Der Kalifornische Schweinswal (Phocoena sinus) sieht unserem einheimische Schweinswal sehr ähnlich: Ein Kleinwal mit stumpfer Schnauze und kleiner dreieckiger Finne, nicht länger als 1,50 Meter und nur 50 Kilogramm schwer. Der Körper ist grau, Augen, Stirn und Maul sind dunkelgrau umrandet, zusätzlich verläuft ein dunkler Zügel vom Kinn zum Flipper – diese Gesichtsmaske scheint eher einem Comic entsprungen zu sein als den flachen Wassern des Golfs von Kalifornien. Die kleinen Schweinswale leben vor allem im nördlichen Teil des Golfes, südlich der Mündung des Colorados. Sie sind die Warmduscher unter den Schweinswalen, das Meer erreicht dort im Sommer immerhin bis zu 36 Grad Celsius. Andere Schweinswale schwimmen eher in gemäßigten bis kühlen Meeresregionen. Vaquitas leben allein oder in Paaren und fressen, wie die meisten anderen Zahnwale auch, vor allem Kopffüßer und Fischen. Vaquita heiß übrigens „kleine Kuh“.
Dieser regional begrenzte Lebensraum von rund 2235 Quadratkilometern Größe vor der Ostküste der Baja California nahe einer viel bevölkerten Küste ist leider ein großer Nachteil für die kleinen Wale. Vor allem unter der Fischerei haben sie sehr zu leiden. Mexikanische Fischer sind an den Meeressäugern als Beute zwar gar nicht interessiert, aber die Vaquitas sterben als Beifang in den Netzen. Die Netzmarken an den toten Walen sprechen eine deutliche Sprache.
Kleiner Wal, extrem bedroht
Genetische Untersuchungen ergaben, dass dieser Bestand nie sehr groß war. Allerdings gibt es keine genauen Daten, sondern bis 1997 nur vage Schätzungen aufgrund gelegentlicher Sichtungen und Beifangszahlen. 1997 führte ein mexikanisch-amerikanischer Survey die erste präzise Bestandserfassung des Kalifonischen Schweinswals in seinem gesamten Lebensraum durch:
Die Bestandsschätzung ergab 567 Individuen.
Ein zweiter mexikanisch-amerikanischer Survey kam 2008 auf eine Schätzung von nur noch 245 Tieren – der Bestand hatte sich innerhalb von 11 Jahren um 57% verringert. Bei diesem Survey erhoben die Wissenschaftler auch akustische Daten. 2015 ergab ein erneuter akustischer Survey, dass offenbar nur noch weniger als 100 Vaquitas übrig waren.
Längst hatte sich eine wissenschaftliche Arbeitsgruppe, die CIRVA, International Committee for the Recovery of the Vaquita, gebildet, die auch die größeren Surveys durchführte, regelmäßige, wissenschaftlich fundierte Berichte dazu erstellt und sich nachdrücklich für den Schutz dieses kleinen endemischen Wals einsetzt. Schließlich gibt es den kleinen Vaquita mit den Augenringen nur genau hier, im Golf von Mexiko, und ansonsten nirgendwo.
Aufgrund der alarmierenden Abnahme des Bestands fand 2015 noch ein weiterer internationaler visueller und akustischer Survey statt. Das Ergebnis der Suche nach dem kleinen Schweinswal war verheerend, nur noch etwa 59 von ihnen schwammen im warmen Golf von Kalifornien umher. So kam es zur Einrichtung von Schutzgebieten, die dem Vaquita das Überleben sichern sollten.
Totoaba-Fischwilderer bedrohen den Kleinwal – die Käufer sitzen in China
Die CIRVA hat schnell herausgefunden, dass der Zusammenbruch der Vaquita-Population keine Folge von Meeresverschmutzung oder Lebensraumvernichtung ist, auch die genetische Verarmung des sehr kleinen Bestands ist hier nicht das Problem. Einzig und allein die Fischerei ist dafür verantwortlich: Jedes Jahr verenden bis zu 80 der kleinen Wale als Beifang in Fischernetzen.
Zwischen 2011 und 2014 hat der Vaquita-Bestand so massiv abgenommen, weil in China ein Fisch knapp geworden war. Und der im Golf von Kalifornien lebende Totoaba sprang – keinesfalls freiwillig –als „Ersatzfisch“ ein.
Vor allem die Schwimmblase des Totoabas hat es den Chinesen wohl angetan, sie ist ein ausgezeichnetes Mittel zum Andicken von Suppen. Chinesen sollen für eine einzige Schwimmblase dieses großen Knochenfisches zwischen 10.000 bis zu 50.000 Dollar bezahlen.
Außerdem soll die Schwimmblase gegen Hautkrankheiten helfen und allerlei sonstige unglaubliche Fähigkeiten haben.
Die Menschen in den Dörfern am Ufer der nördlichen Golfs von Mexiko leben nahezu in der Wüste, Ackerbau betreiben kann man dort nicht. Fabriken oder urbane Jobs gibt es auf dem Land natürlich auch nicht. So bleibt als einzige Verdienstmöglichkeit die Fischerei, auf blaue Garnelen und verschiedene Fische.
Die Gier der Chinesen nach Totoaba war für die armen Fischer ein Hauptgewinn in der Fischlotterie: Auch wenn die Fischer natürlich nur einen winzigen Anteil erhalten und den großen Teil des Gewinns die Händler in China einsacken, sind auch 5000 bis 6000 Dollar immer noch eine gewaltige Summe.
Dafür lohnt es sich auch, im Vaquita-Schutzgebiet zu wildern. Zumal seitens der mexikanischen Regierung kaum Kontrollen oder gar Strafen zu erwarten sind.
So hatte Mexiko vor dem Treffen des Washingtoner Artenschutzabkommen CITES in Genf 2015 China formal um Unterstützung gebeten, um endlich effektive Schutzmaßnahmen für die letzten einhundert Vaquitas zu treffen. Vergeblich. “Als Reaktion auf das Gesuch kam eine pampige Antwort zurück. Während des Meetings hat China zwar zugegeben, dass Totoaba gehandelt wird, aber nicht anerkannt, dass die beiden Arten deshalb zurückgehen”, erzählt Clare Perry von der Environmental Investigation Agency.
“Das ist enttäuschend, denn ohne die Nachfrage zu mindern, lässt sich das Problem nicht lösen.” Dieser Meinung ist auch Rojas-Bracho, ein mexikanische Vaquita-Experte: “Das Problem ist nicht der einzelne Fischer, der sich über das Zusatzeinkommen freut. Wir haben es mit der Mafia zu tun. Und die Mafia gibt ein lohnendes Geschäft nicht einfach auf.”
Die Biologen entwickelten also Ideen, den Fischern weiterhin den Fischfang zu ermöglichen, dabei allerdings die Meeressäuger zu verschonen. Eine Arbeitsgruppe um Barbara Taylor (NOAA) entwickelte also anderes Fanggerät: Kleine Trawls für den benthopelagischen Einsatz, also dicht am Meeresgrund, statt großer Kiemennetze könnten den Beifang deutlich reduzieren.
2016 kam der Vaquita wegen seines immer noch rapide abnehmenden Bestandes wieder in die Schlagzeilen: Im Mai 2016 waren es nur noch 63 Wale, davon 25 Weibchen.
Daraufhin verstärkte die mexikanische Regierung die Schutzmaßnahmen: Sie verhängte im Lebensraum der kalifornischen Schweinswale ein vollständiges Fischereiverbot. Gleichzeitig hat Mexiko mit internationaler Hilfe ein über 74 Millionen US Dollar schweres Programm aufgelegt, das die Fischer entschädigen soll.
Die mexikanische Küstenwache ging nun hart gegen Fischwilderer vor, allein zwischen dem 10.10.2016 und dem 07.12.2016 soll sie 103 Stellnetze konfisziert haben.
Daneben wurde das Schutzgebiet auch mit Drohnen überwacht.
Im Oktober 2016 stand der kleine Wal auch wieder auf der Agenda des Treffens der International Whaling Commission (IWC).
Nichts hat geholfen: Es werden immer weniger Schweinswale. Die mexikanischen Fischer sind vollständig uneinsichtig, sie gehen aggressiv und gewalttätig gegen alle Bemühungen der Umweltschützer vor. Und den chinesischen Händlern ist der Bestand der kleinen Wale erst recht egal.
Die Wissenschaftler halten den Kampf gegen die Totoaba-Fisch-Mafia mittlerweile für so aussichtslos, dass sie jetzt zu extremen Maßnahmen greifen: Zum Fang der letzten Vaquitas, um sie in ein Reservat zu setzen und dort zumindest die Art zu erhalten. In einem Totoaba-freien Gewässer. Dafür soll eine kleine Bucht abgetrennt und unter extrem strengen Schutz gestellt werden.
Überlebende Wale in einem Reservat wären keine gute Lösung, zumal auch durch die Fangaktion selbst wieder Verluste oder Verletzungen auftreten könnten. Außerdem würden die außerhalb des Reservats verbleibenden Kleinwale aufgegeben. Aber im Moment ist die wohl die einzige Möglichkeit, um das Überleben dieser Art überhaupt zu ermöglichen.
Nach dem 2006 vermeldeten mutmaßlichen Aussterben der Chinesischen Flussdelfine ist der Kalifornische Schweinswal heute als der am stärksten vom Aussterben bedrohte Kleinwal. Die IUCN listet ihn als vom Aussterben bedroht („critically endangered“).
Beim Chinesischen Flußdelphin kam jede Hilfe zu spät.
Hoffen wir, dass der Vaquita überlebt.
Mafia und Geltungssucht gegen Artenschutz
Es liegt mir fern, wilde Beschuldigungen gegenüber anderen Menschen oder gar Bevölkerungsgruppen auszustoßen.
Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass Deutsche mit dem Arten- und Umweltschutz gefälligst in Deutschland beginnen sollten, anstatt sich über Missstände in anderen Ländern zu ereifern.
Wenn ich mir allerdings so anschaue, wo die meisten Wilderer ihre Absatzmärkte haben, führt diese Spur allzu oft nach Asien, oft nach China.
Da frage ich mich schon, was uns unsere moderne Medizin und Technik hilft, wenn ein gar nicht unbeträchtlicher Teil der Weltbevölkerung seinem/ihrem traditionellen Humbug und Hokus Pokus weiterhin anhängen möchte. Immerhin gibt es gegen Hautkrankheiten heute andere Gegenmittel als Fischblasen. Insbesondere der Verlust der Potenz scheint in Asien eine immense Bedeutung zu haben. Vielleicht könnte man zum Schutz der Wale, Tiger, Nashörner, Seekühe, Bären etc … flächendeckend VIAGRA vermarkten?
Gleichzeitig könnte man chinesische Köche im Gebrauch von Mondamin, Rotalgenextrakt (Agar) oder Kartoffeln zum Andicken von Suppen unterweisen. Eine Mondamin-Hilfslieferung erscheint mir für die Rettung der letzten Vaquitas nicht zu teuer.
Außerdem scheint es auch superwichtig zu sein, anderen Leuten zu zeigen, dass „man“ sich „etwas leisten kann“. Etwa eine Schwimmblase des Totoaba für einen Geschäftsfreund oder Haifischflossensuppe für alle Hochzeitsgäste.
Gleichzeitig frage ich mich, wie man Menschen, denen der Naturschutzgedanke vollkommen fremd ist, von dessen Wichtigkeit überzeugen kann. Ein Imagewechsel tut not!
Wer einem Geschäftspartner eine Fisch-Schwimmblase schenkt, für die gerade eine Walart ausgerottet wird, ist kein toller Hecht. Sondern ein Riesenarschloch, das offenbar nicht durch gute Arbeit und Sachkompetenz überzeugen kann, sondern lieber das Aussterben eines Wals für ein vollständig unnützes stinkiges Protzgeschenk in Kauf nimmt. Und der sich einen Dreck um Interessen und Befindlichkeiten anderer Menschen schert. Auch letzteres ist für mich keine Empfehlung für einen Geschäftspartner, da ich nicht davon ausgehen kann, dass so jemand mir gegenüber fair und anständig auftritt.
Jemand, der seine Hochzeitsgäste mit Haifischflossensuppe bewirtet, ist kein doller Gastgeber, sondern jemand, der sich einen Dreck dafür interessiert, in welcher Welt seine Kinder und Enkel aufwachsen. Eine Welt mit immer weniger Arten, mit leer gefischten Ozeanen und verpesteter Luft. Vielleicht müsste man die Brut eines solchen Angebers mal mit einem vom Aussterben bedrohten Wal zusammentreffen lassen. Vielleicht würde der geltungssüchtige Mensch sich ja durch das Jauchzen des Kindes überzeugen lassen, seinen Hochzeitsgästen lieber den fetten Scheck an ein Vaquita-Schutzprojekt zu zeigen und damit zu beweisen, was „man“ sich so alles leisten kann?
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