.6. hatten die warmen Wellen des Mittelmeeres den nächsten wunderbaren Wal an den türkischen Strand gespült: Diesmal in Yakacik – Gazipasa, zwischen Antalya und Mersin, also westlich der Ägäis in der Nordöstlichen Levantinischen See. Dem stark verwesten True-Wal fehlte der letzte Schwanzabschnitt, der Kadaver maß dann noch 472 Zentimeter. Durch die vorangeschrittene Verwesung war es auch hier unmöglich, die Todesursache festzustellen, die Biologen haben aber noch Proben für eine genetische Untersuchung genommen.
Kommentare (5)