Alle drei Wale sind nun vergraben worden, dadurch sollen die Weichgewebe abfaulen. Die Skelette sind dann für Museumssammlungen bestimmt. Alle drei Schnabelwale waren erwachsene Männchen mit den spezifischen Zähnen im Unterkiefer, dadurch war eine sichere Identifizierung möglich. Sowie die Schädel mazeriert sind und die Ergebnisse der genetischen Untersuchung vorliegen, kann diese erste Identifikation noch bestätigt werden.
In Griechenland gab es am 16.6.2016 noch eine vierte Schnabelwalstrandung auf der Insel Chrysi südlich von Kreta. Dazu gibt es leider keine weiteren Angaben, aber Arda Tonay stellt diese Strandung völlig zu Recht in einen engen Kontext zu den drei türkischen True-Walen.
Aufgrund des örtlichen und zeitlichen Zusammenhangs vermute ich, dass die toten Wale gemeinsam ins Mittelmeer und dann bis vor die griechisch-türkische Küste geschwommen sind. Möglicherweise geben die genetischen Untersuchungen auch Hinweise auf eine mögliche Verwandtschaft der Tiere.
Todesursache unbekannt – oder doch nicht?
Die Strandung eines True-Zweizahnwals an der türkischen Küste wäre ungewöhnlich gewesen, schließlich kommen die Tiere hier nach bisheriger Faktenlage gar nicht vor. Aber denkbar wäre es schon, dass ein verirrter Wal an einer natürlichen Ursache, also einer, die im Wal-Individuum begründet liegt, strandet.
Die Strandung von drei bzw. vier Mesoplodon mirus-Exemplaren innerhalb von drei Wochen ist allerdings kaum ein Zufall, sondern ist ungewöhnlich und ein „Unusual mortality event“ nach der Definition des US-amerikanischen Marine Mammal Protection Act: “a stranding that is unexpected; involves a significant die-off of any marine mammal population; and demands immediate response.”
In diesem Fall ist es zu unwahrscheinlich, dass drei oder gar vier Wale gleichzeitig eines natürlichen Todes gestorben sind. Eine andere natürliche Todesursache wäre eine Giftalgenblüte. Die hat es im Mittelmeer an dieser Stelle noch nie gegeben und es ist auch keine berichtet worden, eine blutrote Algenblüte wäre im dicht befahrenen und genutzten Mittelmeer aufgefallen. So hätten etwa sofort alle Fischereiaktivitäten ausgesetzt werden müssen, da Giftalgen auch für Menschen hoch giftig sind.
Auch eine Ölpest ist auszuschließen, sie wäre ebenfalls gesichtet und gemeldet worden.
Stattdessen haben Arda Tonay und seine Kollegen eine andere Vermutung für die Todesursache: Im Mai und Juni fanden Schieß-Übungen der US-Marine im östlichen Mittelmeer statt. Von der Marine eingesetztes LFAS-Sonar ist mittlerweile eine der wichtigsten Ursachen für ungewöhnliche Strandungen von Schnabelwalen (Pitman 2009), auch im Mittelmeer hat es dazu bereits mehrere Vorfälle gegeben (Filadelfo et al 2009).
Der griechische Wal-Experte Alexandros Frantzis war der erste Wissenschaftler, der den Zusammenhang zwischen Schnabelwal-Tod und Marine-Übungen nachwies und 1998 in der renommierten Fachzeitschrift Nature publizierte.
Den Nachweis für den Sonartod der wunderbaren Wale werden Arda Tonay und seine Kollegen nicht führen können: Dass Ohren und Gehirn durch Dekompressionskrankheit zerstört worden sind, kann nur bei frisch toten Tieren bewiesen werden, nicht aber bei verwesten. Aber die zeitliche und örtliche Korrelation von drei bzw. vier toten Walen mit dem Marineeinsatz ist zu stark, um zufällig zu sein.
Östliches Mittelmeer – Tiefseegräben als Schnabelwal-Lebensraum
Dass die True-Wale ausgerechnet im östlichen Mittelmeer unterwegs waren, ist kein Zufall. Der Meeresboden ist dort, an der Grenze der tektonischen Platten von Eurasia, Afrika und Arabia extrem tief und zerklüftet: “The earth’s lithosphere beneath the eastern Mediterranean constitutes a broad boundary region between three major tectonic plates, the Eurasia, Africa, and Arabia plates. […]The boundary between the Aegean plate and the Eurasia plate in central and northern Greece is diffuse.” Geodynamisch ist diese Gegend an Land und im Meer extrem aktiv, wie ja auch an den regelmäßigen Erdbeben erkennbar ist.
Das Mittelmeer hat eine durchschnittliche Tiefe von etwas über 1000 Metern, im östlichen Mittelmeer hingegen liegen bis unter 5000 Meter tiefe Stellen.
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