Der Plot von „Arrival“ ist ein Erstkontakt-Szenario: Einige Außerirdische sind auf der Erde gelandet, das Militär hat die Landestellen abgeriegelt und sucht nun Hilfe bei einigen Wissenschaftlern, um eine Kommunikation mit den Aliens zu beginnen. Soweit nicht ungewöhnlich.
Die Aliens sind an zwölf Stellen auf der ganzen Welt gelandet und nicht nur in den USA. Das ist schon ungewöhnlicher.
Am Landeplatz in den USA haben die Linguistin Dr. Louise Banks und der Astrophysiker Dr. Ian Donnelly die Federführung. Sie stehen in Kontakt und Austausch mit den anderen Landeplätzen auf der ganzen Welt und tauschen sich mit ihren Kollegen aus, jeder steuert Puzzleteile bei, die ein immer größeres Bild ergeben.
Wirklich ungewöhnlich sind die zeitlichen Ebenen, die sich einschieben und verschieben, und schließlich zu einem wesentlichen Faktor werden.
Ein ungewöhnliches Erstkontakt-Szenario mit intelligenten Dialogen und Handlungen der Hauptakteure. Die „Action“ steckt in den Dialogen und der konzentrierten Arbeitsweise der Hauptpersonen, die ich wesentlich aufregender fand als jede Raumschlacht, Verfolgungsszenen und sonstige körperliche Action.
Und nur der Kanarienvogel ist Zeuge…
Ménage a cinq – Der Colonel, die Linguistin, der Astrophysiker und zwei Heptopoden
Die beiden Hauptpersonen sind Wissenschaftler: Die Linguistin Dr. Louise Banks und der Astrophysiker Dr. Ian Donnelly.
Normalerweise reichen für die Darstellung eines Wissenschaftlers in einem Hollywood-Film eine Brille, der unentwegte Gebrauch einiger Fremdworte und ein irgendwie freakiges Auftreten mit schrägen Hypothesen zur Chaos-Theorie, pseudo-intellektuelles Geschwätz oder ähnliche Charakteristika.
Louise Banks macht zunächst einen etwas weltfremden Eindruck. Sie hält, alles andere als engagiert und begeistert, ihre Vorlesung, und ignoriert die Aufregung ihrer Studenten. Statt bei der Ankunft Außerirdischer sofort in eine „Der-Weltuntergang-ist-nah- Pionier-und-Planwagen-Stimmung“ zu verfallen, geht sie nach Hause und zur Arbeit, als ob nichts wäre – nach dem Tod ihrer Tochter lebt sie wie in einer Blase, hat sich in ihre Sprachenwelt geflüchtet und funktioniert einfach.
Dann drängt der General sie in diese Ausnahme-Situation, sie schnappt angesichts der Geschwindigkeit der Ereignisse nach Luft (ich schnappte mit) und schlittert ungelenk und atemlos auf die Trennscheibe mit den Aliens zu. Dass Louise Banks mitnichten so weltfremd und verträumt ist, wie sie scheint, wird spätestens bei ihrem furchtlosen Stehvermögen, als der Alien-Tentakel neben ihr wuchtig auf die Trennscheibe klatscht, klar. Und sie kämpft zäh für die friedliche Verständigung mit den Außerirdischen, mit ihrem ebenso furchtlosen Kollegen, der sie mit seinem Körper gegen die gezogenen Waffen der Soldaten abschirmt.
Der Astrophysiker Dr. Ian Donnelly ist äußerlich auch keine klassische Heldenfigur. Mit seinem Wissen und scharfen Verstand analysiert er die Botschaften, die die Aliens von den 12 Landeplätzen übermitteln. Er tritt in der Kommunikation hinter seiner Kollegin zurück, steht aber hinter ihr und unterstützt und ergänzt ihre Arbeit und kümmert sich um ihr körperliches Wohlergehen. Und stellt sich furchtlos vor sie, als sie versucht, die militärische Intervention zu verhindern.
Genauso ungewöhnlich ist der militärische Befehlshaber, Colonel Weber, der die beiden Wissenschaftler nicht wirklich versteht, sie aber aufgrund ihrer bisherigen Leistungen respektiert, weil er ebenso ernsthaft an einer nicht-militärischen Lösung interessiert ist. Wahrscheinlich ist ihm klar, dass menschliche Armeen gegenüber einer Alien-Rasse, die zum interstellaren Flug in der Lage ist, mit militärischen Mitteln letztendlich nicht gewachsen sein kann. Anders, als es in so vielen Szenarien à la Independance Day dargestellt wird.
Es ist die Akzeptanz, dass der scharfe Intellekt der beiden Wissenschaftler, der sie denken, sprechen und geistig interagieren lässt, eine solche Alien-Situation eher im Sinne der Menschheit lösen kann, als Armeen in einem verheerenden Kampf.
Der Film spaltet sich in Parallelwelten auf: Auf der einen Seite der traumhaft inszenierte Kontakt zwischen Louise Banks , Ian Donnelly und den Hektapoden mit den Hektapoden-Händen, auf der anderen Seite die lärmende Militärmaschinerie und die durch Medien zusätzlich aufgepeitschte alarmistisch-hysterische Stimmung unter der Bevölkerung.
Die Kontaktanbahnung zwischen der Wissenschaftlerin und den Aliens ist überwiegend leise und langsam. Ihre Kommunikationsstrategie entwickelt sie vor den Augen der Zuschauer, die Sprachanalyse dauert quälend lange und ist zäh. Louise tastet sich mit Worten und schließlich mit ihren Schrifttafeln voran, dann sitzen sie und Ian inmitten ihrer Daten und analysieren den Informationswust. Im Zentrum der filmischen Handlung steht die Whorf Sapir-Hypothese, die für die Linguistik besagt, dass das Denken eines Menschen stark durch Grammatik und Wortschatz seiner Muttersprache beeinflusst oder bestimmt wird (Diese Hypothese ist mittlerweile recht umstritten, weil sie offenbar auf fehlerhaften Grundannahmen beruhte, aber das soll an dieser Stelle nicht diskutiert werden).
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