Dieser Beitrag steht im Kontext mit dem Zeit-Online Live-Chat “Woher stammt das Leben auf der Erde?” vom 17.10.2017.
Hier läuft von 12:00 bis 16:00 Uhr am 17.102017 die Diskussion.
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Die Hypothese der Roten Königin besagt, dass die Evolution einer Art nicht nur im Zusammenhang mit ihrer Umwelt korrespondiert, sondern auch direkt mit den sie umgebenden Arten zusammenhängt. Eine Art entwickelt sich also in unmittelbarer Wechselwirkung mit anderen Arten.

Originalillustration aus “Alice hinter den Spiegeln”

Evolution ist eine Art Kopf-an-Kopf-Rennen.
Der Evolutionsbiologe Cockburn schreibt dazu: „Jede evolutive Angleichung an andere Arten kann durch die natürliche Selektion, die auf die Arten wirkt, aufgehoben werden. Van Valen (1973 a) verwendet daher die Metapher von der Roten Königin, um die biotische Evolution zu beschreiben. Eine ständige Veränderung ist notwendig, nicht um die Angepasstheit zu erhöhen, sondern um sie überhaupt aufrecht zu erhalten, genauso wie Alice und die Rote Königin rennen mussten, so schnell sie konnten, ohne irgendwo anzukommen.
[…]
Wir erwarten daher, dass in stabilen Habitaten im Laufe der Zeit Angepasstheit erreicht wird und daher ein evolutives Gleichgewicht vorherrscht. So ein Gleichgewicht wird jedoch durch die Evolution bei anderen Arten gestört, so dass physikalische Stabilität nicht zwangsläufig ein evolutives Gleichgewicht fördert.“ (Cockburn, s. u.)

Bildergebnis für rote königin

Die Rote Königin in Tim Burtons Neuverfilmung (Rote Königin: Helena Bonham-Carter)

Cockburn zitiert dabei Leigh van Valen (1973, s. u.), der die Metapher von der Roten Königin in einem Lehrbuch zur Evolution eingeführt hatte. Van Valen hatte 1973 seine Beobachtungen zum Überleben von Spezies mit Hilfe der Figur der roten Königin beschrieben.
Er bezog sich auf folgenden Passus im Buch:
„Wenn sie später darüber nachdachte, kam Alice nie dahinter, wie alles angefangen hatte: alles woran sie sich erinnern konnte war, dass sie Hand in Hand rannten und dass die Königin so schnell lief, dass sie alles geben musste, um mitzuhalten. Und trotzdem schrie die Königin ständig: „Schneller! Schneller!” Aber Alice hatte das Gefühl, dass sie nicht mehr schneller rennen konnte, bekam aber nicht genügend Luft, um es zu sagen.
Das seltsamste dabei war, dass die Bäume und die anderen Dinge in der Umgebung nie ihre Position änderten: wie schnell sie sich auch immer bewegten, sie schienen nie irgendetwas überholen zu können. „Ich frage mich, ob sich alle Dinge mit uns bewegen“, dachte die verwirrte Alice. Und die Königin schien ihre Gedanken zu erraten, da sie schrie: „Schneller! Versuche nicht, zu reden!“
[…]… hier, [sagte die Königin] siehst du, musst du so schnell rennen wie du kannst, um auf derselben Stelle zu bleiben. Wenn du woanders hin willst, musst du zweimal so schnell rennen!“
„In einem evolutionären System ist ständige Entwicklung erforderlich, damit es seine Fitness relativ zu den Systemen halten kann, mit denen zusammen es sich entwickelt. Nicht die Umweltbedingungen setzen den Red-Queen-Effekt in Gang, sondern die Lebenskraft und der Überlebensdrang der Spezies selbst. Die Antilope muss schneller laufen lernen, um nicht vom Löwen erbeutet zu werden. Schnellere Antilopen erfordern die Entwicklung schnellerer Löwen usw. Die rote Königin und die anderen Lebewesen spornen sich beim Rennen also gegenseitig an. Jeder muss rennen, um nicht hinter den anderen zurückzufallen.“ wie Paul Bayer auf seinem Blog “wandelweb” ausführt.

Die Rote Königin ist eine schöne Metapher.
Sie erklärt sehr gut, dass eine Art nicht im Vakuum existiert, sondern immer im Beziehungsgeflecht mit anderen Arten.
Es geht also um ein evolutives Wettrüsten.
Ich bin ein großer Fan von Carrolls „Alice im Wunderland“ und „Alice hinter den Spiegeln“ (Carroll, 1865; Carroll, 1871, s. u.) und den Geschichten aus dem Innern eines Campus der viktorianischen Zeit. Seine wissenschaftliche Ausbildung schaut aus vielen Seiten des Buches hervor.

Quellen:

Bayer, Paul: wandelweb: „Die Rote Königin“, 4. December 2010 um 20:39

Cockburn, Andrew: “Evolutionsökologie” (1999)

van Valen, Leigh: “A new evolutionary law”. In: Evolutionary Theory. Band 1, 1973, S. 1–30.

Carroll, Lewis: ”Through the Looking-Glass, and What Alice Found There” (1871), Fortsetzung von “Alice’s Adventures in Wonderland (commonly shortened to Alice in Wonderland) ,1865. Ein phantastisches Buch aus der Feder des Mathematikers Charles Lutwidge Dodgson, Dozent in Oxford, veröffentlicht unter dem Pseudonym Lewis Carroll.

 

 

 

 

 

 

Kommentare (6)

  1. #1 Michael
    16. Oktober 2017

    Sehr schöner Beitrag. Das Prinzip scheint universell für veränderliche wechselwirkende Systeme zu sein. Gilt auch in der Wirtschaft: Stillstand ist Rückschritt.

  2. #2 Bettina Wurche
    17. Oktober 2017

    @Michael: Exakt – wandelblogs letzter Abschnitt macht genau diesen Exkurs in die ökonomische Wettbewerbsfähigkeit

  3. #3 Robert
    17. Oktober 2017

    Algen, Moose und Flechten scheinen an diesem Wettlauf nicht teilnehmen zu müssen. Die Insekten schauen gelangweilt zu, die Bakterien und Viren dagegen sind gerade in Rekordlaune.
    Bei den Menschen vermehren sich nicht die biologisch stärksten am meisten, sondern die mit dem kulturellen Rückenwind. Fertilität ist auch eine Frage der Kultur.

  4. #4 Bettina Wurche
    17. Oktober 2017

    @Robert: Ich bin zurzeit im LiveChat – darum antworte ich nur kurz: Ich lese zwischen Deinen Zeilen so ein Geschmäckle, das mir nicht passt. Sollte es weiter ins Rassistische abdriften, behalte ich mir Löschungen vor.
    Selbstverständlich gibt es auch unter Algen u. a. basal gebauten Organismen und ganz besonder sunter Viren Evolution, da geht es etwa um die Optimierung physiologischer Abläufe. Schon mal was von der Mutationsrate von Grippeviren gehört?
    Woher das Leben kommt, ist absolut eindeutig geklärt. Jedenfalls unter Naturwissenschaftlern.
    Religion beschäftigt mich hier nicht.

  5. #5 RPGNo1
    17. Oktober 2017

    @Robert

    Bei den Menschen vermehren sich nicht die biologisch stärksten am meisten, sondern die mit dem kulturellen Rückenwind. Fertilität ist auch eine Frage der Kultur.

    Lies dir bitte den folgenden Geo-Artikel über Afrika durch, dann wirst du eventuell verstehen, dass dein Kommentar vor Unwissenheit nur so strotzt.
    https://www.geo.de/reisen/reiseziele/3971-rtkl-demografie-loewen-vor-dem-sprung
    Eine hohe Geburtenrate hat sehr wenig mit Kultur zu tun. Und die Verwendung des Begriffs Fertilität ist hier völlig falsch am Platz.
    https://de.wikipedia.org/wiki/Fruchtbarkeit

  6. #6 anderer Michael
    19. Oktober 2017

    So ganz unrecht hat Robert nicht. Gesellschaftliche Bedingungen, und damit auch kulturelle , beeinflussen die Vermehrung ebenfalls.
    Die Frage ist halt, aus welchem Blickwinkel man das betrachtet . Einem beschreibenden und neutral wertenden oder einem politischen-kontroversen Blickwinkel.
    Das erste ist Demographie und als Beispiel für das zweite der Spruch eines Albaners während der heißen Phase des Kosovokonfliktes in Richtung der Serben: ” Unsere stärkste Waffe sind die Bäuche unserer Frauen.” Die Geburtenrate der Albaner war doppelt so hoch wie die der Serben. Das Mutterkreuz der Nazis gehört auch in diese Kategorie.
    Allerdings wie mir bekannt, ist die Geburtenratenerhöhung als aggressiver Akt gegen ein anderes Volk durch nationalistische Kampfpropaganda kaum zu erhöhen.Die höhere Geburtenrate der Kosovoalbaner hatte gesellschaftliche Ursache. Keine albanische Frau hat 5 oder 6 Kinder in die Welt gesetzt ,mit dem Ziel ihren serbischen Nachbarinnen zu schaden.