Hier kommt der versprochene 2. Teil von „Astrobiologie: Hydrothermalquellen auf Enceladus (1)“

E-Ring, Tigerstreifen und innere Energie

Der kleine Eismond Enceladus ist der hellste Punkt im E-Ring des Saturns. Seine Eis-Fontänen produzieren die Eispartikel für den E-Ring aus. Enceladus ist zwar nicht die einzige Eis-Quelle, trägt aber wesentlich zum E-Ring bei.
Diese Eis-Fontänen sind aufgrund der geringen Partikel-Größe sehr schwierig zu photographieren. In direktem Licht sind sie unsichtbar, nur in diffusem Licht werden die zarten Eis-Dampf-Schleier sichtbar.
Ein Teil der feinen Eisstückchen landet im E-Ring, der größte Teil des Eises gelangt aber nicht so hoch hinaus, sondern fällt als Schnee zurück auf die Mond-Oberfläche.
Dieser Schneefall ist fein, aber beständig.

https://www.jpl.nasa.gov/spaceimages/images/largesize/PIA00498_hires.jpg

Stereoskopische Aufnahme der Enceladus-Oberfläche (NASA)

Ein Wissenschaftlerteam hatte Aufnahmen der Oberfläche so übereinander montiert, dass sie ein stereoskopisches Bild ergaben und damit Reliefs der Oberfläche erstellt. Enceladus` Eis-Oberfläche zeigt keine scharfen Kanten! Die ferne Eis-Landschaft erscheint weich gezeichnet. Die einzige Erklärung dafür sind Schneefelder mit einer Mächtigkeit von mehr als 100 Metern. Bei der derzeit sehr niedrigen Schneefallaktivität würde der Aufbau von 100 Metern Schneedecke sehr, sehr lange dauern, möglicherweise Jahrmillionen. Ein so langer Zeitraum der ungestörten Schneeablagerung ist aber wegen der tektonischen Aktivität eher wenig wahrscheinlich.

https://www.jpl.nasa.gov/edu/images/news/enceladus_tigerstripes.gif

Enceladus´Tigerstreifen (NASA)

Die Quellregion des Kryovulkanismus ist definitiv der Südpol des Mondes. Der Südpol hat so wenige Krater, dass die meisten Planetologen die Oberfläche auf ein Alter von nur wenigen Hundert Jahren schätzen. Dafür sind hier andere Strukturen zu sehen, die Anzeichen für tektonische Prozesse sind: Die Tigerstreifen.
Diese Streifen im Eispanzer sind Rift-Strukturen: Ein Riß im Eispanzer wird, wie eine Grabenbruch-Struktur, auf beiden Seiten von einer Eis-Auftürmung flankiert.
In der Nähe der Tigerstreifen ist die Wärmeabstrahlung viel höher als an anderen Stellen: Ist es auf Enceladus am Äquator – 200 °C kalt, zeigen die Tigerstreifen kuschelige -75 °C.  Das spricht für offenes Wasser aus dem warmen Ozean unter der Eisdecke.
Woher kommt die Energie im Innern des kleinen Eismondes, die das Eis zu einem Ozean schmilzt?

Es handelt sich um Gezeitenkräfte. Auf seiner exzentrischen Umlaufbahn wird Enceladus von den Gezeitenkräften Saturns durchgewalkt. Die Resonanz mit dem Saturnmond Dione sorgt dafür, dass der Orbit exzentrisch bleibt. Darum ist auch die Aktivität der Tigerstreifen-Eiskanäle variabel, denn die Kanäle öffnen und schließen sie sich mit den Gezeitenkräften. Am saturnfernsten Punkt ist die Aktivität am höchsten.
Durch die Reibungskräfte des Gesteins im wassergefüllten porösen Kern entsteht dann die Wärme. Eine zusätzliche mögliche Wärmequelle könnten chemische Reaktionen wie eine Serpentinisierung sein. Wenn exordiales Gestein auf Wasser trifft, kommt es zu einer Serpentinisierung, eine exotherme Reaktion. Lokal könnte so auch H2 entstehen, was ein Nachweis für die Serpentinisierung wäre.

(Anmerkung meertext: Der scheinbare Widerspruch zwischen einer über einen langen Zeitraum ungestörten Schneeablagerung und einer tektonisch aktiven und somit sehr jungen Oberfläche am Südpol entsteht durch unterschiedliche Interpretation der Daten durch unterschiedliche Arbeitsgruppen. Es besteht ja auch die Möglichkeit, dass der Schneefall zeitweise stärker war oder ist. Ich persönlich halte es sogar für recht unwahrscheinlich, Schneefall als Konstante anzunehmen.)

Cassini-Huygens war 1997 gestartet und kam 2004 in der Saturn-Umlaufbahn an. Nachdem sich abzeichnete, dass Cassini sensationelle und völlig unerwartete Daten sendete, haben die beteiligten Institutionen die Mission immer wieder verlängert. Jetzt soll 2017 wirklich Schluss sein, denn die Sonde hat bestenfalls noch 40 Kilogramm Treibstoff. Voraussichtlich im September 2017 soll Cassini dann kontrolliert auf den Saturn abstürzen und dabei verglühen. Allerdings werden ihre  Instrumente in dieser extremen Nähe noch einmal auf vollen Touren laufen und ganz bestimmt wieder spektakuläre Daten zur Erde funken.


Lost City – Weiße Raucher auf dem Mittelatlantischen Rücken

https://oceanexplorer.noaa.gov/explorations/05lostcity/background/overview/media/fig3.jpg

Lost City (NOAA)

Die jetzt auf Enceladus entdeckten Vorgänge erinnern an irdische „Lost City“-Hydrothermalquellen auf dem Mittelatlantischen Rücken.
Anders als die mehrere Hundert Grad heißes Wasser und Schwermetalle ausstoßenden Black Smoker sind die „Lost-City“-Schlote weiß! Sie bestehen aus Kalkstein. Ihre Temperatur ist mit 90° C noch recht gemäßigt, reicht aber für Oasen des Lebens in der absoluten Dunkelheit der Tiefsee.
Im Dezember 2000 fuhr eine Expedition der National Science Foundation einen  Survey entlang des mittelatlantischen Rückens. Plötzlich tauchte ein ganzes Feld mit 30 bis 60 Meter hohen Strukturen auf dem Meeresboden auf. Grazile sinterweiße Gebilde, aus deren oberen Spitzen kochend heiße Flüssigkeit strömte.
Eine vollständig neue Art der Hydrothermalquellen!
2003 kehrten die Unterwasser-Vulkanologin Deborah Kelley und ihr Team für eine detaillierte Untersuchung zurück und kartierten die weißen heißen Tiefseequellen.

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Kommentare (18)

  1. #1 rolak
    28. Dezember 2016

    Skyline einer Stadt

    Spielt der Begriff nicht evtl auch mit dem KonzeptLost City‘, bekannt aus ungezählten SciFi-Plots und -Illustrationen?

  2. #2 Bettina Wurche
    28. Dezember 2016

    @rolak: Da hast Du sicherlich recht, rolak, danke, ich hab´s korrigiert. Ich habe zur Herleitung an keiner Stelle etwas gelesen, habe mich aber auch nicht so tief eingelesen.

  3. #3 tomtoo
    28. Dezember 2016

    Ich finde einfach nicht in welcher Tiefe “lost city” liegt ?

  4. #4 RPGNo1
    28. Dezember 2016

    Wenn ich diesen und andere Texte über mögliche habitable Zonen in unserem Sonnensystem lese, dann wäre ich nicht überrascht, wenn irgendwann doch noch weiteres Leben auch außerhalb der Erde in diesem System entdeckt würde. Womöglich nicht mehr während meiner Lebenszeit und höchstwahrscheinlich nur im mikroskopischen Maßstab, aber trotzdem!

    Weiße Raucher, schwarze Raucher, Extremophile (z.B. Deinococcus radiodurans) und was weiß ich noch… Die Natur ist sehr viel erfindungsreicher und vielfältiger, wenn es um das Leben an sich geht, als man es sich noch vor wenigen Jahrzehnten hat vorstellen können.

  5. #5 Bettina Wurche
    28. Dezember 2016

    @tomtoo: Relativ flach: 700 – 800 Meter Tiefe
    https://www.noaanews.noaa.gov/stories2005/s2480.htm

  6. #6 Bettina Wurche
    28. Dezember 2016

    @RPGNo1: Sehe ich genauso – es wird noch richtig spannend : )

  7. #7 tomtoo
    28. Dezember 2016

    @RPGNo1
    Ich finde das macht das Nachdenken über mögliches Leben, gleich exponentiell Spannender. Gerade Enchelados so ein “kalter Zwerg” und doch bedingungen auf denen irdisches Leben evtl. lebensfähig wäre.

  8. #8 tomtoo
    28. Dezember 2016

    @Bettina
    Vielen Dank ! Ich hab wirklich gesucht. Das würde ja sogar mit dem Druck passen. : )

  9. #9 rolak
    28. Dezember 2016

    korrigiert

    Korrigieren muß ich mich auch, Bettina: Das Konzept durchzieht ja die gesammelte phantastische Literatur, nicht etwa ausschließlich die SciFi – also auch Fantasy (zB Quatermain II), Horror (zB Lovecrafts Cthulhu-Residenzen) oder alternate History (kenn ich zuwenig von).

  10. #10 Bettina Wurche
    28. Dezember 2016

    @Tomtoo: Bei NOAA findet man fast alles : ) Und den Druck für Enceladus hatte Luk ja schon vorgerechnet.

  11. #11 tomtoo
    29. Dezember 2016

    Superspannend sogar. Methanogene die als “Futter” für andere dienen könnten.
    https://oceanexplorer.noaa.gov/explorations/05lostcity/background/microbial/microbial.html

    Bei ähnliche Lebensbedingungen die evtl. in Enchelados herrschen könnten.

    Ok evtl. und könnten, aber egal allein der Gedanke !

  12. […] Was haben rauchende weiße Schlote in den Tiefen des Ozeans mit einem Mond des Saturn zu tun? Eine Menge, wenn man sich überlegt, dass beides eher unwirtliche Orte zum Leben sind, erstere aber genau dies sind. Und da drängt sich die Frage auf, ob unsere Definition von Lebenswert vielleicht etwas zu eng gefasst ist. Mehr bei Meertext. […]

  13. #13 tomtoo
    30. Dezember 2016

    @all and Bettina
    Ich wünsche euch einen gute Rutsch und eon frohes neues !
    Mögen euch di

  14. #14 tomtoo
    30. Dezember 2016

    Mist ! Sry!
    Mögen euch die methanogenen Archaaeon (oder wie sie heisen) wohl gesonnen sein ihr O2 atmer ! 😉

  15. #15 Alderamin
    3. Januar 2017

    @Bettina

    JUICE – Jupiter Icy Moons Explorer. Die Mission soll 2022 starten und 2023 am Jupiter ankommen. Dort soll sie Ganymed, Callisto und Europa erforschen. An Europa wird es leider nur ein Flyby geben

    Wobei sich an den neulich bestätigten Fontänen von Europa vielleicht ein wenig Wasser im Vorbeiflug aufschnappen lässt. Der Lander kommt dann aber hoffentlich bald mit dem Europa-Clipper (siehe auch hier und hier)

  16. #16 Bettina Wurche
    3. Januar 2017

    @Alderamin: Jawoll! Da hoffen wir alle ´drauf!

  17. #17 Bettina Wurche
    3. Januar 2017

    @tomtoo: Dir auch ein frohes Neues Jahr!
    Die kleinen Extremisten heißen methanogene Archaeen und sie sind uns mitnichten immer wohlgesonnen. Sie kommen in “anaeroben Sedimenten, Verdauungstrakten von Tieren und im menschlichen
    Körper” vor und stehen im Verdacht, für Fettleibigkeit verantwortlich zu sein:
    https://www.imw.bio.uni-mainz.de/files/2013/06/Anna_Jeremias.pdf
    “Verdauungstrakten von Tieren und im menschlichen Körper” – der Text stammt offenbar von einer Medizinerin, Biologen würden niemals nach dem tierischen Bezug Homo sapiens gesondert anführen.

  18. #18 biotec4u
    24. Januar 2017

    … der Saturn ist ja in unserem Sterne System GEGEN die ganze Abfolge von Planeten geneigt. Dieses eisige Verhalten spüren wir auch in der Anormalität von unserem Wasser bei MINUS 4 GRAD.

    Und die Hydrothermalquellen sind dann wohl der Anfang des bunten Vivariums wie es in den heißen Geysiren im hohen Norden als Ursuppe vorkommt – brauchen wohl noch den Blitz von Zeus als Starter der Elektroforese.

    Er ist mit seinen bunten Ringen wohl der PRAHLHANS und Schönste.

    … Schönheit die von Innen kommt – biotec4u