An einer Stelle hatten sie sogar eine Orca-Sichtung, ein einzelnes Männchen.
Allein? Ja, er war allein – allerdings wissen wir nicht, ob hinter der nächsten Ecke der Insel noch mehr Orcas waren, meinte Maria lachend.
Das zeigt auch einen wichtigen Punkt beim wissenschaftlichen Survey: Es wird nur das notiert, was man wirklich sieht. Der Wal-Survey bildet eine örtlich und zeitlich begrenzte Momentaufnahme ab.
Visiting Grytviken
Grytviken auf South Georgia war einst eine Hauptstadt des Walfangs. Und es ist ein Ort von historischer Bedeutung, hatte hier doch der englische Entdecker Ernest Shackleton für seine auf Elephant Island gestrandete Besatzung Hilfe geholt. Ernest Shackletons Grab ist ein Must-have-seen für South Georgia-Reisende.
Heute stehen die Fabriken und Behausungen leer, am Strand rosten Fangboote und Equipment vor sich hin. Dazwischen liegen Wal-Skelette, von Zeit, Salzwind und Witterung geschliffen und verwittert. Einige der Wal-Überreste sammelten die Forscherinnen auf und brachten sie zum Museum. Andächtig entdeckten sie den Ort, der einst für das Massaker an den Walen stand und heute ruhig und verlassen ist. Erobert von Tieren, denen hier heute keine Gefahr mehr droht.
Auch Maria und Marina ließen sich einfangen von der Historie Grytvikens und verzaubern von der Zahmheit der Tiere – „to be a guest in another world“, so fühlten sie sich.
Die ganze Station war schon so lange verlassen, dass sogar der Geruch nach Waltran und -fett verschwunden war. Heute ist sie ein Museum und bietet einen Blick zurück in eine Epoche, in der eine Antarktis-Reise noch ein großes Abenteuer war. Und in dem Wale nur als schwimmende Fleisch- und Ressource galten.
Unser Blick auf die Antarktischen Gewässer und ihre Bewohner hat sich seit den 60-er Jahren stark verändert. Wir zählen ihren Reichtum an Lebensformen heute nicht mehr in Fässern Öl, sondern erfreuen uns an ihrer Lebendigkeit im unberührtesten und abgelegensten Ökosystem der Erde, der Antarktis.
Ihre persönlichen Highlights? Beide Biologinnen waren überwältigt von der Fülle des Lebens mit seinen Seebären, Pinguinen, Albatrossen und noch viel mehr antarktischen Bewohnern. Und von den Eisbergen, riesig, grün und in der Sonne strahlend und glitzernd.
Die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft von South Georgia ist auch ein SAERI-Forschungsschwerpunkt: The South Georgia Future Science Project.
Die Begeisterung der beiden Biologinnen konnte ich durch den Lautsprecher hören. Genauso wie die Begeisterung der Besatzung der HMS ENTERPRISE in ihrem Fahrtbericht. Und ich habe sie voll und ganz verstanden. Der Reichtum an kleinen und großen Meeressäugern vom Commerson-Delphin bis zum Blauwal, die Zutraulichkeit vermeintlich possierlicher Pinguine, die phantastische Parade der Seevögel in allen Größen – Kaptauben, Sturmtaucher, Sturmschwalbe, Sturmvögel bis zum Wanderalbatros sind einzigartig und überwältigend. Meine persönlichen gefiederten Lieblinge sind Adélie-Pinguine und Schwarzbrauen-Albatrosse (Mollymawk). Daneben gibt es buntes und vielfältiges Leben in der Tiefe des Meeres, vom Critter-Wurm über Dumbo-Octopusse bis zum Lollipop-Schwamm am Stiel.
Die unermessliche Weite der See, die hypnotische Kraft der rollenden Brecher und das märchenhaft verhangene Licht des stürmischen Südpolarmeeres sind für mich ein steter Ort der Seesucht. Oder der Sehsucht? Ganz bestimmt der Sehnsucht.
Seiwale: Hotspot Falkland-Inseln
A propos Seiwale: Da fragte ich natürlich nach dem neuesten Stand der Forschung nach dem katastrophalen Seiwal-Sterben 2015, als über 330 tote Tiere an den chilenischen Küsten angespült wurden.
Dazu läuft ein großes SAERI-Projekt, um überhaupt zu einer Bestandsschätzung für diese Art der mittelgroßen Furchenwale im Süd-Atlantik zu kommen. Denn: Bis jetzt gibt es keine Baseline, eine Bestandserfassung oder –schätzung, für Seiwale! Darum kann auch niemand abschätzen, ein wie großer Teil der Population 2015 gestorben ist. Bisher existieren vor allem Daten aus dem historischen Walfang. Und die Walfänger haben natürlich nur notiert, wie viele Tiere sie getötet haben, jedoch keine Bestandsschätzung der lebenden Tiere durchgeführt.
Das SAERI-Projekt „Developing a site-based conservation approach for sei whales, Balaenoptera borealis, at Berkeley Sound“ wird dazu Daten liefern. Der Berkeley Sound der Falkland-Inseln hat sich nämlich als ein Hot Spot des Seiwal-Vorkommens herausgestellt: „In the Falkland Islands, Berkeley Sound (including outer Port William and the waters around Cape Pembroke) has been identified as a ‘hotspot’ of sei whale occurrence and consequently proposed as a candidate Key Biodiversity Area It is also the busiest area for vessel traffic in the Falklands, with current activities including trans-shipping, re-fuelling operations, anchoring, transits (e.g. cruise ships entering Stanley) and whale-watching.”
Die Bestandsuntersuchung im Berkeley-Sound wird dann eine Grundlage für den Schutz der Furchenwale im Bereich der Falklands vor der Schifffahrt und anderen menschlichen Aktivitäten. Möglicherweise wird das Gebiet als Key Biodiversity Area unter besonderen Schutz gestellt, wie es EU-Richtlinien verlangen.
Dieses Projekt werde ich weiter verfolgen und dann weiter berichten.
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