Schon wieder Schnabelwal-Schlagzeilen.
Diesmal aus der unwirtlichen Bering-See, dem äußersten Nord-Pazifik. Dort war im Juni 2014 auf der alaskanischen St. George-Insel ein 7,3 Meter langer Wal-Kadaver angespült worden.
Ein junger Biologie-Lehrer fand den schon tief im Sand eingesunkenen Wal an einem besonders einsamen Strand und alarmierte einen Meeressäuger-Experten, um das Tier zu identifizieren und Proben sicherzustellen. Die erste Diagnose lautete „Baird-Wal“. Eine genauere Untersuchung des Tieres zeigte dann allerdings einige Ungereimtheiten: Der Meeressäuger hatte abgenutzte Zähne, war also ein älteres, erwachsenes Tier. Allerdings war er mit 7,3 Metern viel zu klein für einen ausgewachsenen Baird-Wal, der mit 11 bis 13 Metern Länge der größte Schnabelwal ist.
Auch die Rückenflosse sah nicht „richtig“ aus: „Sie war größer, weiter hinten angesetzt und stärker gebogen“, erklärt die ebenfalls um Rat gefragte Meeresökologin Michelle Ridgway, eine Expertin für nordpazifische Meeressäuger. „Auch die Form der Kiefer und der Melone waren anders. Wir wussten, dass wir keinen uns bekannten Wal vor uns hatten!“ So schickte sie eine Gewebeprobe an Philipp Morin, einen Genetiker und Molekularbiologen des NOAA Southwest Fisheries Science Center.
Schnäbel, Knochenmehl, Gewebeproben und die Legende von karasu
Philip Morin war an diesen Proben außerordentlich interessiert. Denn erst 9 Monate zuvor hatten japanische Wissenschaftler ihn um Unterstützung gebeten. Sie hatten Resultate von 8 auf Hokkaido und den Aleuten gestrandeten Walen publiziert und vermuteten eine neue Vierzahnwal-Spezies.
Allerdings war ihre Stichprobe noch zu klein für den endgültigen Beweis.
Aber es gab starke Hinweise auf einen Wal, der der Wissenschaft noch unbekannt war. Seit 1940 hatten japanische Walfänger immer wieder von einem kleineren und schwärzeren Verwandten des Baird-Wals berichtet, den sie karasu – den„Raben“ – nennen. Sie hatten immer wieder Gruppen dieser kleineren Wale in der Nemuro Straße angetroffen, und nur in den Monaten zwischen April und Juni. Der größere, schiefergraue Baird-Wal hingegen war dort zwischen September und Oktober zu finden.
Morin wollte das Geheimnis um den Meeres-Rabens nun endlich lösen und trug mit einem größeren Team alle Berichte und Ergebnisse zusammen. So untersuchten sie DNA-Proben von 178 Schnabelwalen aus dem nordpazifischen Raum aus der umfangreichen Gewebedatenbank seines Instituts und fanden dabei 8 Exemplare der neuen Spezies. Zu den “ausgegrabenen” Beweisen gehörten Skelette und Schädel aus dem Smithsonian und Los Angeles County Museum of Natural History. Ein im Smithsonian ausgestellter Schädel war falsch etikettiert als Berardius bairdii, was erst einem japanischer Wal-Experten, der zu Besuch gekommen war, auffiel.
An der „Jagd“ nach dem neuen Wal waren japanische Experten, Bewohner von St. George wie Karin Holser, Studierende der Nachbarinsel St. Paul, Philipp Morin, Michelle Ridgway und weitere 14 Co-Autoren beteiligt. Dazu kam noch Experten aus Groß-Brittanien, Rußland und Frankreich. Morin schätzt, dass insgesamt mehr als 100 Personen dabei geholfen haben: “I would conservatively say probably over 100 people were involved in one way or another with this”.
Eine Gewebeprobe führte zu dem vollständigen Skelett, das in einer alaskanischen High school auf den Aleuten hing. Eine weitere gehörte zu dem 2014 auf St George gestrandeten Tier. Außerdem nahmen sie Knochenproben von vielen alten Museumsexemplaren und überprüften DNA-Proben von Walen aus dem Ochotskischen Meer noch einmal. Sie untersuchten Schädel und Schnäbel und durchsuchten die Aufzeichnungen der japanischen Walfangflotte. Weitere Proben stammten von Walfleisch auf japanischen Märkten.
“Die Herausforderung bei der Dokumentation dieser neuen Art war, genügend Exemplare und Proben für einen ausreichend großen Datensatz zu finden.“ erklärte Morin gegenüber der Presse. Insgesamt hat er jetzt fünf Exemplare in den USA und drei in Japan als „Nicht Berardius bairdii“ identifiziert.
Jetzt ist sicher: Der “Rabe” ist genetisch signifikant anders als der Baird-Wal.
Dabei ist interessant, dass der „Rabe“ aus dem Nordpazifik genetisch mehr dem antarktischen Arnoux-Wal ähnelt, als dem nordpazifischen Wal-Kompagnon.
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