Weit entfernt von der Sonne zieht der Saturn-Mond Enceladus seine Bahnen, seine Oberfläche ist mit Eis gepanzert.
Saturn hat eine ganze Reihe von Monden, der mit Abstand größte ist Titan mit 5150 Kilometern Durchmesser. Alle weiteren stehen weit dahinter zurück und haben nur Durchmesser zwischen 200 und 1500 Kilometern, Enceladus ist mit 502 Kilometern recht klein. Vor der Cassini-Mission betrachteten Wissenschaftler den kleinen Saturn-Trabanten im E-Ring als eher uninteressanten Eisball.
Seit Cassinis spektakulären, unerwarteten Daten ist Enceladus nun – wie auch der Jupitermond Europa – ein extrem interessanter Kandidat für eine exobiologische Erkundung geworden.
Ein extraterrestrischer Ozean ist ein meertext-Thema!
Der größte Teil dieses Beitrags stammt aus dem hervorragenden Vortrag „Hydrothermalquellen im äußeren Sonnensystem? Die Raumsonde Cassini erforscht den spektakulären Saturnmond Enceladus“ von PD Dr. Frank Postberg am 13.12.2016 auf der Starkenburg-Sternwarte.
Weitere Details stammen aus dem Beitrag (Scientific American Article (in October 2016 issue) von Frank Postberg, Gabriel Tobie and Thorsten Dambeck – s. u.) und einigen Publikationen (die Quellen kommen am Schluß des 2. Teils).
Wie findet man einen außerirdischen Ozean?
Die Dichte eines Himmelskörpers lässt sich im Vorbeiflug messen, aus der Ablenkung der Sonde durch die Anziehungskraft. Enceladus hat eine geringe Dichte von 1.61 Gramm/Kubikmeter. Dieser kleine Mond kann unmöglich aus massivem Gestein bestehen. Der Gesteinskern misst etwa 320 bis 420 Kilometer im Durchmesser und ist wahrscheinlich porös.
Und woraus besteht der Rest? Bei Himmelskörpern im äußeren Sonnensystem ist Eis der häufigste Baustoff. Auch bei Enceladus war das wahrscheinlich.
Allerdings kam schon 2005 eine Diskussion über mögliche flüssige Ozeane auf. Cassini hatte nämlich am tektonisch aktiven Südpol Fontänen aus Wasserdampf und Eis beobachtet.
Diese Eis-Fontänen sind sehr schwierig zu photographieren, weil die Eispartikel sehr klein sind. Das macht sie in direktem Licht unsichtbar, nur in diffusem Licht werden die zarten Schleier aus Eis und Wasserdampf sichtbar.
Zunächst war auch noch nicht sicher, ob in den Fontänen Eis zu flüssigem Wasser schmilzt oder ob das Eis sofort sublimiert. Cassini hat beim Durchfliegen der eisigen Säulen dann aber ganz klar flüssiges Wasser nachgewiesen. Dazu kamen noch Gase wie 95% Wasserdampf und kleinere Anteile von CO2 und NH3.
Der Cosmic Dust Analyzer, mit dem Frank Postberg seit 2004 arbeitet, hat Staubkörner der besonderen Art nachgewiesen: Eispartikel. Alle kleinen Partikel fallen unter die Definition kosmischer Staub, Eispartikel bleiben genauso im CDA hängen wie andere kleine Teilchen. Die Analyse im Massenspektrometer hat ergeben, dass einige der Teilchen auch salzreich waren: Natriumchlorid (Kochsalz), Hydrogenkarbonat, Natriumcarbonat (Soda) und Kaliumchlorid. Solche Salze sind niemals in Eis zu finden, sondern nur in flüssigem Wasser, das Kontakt mit Gesteinsflächen hat. Das Wasser wäscht die Salze aus dem Gestein, sie bleiben dann gelöst in der Wassersäule. Diese Salze waren der stärkste Hinweis auf einen Ozean und dessen Gesteinsboden.
Fontänen aus Wasserdampf, Nano-Eis, Salzen und Silizium-Verbindungen am Südpol
Unter dem Eis des kleinen Mondes schwappt also ein Ozean aus flüssigem Salzwasser. Durch das dicke Eis geschützt vor der absoluten Kälte des Weltraums.
Doch wie lässt sich erforschen, was in der Tiefe eines extraterrestrischen Meeres brodelt?
In diesem Fall hilft Enceladus bei der Probennahme selbst mit und schleudert Ozean-Proben in den Weltraum.
Die Eispartikel sind winzig klein, zwischen 2 und unter 10 Nanometern. Wegen der geringen Größe der eisigen Staubpartikel haben die Wissenschaftler es für ungefährlich gehalten, Cassini direkt durch einen Geysir aus Wasserdampf, Eispartikeln und anderen Bestandteilen hindurch fliegen zu lassen, um noch bessere Daten einzufangen.
Wie entstehen nun salzreiche Eispartikel?
Wahrscheinlich durch aufsteigende Gasblasen, möglicherweise CO2, aber das ist noch ungeklärt. Gasblasen nehmen auf ihrem Weg nach oben die im Wasser gelösten Salze mit – wie extraterrestrische salzige Champagnerblasen. Beim Durchbrechen des Eises ist das Wasser schätzungsweise um 10°C warm. Bei höherer oder niedrigerer Wassertemperatur müsste das durchbrechende Wasser im Eis andere Spuren hinterlassen.
Am Südpol, wo das Eis besonders dünn ist, haben die Nano-Eispartikel noch eine andere Zusammensetzung: Sie enthalten Siliziumdioxid!
Auch diese Silikatverbindungen müssen aus dem Gestein des Meeresbodens stammen. Ungewöhnlich ist allerdings, dass sie keine Metall-Anteile haben. Denn die meisten Gesteine enthalten auch Metalle wie Eisen, die beim Auswaschen von Salzen und anderen Bestandteilen mit ausgelöst werden müssten. Könnten heiße Quellen am Meeresboden die Erklärung sein? Aber auch hydrothermale Quellen werfen fast immer verschiedene Metalle mit aus.
Ein Forscherteam um Yasuhito Sekine (Universität Tokio) hat im Labor experimentiert, wie Partikel dieser Zusammensetzung und Größe entstehen könnten (Hsiang-Wen Hsu, Frank Postberg, Yasuhito Sekine et al.: “Ongoing hydrothermal activities within Enceladus” (2016), s. u.). Die wahrscheinlichste Erklärung für die Zusammensetzung der Südpol-Plumes auf Enceladus ist, dass hier Hydrothermalquellen vom „Lost City“-Typ aktiv sind:
- heißes Wasser (um 90°C) wirft große Mengen an Siliziumdioxid aus
- beim Abkühlen des Hydrothermal-Wassers fallen die Silizium-Verbindungen aus
- bei basischen Lösungen und geringem Salzgehalt wie im Enceladus-Ozean kann es zur Bildung von Partikeln kommen, die den Nano-Bereich nicht überschreiten.
„Lost City“-Hydrothermalquellen unterscheiden sich grundlegend von den bekannteren Black Smokern, dazu später mehr (im 2. Teil).
Ozeanischer Steckbrief von Enceladus
Bisher ist bekannt:
Enceladus´ Ozean ist basisch mit einem pH-Wert von 8,5 bis 11.
Sein Salzgehalt liegt zwischen 0,5 und 4 Prozent (zum Vergleich: irdische Ozeane haben durchschnittlich um 3,5 Prozent Salinität).
Der Ozeanboden liegt etwa 70 Kilometer unter der Oberfläche.
Das Eis ist am Äquator bis zu 35 Kilometer dick, am Südpol weniger als 5 Kilometer.
Zwischen Eis und Ozeanboden ist ein globaler Ozean.
Durch den großen Temperaturgradienten im Ozean und an der Grenzschicht zur Eisoberfläche sind starke thermale Umwälzungen sehr wahrscheinlich. Die SiO2-Partikel werden vermutlich durch hydrothermale Aktivität bei mehr als 90°C innerhalb des porösen Gesteinskerns erzeugt. Und: Der Ozean ist reich an flüchtigen und festen organischen Verbindungen, darunter Methan!
Die Oberflächentemperatur des Wassers liegt bei 0°C.
Das ist für Astrobiologen ein besonders wichtiger Aspekt, schließlich ermöglichen diese Kohlenstoff-Verbindungen die Evolution von Bausteinen des Lebens.
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