Dank des technologische Fortschritts tragen heute viele Meerestiere Sender – so können wir ihren Weg verfolgen, ihre Tauchgänge tracken, ihr Verweilen an der Oberfläche messen und ihre Geschwindigkeit ermitteln.
Wissenschaftler befestigen solche Sender, die mittlerweile sehr klein und robust sind, etwa mit Saugnäpfen, Pfeilen oder Klebstoff an den glatten, geschuppten oder haarigen Oberflächen der aquatischen Bewohner.

Nun sind die weichen, gelatinösen, im Ozean driftenden Quallen das Ziel.
Diese gelatinösen Geschöpfe des Planktons sind fragil und zerreißbar.
Wie soll man daran einen Sender befestigen?
Diese Frage treibt Wissenschaftler schon lange um – “How do you tag a jellyfish?” lautet der Titel einer neuen Publikation des Monterey Bay Aquariums, des Monterey Bay Aquarium Research Institute (MBARI), der Hopkins Marine Station und anderen Institutionen.

Jellyfish equipped with data-loggers and/or transmitters. (a) Pacific sea nettle jellyfish (Chrysaora fuscescens) equipped with an accelerometer, an acoustic transmitter and a VHF radio-transmitter using the “glue” method (photo by S. Haddock). (b) Moon jellyfish (Aurelia sp.) equipped with the ITAG using the “suction cup” method (Mooney et al., 2015). (c) Barrel jellyfish (Rhizostoma octopus) equipped with a tri-axial accelerometer using the “cable tie” method (Fossette et al., 2015). Note the float used to make the tagging package neutrally buoyant. (d) Lion's mane jellyfish (Cyanea capillata) equipped with an acoustic transmitter using the “cable tie” method (Bastian, 2011, photo by D. Haberlin). (e) Fried-egg jellyfish (Phacellophora camtschatica) equipped with an accelerometer and acoustic and VHF transmitters (photo by S. Haddock). (f) Atlantic sea nettle (Chrysaora quinquecirrha) equipped with a suction cup in preparation for deployment of the ITAG (photo by K. Katija).

Jellyfish equipped with data-loggers and/or transmitters. (a) Pacific sea nettle jellyfish (Chrysaora fuscescens) equipped with an accelerometer, an acoustic transmitter and a VHF radio-transmitter using the “glue” method (photo by S. Haddock). (b) Moon jellyfish (Aurelia sp.) equipped with the ITAG using the “suction cup” method (Mooney et al., 2015). (c) Barrel jellyfish (Rhizostoma octopus) equipped with a tri-axial accelerometer using the “cable tie” method (Fossette et al., 2015). Note the float used to make the tagging package neutrally buoyant. (d) Lion’s mane jellyfish (Cyanea capillata) equipped with an acoustic transmitter using the “cable tie” method (Bastian, 2011, photo by D. Haberlin). (e) Fried-egg jellyfish (Phacellophora camtschatica) equipped with an accelerometer and acoustic and VHF transmitters (photo by S. Haddock). (f) Atlantic sea nettle (Chrysaora quinquecirrha) equipped with a suction cup in preparation for deployment of the ITAG (photo by K. Katija).

Wie besendert man eine Qualle
Lange haben Wissenschaftler damit experimentiert, mehr Informationen über die driftenden Geleetiere zu sammeln. Sender sind ideal dafür.
Wie also befestigt man an einer Qualle einen Sender?

In den 1990-ern wollten australische Biologen wissen, ob Quallen nachts schlafen. Vor Australien gibt es Seewespen wie Chironex fleckeri, die zu den Würfelquallen gehören und aufgrund ihres sehr starken Nesselgifts eine ernste Bedrohung für Schwimmer und Badende sind. Die Erforschung der Biologie dieser gefährlichen Tiere hat darum in Australien eine hohe Priorität.
Der Biologe Jamie Seymour wollte mehr über die Bewegungsmuster und den Lebensrhythmus dieser Tiere erfahren. Dazu befestigte er winzige akustische Sender an Würfelquallen – mit einem ungiftigen Sekundenkleber. Der Körper der meisten Würfelqualle sind nicht sehr groß und ihre Gewebe sind zart, darum setzte er winzige Sender von einem halben Inch Durchmesser ein.
Die Methode klappte immerhin bei sieben Tieren. Später experimentierte er, die Sender ins Innere der Qualle zu bringen, damit sie nicht so schnell wieder abfallen.
Er fand heraus, dass Würfelquallen-Schwärme nachts in die Nähe des Meeresbodens absinken und dort tatsächlich eine Nachtruhe einlegen.
Seine Forschungsergebnisse haben australischen Behörden geholfen, mit einem Computerprogramm das Ende der Seewespen-Saison vorherzusagen.
Er war einer der Pioniere Quallen-Besenderung.

Durch die schnellen technischen Fortschritte in den letzten Jahren gibt es immer kleinere und robustere Sender mit immer besseren Messgeräten. In dem Projekt Global Tagging of Pelagic Predators, (GTOPP) haben sich Experten gezielt mit dem Besendern und Ausspähen von Vögeln, Fischen und Meeressäugern beschäftigt und auch mit Humboldt-Kalmaren.
Eine kleine, aber wachsende Forscher-Community hat sich nun die Quallen als Zielgruppe vorgenommen.

Wie die MBARI-Wissenschaftlerin Kakani Katija: “What surprised me most was that you could do it!” – auch der Geleekörper einer Qualle hat eine ausreichende Festigkeit und Struktur, um daran etwas zu befestigen. Sie hat vor allem sehr kleine Nesseltiere mit Mini-Geräten versehen, die wie Tauchcomputer die Wassertemperatur, Tiefe, Licht und Bewegung messen. Befestigt hat sie diese mit Klebstoff, Saugnäpfen und Kabelbindern.
Bei größeren Medusen mit einem stabilen Mundrohr wie den Wurzelmundquallen (Rhizostoma) hat es sich bewährt, die Sender mit einem Seil um das Mundrohr und die Tentakelansätze herumzubinden.

Die angeklebten Sender lösen sich i. d. R. von selbst, steigen dann zur Meeresoberfläche auf, geben ein Radiosignal ab und können eingesammelt werden. Dann erst werden die aufgenommenen Daten ausgelesen und können ausgewertet werden. Für eine direkte Datenübertragung wäre mehr Sendeleistung nötig, das würde die Sender zu groß machen.
Die Daten zeigen dann, wie schnell sich die Nesseltiere bewegen. Geschwindigkeit, Temperatur und Tiefe zeigen, in welchen Wasserkörpern und Strömungen sie mitschwimmen. Das Steigen und Sinken zwischen verschiedenen Schichten der Wassersäule gibt Auskunft über ihren Tagesrhythmus. Accerelometer sind Beschleunigungsmesser, die etwa Drehbewegungen aufzeichnen.
Außerdem geben die Quallensender auch noch Auskunft über wichtige ozeanographische Parameter der Umgebung der Tiere.
Das Monterey Bay Aquarium hat übrigens eine “Jelly Cam” – dort läuft das aufregende Leben der Medusen im Livestream. Stars der Sendung sind Verwandte unserer nordatlantischen Kompaßqualle, ein Schwarm Chrysaora sp.

Quelle:
How to tag a jellyfish? A methodological review and guidelines to successful jellyfish tagging
. Sabrina Fossette, Kakani Katija, Jeremy A. Goldbogen, Steven Bograd, Wyatt Patry, Michael J. Howard, Thomas Knowles, Steven H.D. Haddock, Loryn Bedell, Elliott L. Hazen, Bruce H. Robison, T. Aran Mooney, K. Alex Shorter, Thomas Bastian and Adrian C. Gleiss. J Plankton Res (2016) 38 (6): 1347-1363.

Medusen werden mehr und ökologisch wichtiger
Quallen sind erstmals im 19. Jahrhundert in den Fokus der Meeresforscher geraten, als Haeckel die Ästhetik und Symmetrie ausgewählter Medusen in seinen wunderschönen Zeichnungen erstmals einem größeren Publikum vorstellte. Dennoch hat sich die Forschung lange nicht sehr intensiv mit diesen Mitgliedern des Planktons beschäftigt.
Zum Ende des 20. Jahrhunderts hat sich das dann allmählich geändert und ihre wichtige Rolle im marinen Ökosystem wurde immer deutlicher. Viele Fische und Meeresschildkröten fressen bevorzugt Quallen, als Teil des gelatinösen Planktons sind sie eine wichtige Nahrungsressource. Ihre Erforschung ist allerdings nicht einfach: “Es ist für Wissenschaftler schwierig, sie lebendig ins Boot zu holen oder in ein Aquarium zu setzen.” erklärt der MBARI-Aquarianer Tommy Knowles.

Die durchsichtigen Tiere sind die frei schwimmende Generation von Nesseltieren (Cnidaria). Es gibt männliche und weibliche Medusen, die sich geschlechtlich fortpflanzen. Diese sexuell aktive Generation wechselt sich mit einer Generation Polypen ab, die nicht freischwimmen und sich ungeschlechtlich vermehren, oft durch Abschnürung. Nesseltiere sind eine Tiergruppe mit Generationswechsel. Ihr gemeinsames Merkmal ist das Gift in den Nesselzellen.

Quallen sind Jäger und töten mit Nesselgift – viele Fischlarven und Jungfische auch kommerziell bedeutsamer Fischarten gehören zu ihrem Nahrungsspektrum, sie haben also eine wirtschaftlichen Impact.
Weiterhin können Massenaufkommen von Quallen auch dem Tourismus schaden – manche Medusen haben so starkes Nesselgift, dass sie Menschen verletzen können.
Heute, wo sich die Ökosysteme im Zuge des Klimawandels, der Überfischung und der Meeresverschmutzung großflächig verändern, wird die Rolle der Quallen zunehmend wichtiger. Ihre Rolle im Ökosystem ist aber immer noch wenig verstanden.
Das ändert sich nun gerade – die Sender helfen dabei.

Kommentare (12)

  1. #1 gedankenknick
    4. August 2017

    Interessanter Artikel.

    Quallen werden scheinbar in China schon gefälscht: https://www.sueddeutsche.de/panorama/lebensmittel-polizei-in-china-hebt-quallen-faelscherring-aus-1.2988394
    Das erstaunt mich ziemlich, denn Quallen scheinen gerade vor Japans Küste schon länger ein echtes Quantitätsproblem zu sein: https://asienspiegel.ch/2009/11/quallenplage-made-in-china/ , woran China scheinbar nicht ganz unschuldig ist.

    Wurden eigentlich schon “Portugisische Galeeren” besendert – und wenn ja hat es der Durchführende ohne größere Schäden überlebt? Ich finde die rein optisch (von Fotos her) ja immer wirklich schau. Zum Glück bin ich noch keiner real begegnet…

    Würfelquallen / Seewespen sind dann noch ein ganz anderes Thema. Zumindest vor australischen Küsten führten sie ja zur Wiederbelebung der Kanzköper-Badeanzug-Mode. Unsere Ur-ur-Großeltern hätten sich gefreut… 😀

  2. #2 Bettina Wurche
    4. August 2017

    @gedankenknick: Quallenfälschung – nicht zu fassen. Naja, wahrscheinlich ist das Zusammenrühren von Natriumsalz und Kalziumchlorid mit Zusätzen immer noch preiswerter, als Quallen zu fischen udn zu verarbeiten. Der im Text genannte Australier ist durch Chironex schwer verletzt worden, die Narben wird er fürs Leben behalten, steht im verlinkten Artikel. Darum hat er ja auch ein persönliches Interesse, ebenso wie die australischen Behörden. Ansonsten dürften erst mal die Quallen vor Kalifornien und Oregon dran sein, Physalia kommt dort vor. Da muss man schon Schutzausrüstung mit Vollmaske anlegen, um sich da ranzutrauen. Ich habe dazu bisher noch keine Info.

  3. #3 gedankenknick
    4. August 2017

    Dass Verletzungen durch Chironex vor Australien wohl häufiger auftreten, und dass kleine Vertreter auch in den mit Netzen abgetrennten Schwimmbereichen enthalten sind, hatte ich schon mal mitbekommen. Deswegen gibts da ja auch diese “Quallenschutzanzüge” https://de.wikipedia.org/wiki/Quallenschutzanzug bzw. Stinger Suit. Das Gewebe ist so dick gewählt, dass die Nesselzellen einfach nicht bis zur Haut reichen. Einfache und effektive Schutzstrategie… (Und nun sag noch mal einer, sinnlos Fernseh-Dokus schauen würde nicht bilden… 😉 )

  4. #4 Bettina Wurche
    4. August 2017

    @gedankenknick. Mich hat auch schon mal der Neopren vor Schlimmerem bewahrt, auch wenn es nur Noctiluca war. Anwohner, die dort häufiger schwimmen gehen, schaffen sich sicherlich einen Schutz an bzw. gehen dann nicht ins Wasser. Die Risikogruppe dürften Ortsunkundige wie Touristen sein, die eben nicht unbedingt die richtige Ausrüstung haben. Das sind die Leute, die ich beim wandern treffe und kopfschüttelnd auf deren FlipFlops gucke. Oder die aufm Pico de Teide feststellen, dass Bikinis in 3700 Metern Höhe keine gute Idee sind : )

  5. #5 RPGNo1
    5. August 2017

    Zu Quallen habe ich eine Kindheitsanekdote. Bei einem Sommerurlaub in den 80er Jahren auf Lolland (dänische Insel in der Ostsee) gab es im Meer so viele Ohrenquallen, dass wir uns nicht in Wasser- sondern regelrechten Quallenschlachten bekämpft haben.
    Und unser Hund war von den Glibbertieren so fasziniert, dass er versucht hat, sich zu apportieren und an Land zu bringen. Es hat natürlich nicht funktioniert, was ihn aber nicht davon abgehalten hat, es hartnäckig immer wieder zu probieren. 🙂

    Nachtrag: Zur Beruhigung aller Quallenfreunde – mit dem heutigen Wissen würde ich natürlich keine Quallenschlacht mehr machen. 😉

  6. #6 RPGNo1
    8. August 2017
  7. #7 Bettina Wurche
    8. August 2017

    @RPGNo1: Sorry fürs In-der-Warteschleife-hängenlassen! Ja, SPON hat den besten Artikel dazu räudig übersetzt : )
    https://www.smh.com.au/victoria/flesheating-bugs-at-brighton-beach-what-really-ate-sam-and-why-20170807-gxqsab.html
    Ich versuche gerade, noch ein Experteninterview dazu zu bekommen, dann gibt´s den von mir noch mal in besserer Qualität. Schönes Thema, wie aus einem extrem schlechten Horrorfilm : )

  8. #8 RPGNo1
    8. August 2017

    @Bettina
    Kein Problem. Ich freue mich schon auf dein Statement zum Thema.

    Einen Titel für den B-Horrorfilm habe ich schon: “Angriff der Amphipoden!” Welcher normale Mensch weiß denn schon, was ein Amphipode ist. 🙂

  9. #9 tomtoo
    8. August 2017

    @RPGNo1
    Ich liebe B-SciFi Horrorfilme.
    Die muss man lieben. ; )

  10. #10 Bettina Wurche
    8. August 2017

    @tomtoo; @RPGNo1: Geht mir auch so – diese pseudowissenschaftlichen SchleFaZ sind unwiderstehlich. Im Moment ist der Artikel von Spektrum angefragt – ich warte noch auf mein Experten-Feedback.

  11. #11 RPGNo1
    9. August 2017

    @tomtoo
    In den USA gibt es eine Filmfirma, die seit Jahren solche Trash-Movies in Serie, u.a. auch aus dem Horrorgenre, produziert. Sie nennt sich passenderweise The Asylum – Die Irrenanstalt. 🙂
    https://de.wikipedia.org/wiki/The_Asylum

  12. #12 tomtoo
    9. August 2017

    @RPGNo1
    Ich liebe die alten , also 50’er und 60’er so mit allen Klischees voll besetzt. ; )