Dank des technologische Fortschritts tragen heute viele Meerestiere Sender – so können wir ihren Weg verfolgen, ihre Tauchgänge tracken, ihr Verweilen an der Oberfläche messen und ihre Geschwindigkeit ermitteln.
Wissenschaftler befestigen solche Sender, die mittlerweile sehr klein und robust sind, etwa mit Saugnäpfen, Pfeilen oder Klebstoff an den glatten, geschuppten oder haarigen Oberflächen der aquatischen Bewohner.
Nun sind die weichen, gelatinösen, im Ozean driftenden Quallen das Ziel.
Diese gelatinösen Geschöpfe des Planktons sind fragil und zerreißbar.
Wie soll man daran einen Sender befestigen?
Diese Frage treibt Wissenschaftler schon lange um – “How do you tag a jellyfish?” lautet der Titel einer neuen Publikation des Monterey Bay Aquariums, des Monterey Bay Aquarium Research Institute (MBARI), der Hopkins Marine Station und anderen Institutionen.
Wie besendert man eine Qualle
Lange haben Wissenschaftler damit experimentiert, mehr Informationen über die driftenden Geleetiere zu sammeln. Sender sind ideal dafür.
Wie also befestigt man an einer Qualle einen Sender?
In den 1990-ern wollten australische Biologen wissen, ob Quallen nachts schlafen. Vor Australien gibt es Seewespen wie Chironex fleckeri, die zu den Würfelquallen gehören und aufgrund ihres sehr starken Nesselgifts eine ernste Bedrohung für Schwimmer und Badende sind. Die Erforschung der Biologie dieser gefährlichen Tiere hat darum in Australien eine hohe Priorität.
Der Biologe Jamie Seymour wollte mehr über die Bewegungsmuster und den Lebensrhythmus dieser Tiere erfahren. Dazu befestigte er winzige akustische Sender an Würfelquallen – mit einem ungiftigen Sekundenkleber. Der Körper der meisten Würfelqualle sind nicht sehr groß und ihre Gewebe sind zart, darum setzte er winzige Sender von einem halben Inch Durchmesser ein.
Die Methode klappte immerhin bei sieben Tieren. Später experimentierte er, die Sender ins Innere der Qualle zu bringen, damit sie nicht so schnell wieder abfallen.
Er fand heraus, dass Würfelquallen-Schwärme nachts in die Nähe des Meeresbodens absinken und dort tatsächlich eine Nachtruhe einlegen.
Seine Forschungsergebnisse haben australischen Behörden geholfen, mit einem Computerprogramm das Ende der Seewespen-Saison vorherzusagen.
Er war einer der Pioniere Quallen-Besenderung.
Durch die schnellen technischen Fortschritte in den letzten Jahren gibt es immer kleinere und robustere Sender mit immer besseren Messgeräten. In dem Projekt Global Tagging of Pelagic Predators, (GTOPP) haben sich Experten gezielt mit dem Besendern und Ausspähen von Vögeln, Fischen und Meeressäugern beschäftigt und auch mit Humboldt-Kalmaren.
Eine kleine, aber wachsende Forscher-Community hat sich nun die Quallen als Zielgruppe vorgenommen.
Wie die MBARI-Wissenschaftlerin Kakani Katija: “What surprised me most was that you could do it!” – auch der Geleekörper einer Qualle hat eine ausreichende Festigkeit und Struktur, um daran etwas zu befestigen. Sie hat vor allem sehr kleine Nesseltiere mit Mini-Geräten versehen, die wie Tauchcomputer die Wassertemperatur, Tiefe, Licht und Bewegung messen. Befestigt hat sie diese mit Klebstoff, Saugnäpfen und Kabelbindern.
Bei größeren Medusen mit einem stabilen Mundrohr wie den Wurzelmundquallen (Rhizostoma) hat es sich bewährt, die Sender mit einem Seil um das Mundrohr und die Tentakelansätze herumzubinden.
Die angeklebten Sender lösen sich i. d. R. von selbst, steigen dann zur Meeresoberfläche auf, geben ein Radiosignal ab und können eingesammelt werden. Dann erst werden die aufgenommenen Daten ausgelesen und können ausgewertet werden. Für eine direkte Datenübertragung wäre mehr Sendeleistung nötig, das würde die Sender zu groß machen.
Die Daten zeigen dann, wie schnell sich die Nesseltiere bewegen. Geschwindigkeit, Temperatur und Tiefe zeigen, in welchen Wasserkörpern und Strömungen sie mitschwimmen. Das Steigen und Sinken zwischen verschiedenen Schichten der Wassersäule gibt Auskunft über ihren Tagesrhythmus. Accerelometer sind Beschleunigungsmesser, die etwa Drehbewegungen aufzeichnen.
Außerdem geben die Quallensender auch noch Auskunft über wichtige ozeanographische Parameter der Umgebung der Tiere.
Das Monterey Bay Aquarium hat übrigens eine “Jelly Cam” – dort läuft das aufregende Leben der Medusen im Livestream. Stars der Sendung sind Verwandte unserer nordatlantischen Kompaßqualle, ein Schwarm Chrysaora sp.
Medusen werden mehr und ökologisch wichtiger
Quallen sind erstmals im 19. Jahrhundert in den Fokus der Meeresforscher geraten, als Haeckel die Ästhetik und Symmetrie ausgewählter Medusen in seinen wunderschönen Zeichnungen erstmals einem größeren Publikum vorstellte. Dennoch hat sich die Forschung lange nicht sehr intensiv mit diesen Mitgliedern des Planktons beschäftigt.
Zum Ende des 20. Jahrhunderts hat sich das dann allmählich geändert und ihre wichtige Rolle im marinen Ökosystem wurde immer deutlicher. Viele Fische und Meeresschildkröten fressen bevorzugt Quallen, als Teil des gelatinösen Planktons sind sie eine wichtige Nahrungsressource. Ihre Erforschung ist allerdings nicht einfach: “Es ist für Wissenschaftler schwierig, sie lebendig ins Boot zu holen oder in ein Aquarium zu setzen.” erklärt der MBARI-Aquarianer Tommy Knowles.
Die durchsichtigen Tiere sind die frei schwimmende Generation von Nesseltieren (Cnidaria). Es gibt männliche und weibliche Medusen, die sich geschlechtlich fortpflanzen. Diese sexuell aktive Generation wechselt sich mit einer Generation Polypen ab, die nicht freischwimmen und sich ungeschlechtlich vermehren, oft durch Abschnürung. Nesseltiere sind eine Tiergruppe mit Generationswechsel. Ihr gemeinsames Merkmal ist das Gift in den Nesselzellen.
Quallen sind Jäger und töten mit Nesselgift – viele Fischlarven und Jungfische auch kommerziell bedeutsamer Fischarten gehören zu ihrem Nahrungsspektrum, sie haben also eine wirtschaftlichen Impact.
Weiterhin können Massenaufkommen von Quallen auch dem Tourismus schaden – manche Medusen haben so starkes Nesselgift, dass sie Menschen verletzen können.
Heute, wo sich die Ökosysteme im Zuge des Klimawandels, der Überfischung und der Meeresverschmutzung großflächig verändern, wird die Rolle der Quallen zunehmend wichtiger. Ihre Rolle im Ökosystem ist aber immer noch wenig verstanden.
Das ändert sich nun gerade – die Sender helfen dabei.
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