Mark Blaxter, Professor für evolutionäre Genetik der University of Edinburgh, hatte so seine Zweifel und forderte ebenfalls Bärtierchen der Art Hypsibius dujardini . Seine Arbeitsgruppe führte eine zweite Genomanalyse durch. Mit einem völlig anderen Ergebnis: Sie fanden nur 500 Gene, die theoretisch von fremden Arten stammen könnten. Bei nur 37 dieser mutmaßlich fremden Gene konnten sie die fremde Herkunft zweifelsfrei nachweisen. Das ist eine ganz andere Größenordnung von Fremd-DNA.
Der Titel ihrer Publikation ist deutlich: „No evidence for extensive horizontal gene transfer in the genome of the tardigrade Hypsibius dujardini” (Georgios Koutsovoulos et al; Proceedings of the National Academy of the United States of America; vol. 113 no. 18; 5053–5058, 2016; doi: 10.1073/pnas.1600338113). Koutsovoulos et al hatten ihre Studie vor Abschluss des Gutachterprozesses schon vorab auf dem Preprint-Server biorxiv publiziert, um die Experten-Diskussion zu beginnen.
Sie kommen zu der Schlußfolgerung (Conclusion):
”Our assembly, and inferences from it, conflict with a recently published draft genome (UNC) for what is essentially the same strain of H. dujardini. Our assembly, despite having superior assembly statistics, is ~120 Mb shorter than the UNC assembly. Our genome size estimate from sequence assembly is congruent with the values we obtained by direct measurement. We find 15,000 fewer protein-coding genes, and a hugely reduced impact of predicted HGT on gene content in H. dujardini. These HGT candidates await detailed validation. While resolution of the conflict between these assemblies awaits detailed examination based on close scrutiny of the raw UNC data, our analyses suggest that the UNC assembly is compromised by sequences that derive from bacterial contaminants, and that the expanded genome span, additional genes, and HGT candidates are likely to be artefactual.”
Der hohe Anteil der fremden Gene der Goldstein-Arbeitsgruppe sei ein Artefakt, eine Verunreinigung. Bärtierchen sind winzig klein, es ist sehr schwierig, sie von fremder DNA zu reinigen.
Koutsovoulos et al hatten ihre Studie vor Abschluss des Gutachterprozesses schon vorab auf dem Preprint-Server biorxiv publiziert, um die Experten-Diskussion zu beginnen, jetzt ist der Beitrag auch nach dem offiziellen Peer-Review in den Proceedings of the National Academy of the United States of America erschienen.
Goldstein und Boothby hatten diese neue Studie schon beim “Vorabdruck” auf biorxiv kommentiert: “This paper reports an independent genome for the tardigrade Hypsibius dujardini and raises some reasonable concerns about contamination in our recent paper (1). We thought seriously about the possibility of contamination—it was of course the most likely initial explanation for the large amount of foreign DNA found in our assembly—and much of the analysis in our paper was designed specifically to address this issue.”
Beide Arbeitsgruppenleiter haben sich respektvoll über den jeweils anderen geäußert und wollten sich bis zum Abschluss einer Überprüfung nicht mehr zur Sache äußern. Goldstein und Boothby wollten ihre Ergebnisse noch einmal sorgfältig überprüfen.
Ich habe noch keine neuen Ergebnisse dazu gefunden.
Meine persönliche Einschätzung:
Ich halte eine Verunreinigung der Proben für wesentlich wahrscheinlicher als einen so umfassenden horizontalen Gentransfer.
Tardigraden sind schon ziemlich ungewöhnlich und bergen noch sehr viele Geheimnisse, aber letztendlich sind sie irgendwie mit Vorstufen von Gliederfüßern (Arthropoda) verwandt. Bärtierchen bilden gemeinsam mit Onychophoren (Stummelfüßern) die Proarthropoden und sind die Schwestergruppe der Arthropoda (Gliederfüßer). Ihre Entstehung verliert sich im Dunkel der Urzeit. Wie so viele andere unserer heutigen Tierstämme und großen Tiergruppen reichen die Wurzeln ihrer Verwandtschaft bis in die Kambrische Radiation zurück. So war ihr fossiler Vorfahr Aysheaia sogar Mitglied im Klub der exotischen Burgess Shale-Fossilgemeinschaft. Trotz ihrer ungewöhnlichen Fähigkeiten haben die Langsamgeher enge Verwandte und sind weder evolutiv noch genetisch so völlig anders als viele andere Arten.
Die Erklärung für ihre Widerstandsfähigkeit gegen äußere Einflüsse liegt viel eher an ihrer außergewöhnlich konstruierten Hülle (Cuticula), die (auch) noch weitestgehend unerforscht ist.
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