„Meertext“ hatte eine kurze Sendepause, wir sind 10 Tage in New Yorker und Washington vor allem durch Museen gestromert. Von dort habe ich nicht nur einen Stapel Bücher, sondern auch noch ein Füllhorn von Erlebnissen und Themen mitgebracht, die einige Blog-Einträge wert sind.
Mein Gesamteindruck: Der kleine Teil Manhattans, den wir gesehen haben, ist unermüdlich, schläft nie und ist extrem laut. Auf den Straßen liegen weder Hundekot noch Müll, jeder Hundebsitzer sammelt akribisch die Hinterlassenschaften seines Vierbeiners ein. Trotzdem hatte ich ständig den Eindruck, dass alles von einem schwarzen schmierigen Film überzogen ist. Die U-Bahn hat mich sehr an die Londoner Underground erinnert, irgendwie antiquiert, heruntergekommen, aber irgendwie funktioniert alles trotzdem.
New York: schwebender Wanderweg im Grünen, Dinosaurier und “Gorgon”.
Unser Hotel in New York lag sehr verkehrsgünstig an der Wall Street. Übrigens: In New York (und auch Washington) sind U-Bahn-Stationen absolut undercover. Die Beschilderung ist so dezent, dass sie fast nicht zu erkennen ist. Aber man kann ja fragen…
Die Ratten in den U-Bahn-Stationen New Yorks sind wirklich so wohlgenährt, wie immer behauptet wird. Die Tiere sind agil und haben ein glänzendes Fell, was für einen guten Ernährungszustand spricht. Die Küche ist in Manhattan international und abwechslungsreich, Restaurants und andere Geschäfte stellen – zumindest in Manhattan – ihren Müll in Säcken einfach auf die Straße. So haben die Ratten jederzeit Zugang zu einem umfangreichen Buffet mit All-you-can-eat-Angebot. Dass die kleinen Graupelzchen allerdings in den U-Bahn-Stationen schafende Leute überrennen, wie ich kürzlich in einer Dolumentation gesehen habe, habe ich nicht erlebt und bin auch recht glücklich darüber.
Allerdings wissen die schlauen und vorsichtigen Kleinsäuger um ihren Ruf und versuchen, unbemerkt zu bleiben. So sind sie gut von den nur wenig größeren Grauhörnchen zu unterscheiden. Wenn etwas schnell vorbeiläuft, versucht, sich dabei möglichst unauffällig zu verhalten und einen langen, nackten Schwanz hat, ist es eine Ratte. Ein grauer Mini-Vierbeiner mit puscheligem Schwanz, der sich mit herausforderndem Blick hinsetzt und Menschen aus großen Knopfaugen abschätzend anschaut, ist ein Hörnchen. Ohne Nüsse oder andere Bestechungsversuche bleiben sie außer Reichweite und posen auch nicht.
Von der Wall Street sind es nur ein paar Schritte bis zum Hafen und wir wohnten sehr dicht am South Street Seaport. Hier entsteht gerade ein kleines Museum zur bewegten Geschichte des Hafenviertels. Das erste Museumsschiff, ein Frachtsegler mit stählernem Rumpf, liegt bereits am Kai. Das Museum war leider noch nicht fertig, sieht aber vielversprechend aus.
Außer uns waren auch noch andere illustre Gäste in New York: Uns reichte ein kurzer Blick auf die Silhouette und die Farben des großen Kreuzfahrtschiffes, um die Grand Old Lady der Cunard-Line zu identifizieren – die Queen Mary lag hinter Governor´s Island!
Wir hatten eine teure Ausfahrt gebucht, die letztendlich nur zur Freiheitsstatue und zurück fuhr und sehr wenig Informationen, auch auf Chinesisch, bot. Letztendlich hätten wir bei einer Fahrt mit der Staten Island-Fähre nicht weniger gesehen, aber stattdessen vielleicht interessante Infos von Einheimischen bekommen können und wesentlich weniger bezahlt. Das Reich der vielen Inseln im vereinigten Ästuar des Hudson und East River sieht auch aus biologischer Sicht sehr vielversprechend aus, leider fehlte uns für die weitere Erkundung der Feuchtgebiete und Küstenlinien die Zeit.
Einen ausgezeichneten Blick über den Hafen bietet auch ein Spaziergang über die Brooklyn-Bridge, eine wirklich geschichtsträchtige und altehrwürdige Brücken-Konstruktion. Brooklyn, Manhattan und andere Stadtteile sind, wie in den meisten Städten, extrem unterschiedlich. Aber selten werden die Unterschiede so deutlich! Sonntag ist für dieses Brückenunternehmen übrigens der schlechteste Tag, denn dann findet auf den Fußgängerspuren eine Völkerwanderung statt. Die Brücke überspannt den East River, der ein Meeresarm mit Gezeiten und starkem Schiffsverkehr ist. Diese Situation machte den Bau der Brücke 1883 zu einem komplizierten Unternehmen, sie war damals die längste Hängebrücke der Welt. Als 1870 die ersten Aushubarbeiten für die gewaltigen Brückenpfeiler begonnen, erkrankten einige der Arbeiter an der Taucherkrankheit, darunter auch der Ingenieur Washington Roebling.
Wären wir 7 Tage später hinausgefahren oder über die Brooklyn-Brücke gelaufen, hätten wir dort einen Buckelwal getroffen! Direkt vor dem New Yorker Hafen im offenen Meer leben küstennah Buckelwale, es werden sogar Whale watching-Touren angeboten.
Die Buckelwal-Ansammlung in Sichtweite der Millionenstadt hat enorm zugenommen, seit der Fang von Atlantischen Menhaden (Brevoortia tyrannus) durch eine Fangquote erheblich eingeschränkt worden ist. Menhaden sind kleine Heringsartige, die das dort reichlich vorhandenen Plankton fressen. Der Stickstoffeintrag der Großstadt in den Atlantik dürfte dort für eine erhebliche Düngung des Wassers und reichlich Wachstum des Phytoplanktons sorgen und damit ein besonders reichliches Buffet für die höheren trophischen Stufen der Nahrungskette bieten.
2012 hatte die Atlantic States Marine Fishery Commission Fang den kleinen „Brotfisch“ der großen Wale, großen Fische und Seeadler, der mikroskopisch kleines Phytoplankton in fettes Fischfilets mit reichlich Omega-3-Fettsäuren umwandelt, unter Schutz gestellt. Menhaden waren zwar nie gut genug als Speisefisch, wurden aber kommerziell reichlich gefischt für Tierfutter, Hummerköder, Aquakultur-Futter und Fischöl-Nahrungsergänzungsmittel.
Und nun, nach drei Jahren Fangbeschränkung, sind die Bestände der kleinen Fische offenbar enorm gewachsen, so dass sie eine erstaunlich große Menge Buckelwale anziehen. In diesem Herbst waren mehrfach Buckelwale von New York aus zu beobachten gewesen, dass es nun Gotham Whale gibt, die den Bestand dokumentieren, beobachten und Whale watching-Touren anbieten. Immerhin haben sie auch schon einen Photo-ID-Katalog mit den schönsten Fluke-ups vor New York.
Eines der Tiere hatte sich in den New Yorker Hafen verschwommen. Leider war der Wal gestrandet und, verletzt und halb verhungert, in einem so schlechten gesundheitlichen Zustand, dass er eingeschläfert worden ist. So traurig der Tod eines Wals für mich ist, so erleichtert bin ich, dass den Veterinären mittlerweile Möglichkeiten zur Verfügung stehen, ein 20-Tonnen-Tier mit Medikamenten sanft einschlafen zu lassen.
Das American Museum for Natural History (AMNH) in New York war für mich einfach überwältigend! Mein Interessensschwerpunkt lag natürlich auf den Dinosauriern und sonstigen Fossilien. Die Halle der Saurischier mit Sauropoden und einer ganzen Reihe Raptoren, die Halle der Ornitischier mit Parasaurolophus, Triceratops und den Entenschnabel-Dinos inklusive einer Mumie, eine Sonderausstellung zum Titanosaurus – dem Panorama-füllenden Riesen, eine Halle für Reptilartige Säuger und fossile Säuger und noch eine Halle mit Fossilien mariner Tetrapoden und der Dokumentation des Landgangs am Tiktaalik. Tiktaalik ist berühmt geworden durch Neil Shubins Buch „Der Fisch in uns“ und war für mich darum auch ein wichtiger Museumsinsasse, klein aber fein.
Die wunderschön restaurierten und sehr ästhetisch angelegten Dioramen in der Halle der Ozeane waren für mich natürlich auch ein absoluter Hingucker. Dioramen sind zwar eine Museumsmethode von gestern, haben aber nach wie vor eine große Anziehungskraft. Sie sind Schaufenster der einzelnen Ökosysteme, Guckkästen komplexer ökologischer Zusammenhänge mit künstlerischer Qualität. Die Meeresdioramen in diesem Museumsozean reichten vom Ästuar vor der Haustür bis zum Mangrovensumpf, vom Kelpwald der Sargassosee bis zur Hydrothermalquelle und einem Whalefall vor der kalifornischen Küste. Durchsichtige Meeresorganismen und eine ganze Schule Delphine. Didaktisch sehr sorgfältig ausgearbeitet, mit kurzen, knackigen Sätzen und aktivierenden Fragen und Arbeitsaufträgen. Oder auch einfach nur zum Angucken und Staunen. An fast jedem Diorama hing zudem eine kleine Plakette, wer die Restaurierung dieses Dioramas finanziell ermöglicht hatte.
Und über allem hängt der berühmte Blauwal! Sein Vorgänger war um 1907 einer der herausragenden Eyecatcher im Museum, schließlich war es eine Herkulesaufgabe, mit Holzgerüsten, Leinwand und anderem damals üblichen Material so ein gewaltiges Tier als Vollplastik nachzubilden. Das heute dort schwebende Wal-Modell ist deutlich eleganter und natürlicher, schließlich gibt es heute unzählige Unterwasser-Aufnahmen der Wale und moderne, leichter zu verarbeitende Materialien.
Ein absolutes „Must-have-been“ ist natürlich diese unglaublich große Buchhandlung mit den 18 miles of books. Dort und im Natural History Museum in Washington habe ich einen kleinen Stapel Bücher über Dinosaurier-Forscher und Säugetier-ähnliche-Reptilien-Forscher mitgehen lassen, in dem ich jetzt ganz glücklich schmökere. Diese Berichte von und über Paläontologen finde ich besonders interessant, weil sie die Evolution der Forschungsgeschichte und Gedankengänge abbilden. Das ist für mich ein wichtiger Kontext, um zu verstehen, wie Hypothesen entstehen, bewiesen und widerlegt werden und ein Beleg für die Verknüpfung von Zeitgeschichte und Wissenschaftsgeschichte.
Mein Wermutstropfen: Peter Ward´s “Gorgon” hätte ich VOR dem Museumsbesuch lesen müssen, dann hätte ich den Therapsiden noch viel mehr und fundierter meine Aufmerksamkeit schenken können. “Gorgon” ist einfach großartig. Bücher über Dinosaurier gibt es viele, aber nur wenige über Therapsiden, die säugetierähnliche Reptilien. Sie sind viel älter als die Dinosaurier und die Gruppe, aus der wir Säugetiere letztendlich und viel später hervorgegangen sind. Das gigantische Massenaussterben an der Perm-Trias-Grenze
hat sie fast ausgelöscht. Sie haben schwere Köpfe mit schrecklich aussehenden Zähnen, ihre Gebisse sind bereits mit verschiedenen Zähnen bestückt! Mit oft riesigen Eckzähnen! Ganz anders als die gleichförmig geformten Zähen der echten Reptilien. Schultergürtel und Vorderextremität sind sehr schwer gebaut, sie haben das Gewicht des Kopfes getragen und dienten der Steuerung. Die leichter gebauten und unter dem Körper stehenden Hinterbeine haben den Vorschub gebracht, Therpasiden sind also eine Art Schubkarrenprinzip auf vier Beinen. Ward hat sich mit dem Massenaussterben dieser Tiergruppe beschäftigt und dazu in der berüchtigten Karoo in Südafrika gegraben. Neben den spannenden Einblicken in die Feldarbeit in einer solchen Halbwüste gibt er auch sehr persönliche Gedanken preis. Er beschreibt die zunächst herrschende Hochstimmung zu Projektbeginn, eine faszinierende Feldarbeit durchzuführen und die durch Kälte, Hitze, Zecken, extrem schwere Arbeit oder auch Nicht-Fossilien-Finden fortschreitende Frustration im Laufe eines Tages oder einer Grabungskampagne. Gleichzeitig beschreibt er auch die Situation im Südafrika der Apartheid und die Veränderungen im Land nach dem Ende der Apartheid aus seiner Außenperspektive und gibt einen Abriß über die noch junge Forschungsrichtung dieser sehr altertümlichen Echsen, die an so wenigen orten der welt zu finden sind. Seine Ausführungen über das Massensterben an der Perm-Trias-Grenze und die interdisziplinäre Untersuchung dieser gewichtigen Frage sind wirklich lesenswert. Allerdings spielt die Gruppe der Gorgonen im Buch nur eine winzig kleine Rolle, aber das macht nichts. Als Titel ist “Gorgon” sicherlich wesentlich zugkräftiger als “Lystrosaurus”, das sehe ich Peter Ward gern nach.
Ein Highlight ganz anderer Sorte ist der Spaziergang über die High Line in Chelsea. Die High Line ist ein öffentlicher Park bzw. Wanderweg auf einer historischen Frachtzugstrecke am Ufer des Hudson, hoch über dne Straßen von Manhattan’s West Side. Zwischen Gansevoort Street im Meatpacking District bis zur West 34th Street, etwa auf der Höhe des Flugzeugträgers “USS Intrepid”. Der Meatpacking District, ein Gewerbegebiet im Westen von Manhattan am Flußufer wurde 1847 durch die Eisenbahntrasse der West Side Freight Line erschlossen. Wegen der häufigen Unfälle mit Fußgängern und Fahrzeugen einigten sich die New York Central Railroad, die Stadt und der Staat New York 1929 im Zuge eines Stadterneuerungsprogramms darauf, die Strecke auf eine Brücke zu verlegen. In den 1950-er Jahren nahm die Bedeutung dieser Frachtzug-Linie ab, 1980 fuhr der letzte Zug. Teile der Strecke wurden abgerissen, aber dann bildeten 1999 Anwohner die Initiative Friends of the High Line zum Erhalt des Bauwerks. Und so ist es heute eine Park-Wander-Kunst-Brücke mit Blick in mittlerweile sehr schicke Chelsea, auf die Galerien des Meatpacking-Districts, auf den Hudson und New Jersey auf der anderen Flußseite – eine Oase der Erholung mit Bepflanzung und Kunstwerken.
In den vier Tagen haben wir einen kleinen Teil Manhattans und einen winzigen Teil dieser Weltstadt mir ihren mehr als 12 Millionen Einwohnern gesehen. Manhattan mit seinen Wolkenkratzern ist nur eines der vielen Gesichter dieser Stadt, andere Stadtteile bewegen sich zwischen Villenvierteln mit Parkanlagen über rote Backsteinwüsten bis zum heruntergekommenen Slum-ähnlichen Distrikt.
Was uns tief bewegt hat, waren die demonstrierenden Menschen, die etwa vor den Museen standen oder die wir in der U-Bahn an ihren Plakaten erkennen konnten. Sie schwanken zwischen Wut, Fassungslosigkeit und Verzeiflung. Gut gekleidete, sicherlich nicht arme Menschen, die sich in nachdrücklichem aber nicht aggressivem Protest von Trump distanzieren: “Not my president!”. Einen solchen Protest von solchen Bevölkerungsgruppen habe ich noch nie nach einer Wahl erlebt, es war beklemmend. Mit vielen Menschen sind wir ins Gespräch. Es ist nicht einfach so, dass es politisch unterschiedliche Meinungen gibt. Es ist vielmehr eine tief greifende Fassungslosigkeit gegenüber einem Rüpel, der sich um keinerlei Maßstäbe von Anstand schert.
Ein widerwärtiges Individuum, das im Interview lachend sagt, er könne jeder Frau in die “Pussy” greifen, weil er so reich ist. Ein Mensch, der einer Journalistin, die kritische Fragen stellt, unterstellt, ihr liefe das Blut aus den Augen und anderen Körperöffnungen, um auszudrücken, dass sie aufgrund von Menstruationsproblemen einfach schlecht drauf sei. Der über seine Tochter nur zu sagen weiß, dass, wenn sie nicht seine Tochter wäre, er sie daten würde. Über Donald Trump wird in der deutschen Presse sehr kritisch geschrieben. Was mir Unbehagen verursacht, sind die Kommentatoren, die Trumps Sprüche und Handlungen relativieren und nicht nachvollziehen können oder wollen, wofür dieser Mann steht. Aus den oben genannten drei kurzen Beispielen geht für mich jedenfalls eindeutig hervor: Er steht für ein sexistisches Arschloch. Dafür habe ich kein Verständnis. Und bei der macht, dieser Mensch bald haben wird und bei den Personen, mit denen er andere Machtpositionen besetzt, wird mir übel.
Soweit zum New York-Besuch, der Bericht aus Washington kommt demnächst.
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