„The tardigrade genome has been sequenced, and it has the most foreign DNA of any animal“ – „Das Genom der Tardigraden ist sequenziert worden – es hat den höchsten Anteil an fremder DNA, der je bei einem Tier gefunden wurde“ lese ich gerade auf der Seite der Astrobiology Virtual Society. Verlinkt ist ein Artikel von Science Alert mit dieser wirklich elektrisierenden Überschrift. Die Publikation dazu ist von 2015 und hatte mediale Wellen geschlagen.
Bei Begriffen wie „fremdartig“ und „Alien“ geht meine innere Alarmsirene los (wie beim angeblichen Alien-Genom des Octopus).
Bärtierchen, Moosbärchen, water bears oder Tardigrada (Langsamgeher) – diese Namen stehen für ein mikroskopisch kleines Tier, das immer wieder für große Schlagzeilen sorgt. Die winzigen Wesen leben im Wasser oder in feuchten Wald-Moosen, auch in unseren Wäldern. Trotzdem kennen die meisten Menschen sie nicht aus dem Wald, sondern aus dem Weltraum!
Bärtierchen sind nämlich die erfolgreichsten (mehrzelligen) Astronauten!
Ihr zartes Äußeres – sie sehen aus wie ein Gummibärchen mit einem überzähligen Beinpaar – täuscht gewaltig, die kleinen Verwandten der Gliederfüßer sind unglaublich tough. Sie überleben ihre totale Austrocknung, das Vakuum des Weltraums, radioaktive Bestrahlung und noch viel mehr Ungemach. Und einige Exemplare können sich nach solch rauer Behandlung sogar noch fortpflanzen.
Was steckt hinter der Meldung?
Eine Arbeitsgruppe um den Biologen Bob Goldstein (University of North Carolina) hatte erstmals das vollständige Genom eines Bärtierchens der Art Hypsibius dujardini entschlüsselt und dabei erstaunlich viele fremdartige Gene gefunden. Immerhin 6600 Gene hatte das Tierchen offenbar aus Bakterien, Pilzen, Pflanzen und Viren übernommen. Das waren 17 % des Gesamtgenoms, damit waren die Bärtierchen die neuen Rekordhalter mit Fremd-DNA. Die Wissenschaftler erklärten die Anwesenweit der fremden Erbmasse mit horizontalem Gentransfer.
Ein horizontaler Gentransfer (HGT) ist die „Übertragung von genetischem Material nicht […] von einer Generation zur darauf folgenden, sondern “horizontal” von einem Organismus in einen bereits existierenden anderen hinein.“ (Wikipedia). Also die Übertragung von DNA nicht durch Vererbung innerhalb einer Art, sondern die Übertragung von DNA auf eine fremde Art. Das Team um Boothby und Goldstein erklärte mit diesem Sensationsbefund die Vielzahl der ungewöhnlichen Eigenschaften der Tardigrada (Thomas C. Boothbya, et al: „Evidence for extensive horizontal gene transfer from the draft genome of a tardigrade“; Proceedings of the National Academy of the United States of America; vol. 112 no. 52; 15976–15981, doi: 10.1073/pnas.1510461112).
Ihre Zusammenfassung (Abstract) lautet:
“Horizontal gene transfer (HGT), or the transfer of genes between species, has been recognized recently as more pervasive than previously suspected. Here, we report evidence for an unprecedented degree of HGT into an animal genome, based on a draft genome of a tardigrade, Hypsibius dujardini. Tardigrades are microscopic eight-legged animals that are famous for their ability to survive extreme conditions. Genome sequencing, direct confirmation of physical linkage, and phylogenetic analysis revealed that a large fraction of the H. dujardini genome is derived from diverse bacteria as well as plants, fungi, and Archaea. We estimate that approximately one-sixth of tardigrade genes entered by HGT, nearly double the fraction found in the most extreme cases of HGT into animals known to date. Foreign genes have supplemented, expanded, and even replaced some metazoan gene families within the tardigrade genome. Our results demonstrate that an unexpectedly large fraction of an animal genome can be derived from foreign sources. We speculate that animals that can survive extremes may be particularly prone to acquiring foreign genes.”
Die Forscher hatten während ihrer Arbeit ein ganzes Bündel von Sicherheitsvorkehrungen getroffen, „um auszuschließen, dass durch Verunreinigungen Fremd-DNA in die Proben gerät und das Ergebnis verfälscht hätte. So haben sie ihre Versuchsbärchen auf eine strenge Algendiät aus einer kontrollierten Algenkultur gesetzt, um den Darm möglichst frei von Bakterien zu halten. Dann haben sie die mutmaßlichen fremden Gene auf charakteristische Eigenschaften wie Exons und Introns untersucht, die bei den meisten Einzellern nicht vorkommen. Außerdem haben sie in „aufwändigen Gensequenzierungen überprüft, ob die Fremd-DNA mit dem Genom der Bärtierchen physisch verbunden war.“
Aber: Waren diese Vorkehrungen gegen die Verunreinigung mit fremder DNA ausreichend?
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