DOKE_20170601_105_1560_Ea_MGARVor einigen Monaten schrieb ich über die Abenteuer der HMS ENTERPRISE vor South Georgia. Das Schiff der Royal Navy für ozeanographisch-hydrographische Aufgaben und für Ice Patrol führte vor South Georgia u. a. einen Wal-Survey durch. Mit an Bord: Dr. Marina Costa and Dr. Maria Isabel Garcia Rojas, zwei Wal-Wissenschaftlerinnen des South Atlantic Environmental Research Institute (SAERI).
SAERI ist ein Forschungsinstitut auf den Falkland-Inseln für die Erforschung des noch wenig bekannten Südatlantiks beschäftigt. SAERI hat eigene WissenschaftlerInnen, die selbst vor Ort forschen und bietet gleichzeitig einen Standort mit voller Logistik für andere Forschungsgruppen, Institutionen und Universitäten an. Ein Sprungbrett für die Erforschung der Weite des Südatlantiks, gegründet auf Empfehlung des British Antarctic Surveys.
Jetzt schrieb Marina mir eine Mail und hatte ein herrliches Video angehängt. Auf einem Delphin Survey im Rahmen des „Dolphins of the Kelp“-Projekts (DOKE) hatten sie einige außergewöhnliche Zusammentreffen mit Südkapern. Ob das vielleicht für „meertext“ interessant sei.
Südliche Glattwale!
Natürlich war ich interessiert!!

„Gentle giants“ – freundliche Riesen

Marina hatte begeistert über ihre Begegnung mit den Südlichen Glattwalen geschrieben und mir in einem Interview noch viele weitere Informationen gegeben. Die Fakten stammen überwiegend von ihr, manche habe ich ergänzt mit Angaben des SAERI und Fakten über die Glattwale. Alles ist aus dem Englischen übersetzt.

DOKE_20170601_105_0350_Ea_MGARAuf der Südhalbkugel ist es nun Spätherbst, am 21.06 beginnt dann offiziell der Südliche Winter. Wenn es nicht gerade stürmt oder regnet, sind es immer noch heimelige 8-9 °C, sonst fällt das Thermometer auf 3-4 °C. Glücklicherweise kommt an den meisten Tagen die Sonne durch. Südlicher Wind bringt Schnee, ein Gruß der nahe gelegenen Antarktis. Nachts gibt es oft Minusgrade, aber Schnee und Eis schmelzen am Tag schnell wieder.
Den gesamten Sommer über tauchten immer mal wieder einige Südkaper (Südliche Glattwale, Southern Right whales Eubalaena australis) vor dem Berkeley Sound auf.
„Meinen allerersten Südkaper habe ich beim Aerial Survey am 18.03. gesehen – nur für eine Sekunde. Es war großartig!“ erinnert sich Marina an ihren Erstkontakt. Eine Begegnung aus dem Flugzeug ist zwar nur kurz, aber äußerst beeindruckend – schließlich sind die gewaltigen Leiber der Wale nur aus der Vogel-Perspektive in ihrer ganzen Größe zu sehen.

DOKE_20170601_105_3120_Ea_MCOS„Danach waren es meine ersten Südkaper auf See – die 30-minütige Interaktion mit uns war überwältigend!“ Von der letzten Maiwoche an bis zum 07. Juni kamen die gewaltigen Glattwale nahe an die Küste vor Port Williams, vor die langen Strände nördlich und südlich davon, in den Kanal zwischen der Kidney-Insel und Ost-Falkland und auch in den südlichen Teil des Berkeley-Sounds.
Die Südkaper kamen der Küste so nahe, dass sie von Land aus beobachtet werden konnten. Das flache Wasser war offenbar kein Problem für die Meeresriesen, Marina hat vier Südkaper in nur 4 Meter tiefem Wasser beobachtet. Wenn die Walforscher für ihren Delphin-Survey auf See waren, am 01.06., 06.06. und 07.06.2017, hatten sie jedes Mal auch Glattwal-Sichtungen.
Am 01.06. trafen die Walforscher südlich der Kidney-Insel auf diese Gruppe von vier Glattwalen, die im Video zu sehen ist. Bei der ersten Sichtung am 01.06. schwammen die Wale umher, ohne zu fressen, ruhig und offenbar sehr neugierig: „Sie haben auf unser Boot reagiert!“. 30 Minuten lang dauerte diese Interaktion. „It was one of the best day of my 30 years at sea!” schreibt Marina dazu. Das glaube ich ihr gern, es muss unglaublich gewesen sein. Später trafen sie auch im Berkely-Sound noch auf vier Exemplare der Meeresgetüme.

„Bei den anderen Sichtungen haben die Wale sich nicht um unser Boot gekümmert, sie waren offenbar anderweitig miteinander beschäftigt“.
Am 06.06. waren es drei Wale im Berkeley Sound und vier vor Port Williams: „Bei der 2. Sichtung sah es aus, als ob sie bei der Paarung waren. Wir konnten das aber nicht sicher sagen, weil die Wale in flachem Wasser schwammen, dabei den Boden berührten und sehr viel Sediment aufwirbelten, die Sicht war also recht schlecht. Da sie sich aber immer wieder berührten und im Wasser rollten, so dass Bauch und Brustflossen nach oben zeigten, sah es nach Paarungsverhalten aus. Die vier Wale waren sehr nahe beieinander.“
Weiter erzählt sie: „Als wir uns ihnen näherten, zogen sie sich zurück. Darum folgten wir ihnen nicht, wie wollten sie keinesfalls stören.“. Alle Sichtungen waren ausgewachsene Tiere, Kälber waren zu keinem Zeitpunkt bei keiner Gruppe zu sehen.

„Am 07.07 schwammen sogar acht Glattwale vor dem Strand von Port Williams entlang, und zwei weitere vor einem Strand im Kanal zwischen der Kidney-Insel und der Hauptinsel. Später haben wir noch fünf bis sechs weitere Wale vor Port Williams gesichtet.“ Das waren sicherlich immer mal wieder die gleichen Tiere, aber bisher gibt es hier noch keinen Photo-ID-Katalog für diese Wale.
Südliche Glattwale werden bis zu 15, selten 17 Meter lang und 80 bis 90 Tonnen schwer. Diese Dimensionen muss man vor Augen haben, wenn man das Video anschaut. Glattwale bewegen ihre gewaltigen Körper meist gemächlich, wie in Zeitlupe und wirken wie aus einer anderen Zeit und Dimension. Gleichzeitig sind sie sehr gleichmütig und friedlich. „Gentle giants at sea“ ist ein guter Titel für das Video.

Zum Video:
Die Delphine sind Peale-Delphine (Lagenorhynchus australis). Die kurzen starken Kiefer und ihre markante Schwarz-Weiß-Zeichnung sind deutlich erkennbar. Dann sind die riesigen Köpfe und Körper der Südkaper zu sehen, sie scheinen im Wasser zu schweben und dem Boot zuzunicken.
Abgesehen von den Glattwalen und der Vorstellung dieser Begegnung nahe der subantarktischen Gewässer hat mir natürlich auch die Einbettung im „Game of Thrones“-Stil sehr gefallen. Eine sehr nette Idee und dem epischen Walauftritt sicherlich auch angemessen.

SAERI – Wal-Forschung auf den Falkland-Inseln

saeri logoMarina und Maria führen für SAERI das „Dolphins of the kelp“.– DOKE  durch.
Zur Erforschung der küstennah lebenden Delphine fuhren sie im November und Dezember 2016 sowie im Januar, Februar und Juni 2017 mit einem Zodiac Surveys.
Im Juli kommen die nächsten Fahrten.
Vom DOKE-Projekt-Team stammt auch das Video. Neben SAERI fördert auch die Darwin Initiative dieses Delphin-Projekt.

Auch das Seiwal-Projekt von Falkland Conservation unter der Leitung von Caroline Weir hatte Ende Mai mehrfach Glattwale gesichtet. Sie führten von Februar bis Mai Erkundungsfahrten durch, um den Seiwalbestand des Südpazifiks zu erkunden.

Das Projekt DOKE konzentriert sich auf die küstennah lebenden Delphine – Commerson- Delphin (Cephalorhynchus commersonii) and Peale-Delphin (Lagenorhynchus australis). Gruppen dieser Delphinarten leben das ganze Jahr über in und nahe an den Kelp-Wäldern vor der Küste der Falklands. DOKE erforscht die Abundanz, die Verteilung, ihre Ökologie und Biologie sowie die genetische Diversität um eine wissenschaftlich fundierte Baseline zu erstellen und langfristige Pläne für den Schutz dieser Kleinwale und ihres Lebensraums zu entwickeln. Für die Untersuchung der Delphin-Bestände müssen die Surveys im geplanten Meeresareal und im geplanten Zeitraum durchgeführt werden, weil diese Daten für die statistisch belastbare Auswertung nötig sind. Wenn andere Wal-Sichtungen gemacht werden, darf das eigentliche Projekt nicht deswegen zurückgestellt werden. Die anderen als die erwarteten und beabsichtigten Arten sind „nur“ die Zugabe. Darum konnten die Biologen nicht einfach gezielt und häufiger als ursprünglich geplant zu den aufgetauchten Glattwalen fahren.

Die Sichtungen der Glattwale könnten langfristig zu einem eigenen Forschungsprojekt von SAERI und anderen Institutionen führen – das hoffe ich jedenfalls. SAERI ist erst 2011 gegründet worden, um Grundlagenforschung über die lebenden Ressourcen des Südatlantiks durchzuführen. Für die meisten Arten in den Weiten dieses Ozeans muss nun erst einmal die Baseline ermittelt werden, ein erste Grundlage von Daten.
Das ist auch für die Südkaper wünschenswert. Und immerhin ist nun bekannt, dass die Falkland-Inseln auch dafür eine gute Ausgangsposition haben.

Südkaper: Oberkiefer-Anatomie und Nahrungsaufnahme der „Richtigen Wale“

Südkaper sind noch nie über den meertext-Blog geschwommen, darum gibt es hier ein paar Hintergrundinformationen zu diesen ozeanischen Ungetümen.
Südkaper oder Südliche Glattwale (Eubalaena australis) gehören zu den Glattwalen. Anders als die schlanken, schnellen Furchenwale haben sie keine Furchen im Kehlbereich und können diesen Bereich beim Filtrieren auch nicht zusätzlich ausdehnen. Stattdessen haben sie gewaltige Mäuler und sind insgesamt sehr rundlich. Bei „nur“ 15 Metern Körperlänge werden sie 80 Tonnen schwer. Zum Vergleich: Ein Finnwal wird bis zu 25 lang, wiegen dabei aber „nur“ 40 bis70 Tonnen.
Glattwale heißen im Englischen „Right whales“ – sie waren die „richtige“ Beute für Walfänger. Langsam schwimmende Fleischberge, aus denen sich besonders viel Tran sieden ließ und mit besonders langen Barten (whalebone). Genau die richtigen Wale für frühe Walfänger und für den damaligen Markt. Das hornige Whalebone oder Walbein war ein biegsames, elastisches und haltbares Material für viele Gegenstände des Alltags.

Zum Fressen schwimmen Glattwale in die Wolken mit ihrer Lieblingsnahrung hinein, im südlichen Ozeanen fressen sie die kleinen Krebse des Planktons wie Krill oder Ruderfußkrebse.
Glattwale haben wie alle Bartenwale statt Zähnen im Oberkiefer zwei Reihen Barten – hornige Platten, deren innere Kante ausgefranst ist. Im Oberkiefer der Glattwale hängen 206 bis 268 sehr lange Barten, beim Südkaper werden sie bis zu 2,20 Meter lang. Der Oberkiefer ist hoch aufgewölbt wie ein Kirchenportal, allerdings extrem schmal. Die beiden Bartensäume laufen an der Spitze des Oberkiefers zusammen, zwischen den beiden Reihen ist eine kleine Lücke. Von vorn betrachtet ist eine 1 bis 3 Meter hohe dreieckige Öffnung zu sehen, die Spitze ist oben.
So pflügt der Glattwal auf Freßtour durch das Meer, durch die Lücke an der Spitze des Mauls strömt planktonreiches Wasser ins Maul und fließt durch den dichten Bartensaum wieder hinaus. Dabei bleibt das Plankton in den Barten hängen, der Wal muss nur noch schlucken.

Bei diesem an der chinesischen Küsten gestrandeten Bartenwal (Südkaper) ist die Spitze des Mauls deutlich zu erkennen.

Quelle:
William A. Watkins and William E. Schevill: “Right Whale Feeding and Baleen Rattle“, Journal of Mammalogy, Vol. 57, No. 1 (Feb., 1976), pp. 58-66

Kommentare (6)

  1. #1 Finanzer
    28. Juni 2017

    Die vermutlich sehr interessanten Bilder in diesem Artikel sind leider nicht zu sehen. Offenbar wurden diese aus einer Mail heraus eingefügt (die URLs verweisen auf mail.google.com). Nur leider haben alle anderen ausser die Autorin keinen Zugriff auf dieses Postfach (so möchte ich mal hoffen), so dass wir nur Platzhalter sehen. Die Bilder sollten also hier hochgeladen werden, bevor sie in den Artikel eingebunden werden.

  2. #2 RPGNo1
    28. Juni 2017

    @Finanzer
    Ich kann die Bilder sehen. Liegt dein Problem eventuell an den Browser-Einstellungen? Oder sogar am Browser selbst? Bei mir kannes davon abhängen, ob ich mit Firefox oder IE reingehe.

  3. #3 Bettina Wurche
    28. Juni 2017

    @RPGNo1: Es könnte daran liegen, dass ich die Bilder ausgetauscht habe : ) Schön, dass es jetzt klappt : ))

  4. #4 Finanzer
    28. Juni 2017

    Jetzt sehe ich die Bilder auch, vielen Dank für die Reparatur.

  5. #5 RPGNo1
    28. Juni 2017

    @Bettina
    Hehe, manchmal ist die einfachste Lösung auch die naheliegenste.

  6. […] Im Meertext-Blog ist eine schöne Geschichte und ein noch schöneres Video zu sehen, in denen es um Glattwale geht. Diese kommen in eher kalten Gewässern vor und können bis zu 90 Tonnen schwer werden. […]