Auch wenn die Publikation fundierter sein mag, als der Artikel in der Mail. Am meisten stört mich bei diesem Zukunftsausblick die Grundannahme, die Menschen als eine Gesamtheit zu betrachten.
Last schreibt „wir“ – aber wer ist „wir“?
Im Zeitungsartikel laufen Begriffe wie species, also Art, und type, also eher eine Untergruppe der Art, etwa ein Ökotypus, durcheinander.
Die Art Homo sapiens ist eine inhomogene große Anzahl von Untergruppen mit unterschiedlichen Kulturen in sehr unterschiedlichen Ökotopen.
Eine Aussage über „die Menschheit“ ist kaum möglich, eher über einzelne Populationen. Es kann schon sein, dass einige dieser Populationen durch das Internet verbunden sind, sie müssen nicht mehr zwangsläufig geographisch nahe beieinander leben, um zu kommunizieren, zu interagieren und möglicherweise sogar zusammen zu lernen. Innerhalb dieser Populationen wird sich sicherlich eine Teilgruppe durch Lernen und Tradierung des Gelernten weiterentwickeln. Es erscheint mir allerdings höchst fragwürdig, ob sich dieser Lernerfolg auf die gesamte Population erstrecken wird oder gar auf mehrere Populationen. Gleichzeitig ist die scharfe Trennung und Abgrenzung einzelner Population in Zeiten der Globalisierung unwahrscheinlicher denn je – dafür wird zu viel gereist und ein- und ausgewandert, über längere Distanzen und schneller denn je zuvor.
Lasts Blick ist fokussiert auf Gruppen von Menschen, wie er in den USA und Europa und vielleicht einigen anderen Staaten anzutreffen ist. Darin liegt für mich der hauptsächliche Fehler in Lasts Gedankengebäude und einigen anderen Beiträgen zur zukünftigen Entwicklung der Menschen. Heute hat nur ein Teil der Menschheit Zugang zum WWW und zu High-Tech-Medizin, wie sie für die von Last angesprochenen Erweiterungen notwendig sind. Im Moment sehe ich keinen keinen Anlass zu dem Gedanken, dass sich das innerhalb der nächsten 20 bis 30 Jahre vollständig verändern wird.
Peter Wards Ideen zur künftigen Evolution des Menschen
Der renommierte Evolutionsbiologe Peter Ward hatte 2009 schon Gedanken zur zukünftigen Evolution der Menschen formuliert. Die Entwicklung größerer Köpfe hält er für ebenso absurd wie die Aufspaltung in zwei Spezies, aus den gleichen Gründen, die ich bereits nannte. Stattdessen erwartet er vielmehr eine immer weiter gehenden Vermischung aller Genpools, die schließlich zu einer immer größeren Ähnlichkeit der Menschen führt.
Er sieht die Evolution der Menschen eher durch großflächiges Genetic Engineering beschleunigt und gezielt verbessert: “Humanity now has an unparalleled means by which to direct our evolution — genetic engineering. By using viruses and other techniques, we can in theory modify our genomes, and over time, scientists may uncover genes underlying intelligence, health, athletic prowess, longevity and other desirable traits, engineering what might seem like superhuman progeny. Genetic engineering is how Ward speculated new species of humans might emerge.”
Die Entstehung neuer Menschengruppen hält er nur durch den gezielten Einsatz von Genetic Engineering für möglich.
Ward scheint mir deutlich näher an der Realität zu sein als Last. Sein populärwissenschaftliches Buch “Future Evolution” steht auf meiner Leseliste weit oben.
Aus dem Einsatz von Gentechnologie zum Tuning von Menschen ergeben sich nicht nur biologische und medizinische, sondern auch eine ganze Reihe von ethischen, sozialen und philosophischen Fragen. Dazu kommen mir so einige Science Fiction-Szenarien in den Sinn, unter anderem die vielen düsteren Cyberpunk-Dystopien.
Aber das würde den Umfang dieses Artikels sprengen.
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