Wie ist das Säugetierohr entstanden?
Was ist ein „sekundäres Kiefergelenk“?
Und: Was beides miteinander zu tun?

Um diese und andere Fragen rund um die Evolution ging es am 17.10.2017 auf Zeit-Online in dem LiveChat “Woher kommt alles Leben?”, meertext war dabei.
Die Frage nach der Ohr-Evolution, hatten wir im Laufe der 4 Stunden Chat nicht mehr geschafft, darum schiebe ich die Antwort hier ein.
Es ist eine etwas längere Geschichte, die in den Meeren der Urzeit ihren Anfang nahm…

File:Branchiostoma lanceolatum.jpg

Branchiostoma (CC Hans Hillewaert via Wikipedia)

Das Lanzettfischchen von Helgoland
Das Lanzettfischchen Branchiostoma führt in den Sandböden vor der deutschen Hochseeinsel Helgoland, den “Amphioxus-Sänden”, der Ostsee oder dem Mittelmeer ein unaufgeregtes, vom größten Teil der Welt vollständig ignoriertes Leben. Es flutscht gelegentlich in den Sand hinein oder heraus und filtriert vor sich hin. Mit der kieferlosen Mundöffnung nimmt es Wasser und Nahrung auf und strudelten das filtrierte Wasser durch die Kiemen wieder hinaus. Der Hohlraum hinter den Kiemen heißt Kiemendarm, die Nahrungspartikel werden dort weiter nach hinten befördert und verdaut.
Das Lanzettfischchen ist ein Vertreter einer Lebensform, die es heute kaum noch gibt: Acrania – Schädellose. Fischvorläufer ohne Schädel und Kiefer.
Aber immerhin schon mit einem knochenlosen Wirbelsäulen-Prototypen aus biegsamem Bindegewebe – der Chorda dorsalis.
Lanzettfischchen sind basale Chordatiere oder Chordaten.
Chordaten sind nachgewiesen bis in Frühe Kambrium: die bisher älteste Art ist Yunnanozoon lividum aus der  Chengjiang-Faunengemeinschaft des  Frühen Kambriums Chinas.
Eine weitere Entwicklungsstufe waren die Rundmäuler (Cyclostomata)wie Neunaugen oder Schleimaale, die mit ihren runden Mäulern Kadaver fressen oder Blut saugen; auch von ihnen gibt es heute nur noch wenige Arten und Gattungen. Der Name „Neunauge“ basiert auf einem Missverständnis: Neunaugen haben exakt ein Auge. Gemeinsam mit der Nasenöffnung und 7 Kiemenöffnungen mag es auf den ersten Blick nach 9 Augen aussehen.

fish-ear

Left:The inner ear with three semicircular canals and three otolith organs. Right: Schematic cut through of an otolith organ. Credit: Lasse Amundsen. Photo source: https://www.geoexprp.com/articales/2011/03/marine-seismic-sources-part-viii-fish-hear-a-great-deal

Irgendwann im Erdaltertum, im Silur, kamen Kiefer in Mode: Die Ränder der Mundöffnungen trugen nun feste Knorpel, aus denen später Knochenschienen wurden. Die ältesten bekannten Kieferträger sind die Stachelhaie, die Acanthodii. Seit dem mittleren Devon, also seit 380 Millionen Jahren. Heute sind die meisten Wirbeltiere Kiefermünder.
Heutige Fische haben Oberkiefer, bewegliche Unterkiefer und ein Gehörorgan. Das Gehörorgan der Fisch ist gleichzeitig ihr Dreh- und Schweresinnesorgan. Die Lagekontrolle erfolgt durch die Bogengänge. Nimmt der Fisch Schall auf, etwa über die Schwimmblase, erfolgt die Weiterleitung des Schalls über eine flüssigkeitsgefüllte Kanäle: Das eigentliche Hörorgan besteht aus „Gruppen von Haarzellen, deren versteifte Zellfortsätze (Stereovilli) in eine gallertartige Masse ragen. Die Bläschen und der Blindsack enthalten je einen Calciumcarbonatstein (Otolith), der bei Bewegung Druck auf die Haarsinneszellen ausübt. Im Labyrinth befindet sich eine Kanalflüssigkeit, die Endolymphe, die den Weitertransport der Schallwellen gewährleistet. Die Kalksteine und die Gallertmasse werden durch die Schallwellen bewegt. Durch die erzeugten Schwingungen werden die Härchen erregt und leiten die Impulse an das Gehirn weiter.“

Außerdem haben sie Schulter- und Beckengürtel für die paarigen Bauch- und Brustflossen.
Irgendwann vor über 380 Millionen Jahren entschlossen sich einige Fische dazu, Liegestütze zu machen. Ihre Brustflossen und der Schultergürtel waren insgesamt stämmig genug, um das ganze Fischlein hochzustemmen und schleppend fortzubewegen.

Amphibien standen mit ihrem Landgang nun vor dem Problem, dass das Element Luft den Schall weitaus schlechter leitet als Wasser. Wenn Herr Urlurch von seiner Holden erhört werden und Feinde und andere Missgeschicke rechtzeitig hören wollte, so brauchte der fischige Hörsinn ein Upgrade für das amphibische: „Frösche und Kröten hingegen haben eine lufthaltige Paukenhöhle mit Trommelfell zum Empfang von Schallwellen ausgebildet. Bei manchen Arten kann man das Trommelfell als kleinen hellen Fleck hinter den Augen erkennen. Das Innenohr der Amphibien ist ähnlich aufgebaut wie das der Fische: Zuoberst liegen die drei Bogengänge, die Papille befindet sich im Sacculus. Ein stabförmiges Gehörknöchelchen im Innenohr überträgt die Schallwellen vom Trommelfell auf das ovale Fenster.“
Über das Ohr ursprünglicher Amphibien und ihr Hörvermögen ist damit noch nicht viel bekannt. Fest steht nur, dass auch bei den Amphibien in über 300 Millionen Jahren sehr viel passiert sein dürfte.Das Amphibienohr der heutigen Lurche ist also sehr gut entwickelt, vor allem bei Fröschen, weil es zur Partnersuche genutzt wird.

Bildergebnis für reptile ear

Reptile ears, living representatives (https://pterosaurheresies.wordpress.com/tag/reptile-ear/)

Reptilien – der totale Landgang
Bei den Reptilien ist das Hörorgan vollständig an das Hören in der Luft angepasst: „Ein langgestreckter Anhang des unteren Säckchens enthält mehrere Sinnesendstellen. Das Innenohr wird vom ovalen Fenster, das mit einem Gehörknöchelchen verbunden ist, und dem runden Fenster, das dem Druckausgleich dient, begrenzt. Die lufthaltige Paukenhöhle wird vom Trommelfell begrenzt und steht über eine kurze eustachische Röhre mit dem Rachenraum in Verbindung.” Das Reptilien-Hörorgan ist äußerlich klar sichtbar.
(Der ursprünglich hier gesetzte Link zu David Peters Blog ist entfernt, s. Kommentare #3 und #4).

Vögel haben das Reptilienohr perfektioniert, moderne Federviecher hören ausgezeichnet. Nicht nur in dieser Hinsicht zeigen die Erben der Dinosaurier konvergente Entwicklungen zu denen der modernen Säuger:
„Der Feinbau des schallaufnehmenden Apparates zeigt Ähnlichkeit mit dem der Säuger. Die Ohröffnungen liegen am Hinterkopf. In der Paukenhöhle ist wie bei Amphibien und Reptilien nur ein Gehörknöchelchen ausgebildet. Mit diesem Knöchelchen werden die Schwingungen des Trommelfells in das Gehörorgan übertragen. Das Gehörorgan wird hier zwar schon Schnecke (Cochlea) genannt, weist jedoch lediglich eine leichte Spiralkrümmung – noch keine echte Schneckenform – auf. Vögel können Töne bis zu einem Halbton voneinander unterscheiden. Einige Arten können Frequenzen bis zu 30 000 Hz wahrnehmen. Der südamerikanische Fettschwalm zeigt eine Echoorientierung.

Säugetiere haben sich aus Tiergruppen entwickelt, die sich schon sehr früh von der Reptilien-Verwandtschaft abgesetzt haben: Zunächst als säugerähnliche Reptilien, später als reptilartige Säugetiere (Eine Sammlung prachtvoller Therapsiden, säugetierähnlicher Reptilien, hatte ich im New Yorker American Museum of Natural History bewundert).

„Die Evolution der Säugetiere ist ein graduell verlaufender Prozess, der mit der Trennung der Sauropsiden– und Synapsiden-Linie irgendwann im Oberkarbon vor mehr als 300 Millionen Jahren begann und bis heute andauert. Bereits in der mittleren Trias existierten Vertreter, die Säugetieren sehr ähnlich sahen. Die ersten „echten“ Säugetiere traten jedoch erst in der Oberen Trias oder im Unteren Jura auf.“ steht in dem ausgzeichneten Wikipedia-Beitrag Evolution der Säugetiere.

Die Anfänge der Säugetiere gehen also mindestens bis in den Unteren Jura zurück und sind somit deutlich älter, als gemeinhin bekannt ist.
Ihre auffallendsten äußerlichen Merkmale wie ihr Fell und die Brustdrüsen sind im Fossilbefund oder auch am rezenten Skelett unsichtbar. Darum ist eines der wichtigsten Säugermerkmale für Paläontologen das sekundäre Kiefergelenk, das die gesamte Form des Säugerschädels maßgeblich prägt. Und natürlich das namengebende große Schläfenfenster, das im direkten Kontext mit der Kieferentwicklung steht. Das synapside Schläfenfenster  hat uns unseren Namen gegeben: Wir sind Synapsida.
Auch die Zähne dieser uralten säugetierähnlichen Reptilien mit ihren oft sehr großen Eckzähnen sehen schon klar anders aus als die gleichförmige Bezahnung der Sauriersippe.

Was Kiefer und Ohr mit einem Kiemenboge zu tun haben und woran unser innerer Fisch heute noch gut erkennbar ist, erzähle ich im 2. Teil dieses Beitrags.
Zum Weiterlesen sei unbedingt Neil Shubins “Der Fisch in uns” empfohlen, als Buch oder verfilmt.

Kommentare (16)

  1. #1 rolak
    18. November 2017

    Die real gewordene Ankündigung^^ schick!

    oder verfilmt

    in EN, war durch Wdh letztens wieder mal in der ZDF-Mediathek, doch aktuell ist nur noch #3 verfügbar…

  2. #2 RPGNo1
    18. November 2017

    @Bettina Wurche
    Wieder einmal ein großes Dankeschön für den lehrreichen Artikel.
    Neill Shubins Buch habe ich mir übrigens aufgrund deiner Empfehlung besorgt. Es wird ab übernächster Woche Teil meiner Urlaubslektüre.

    @rolak
    Danke auch an dich. Die Clips werde ich mir an einem grauen Sonntag zu Gemüte führen. Der Wetterbericht für morgen sieht entsprechend aus.

    🙂

  3. #3 Dave
    18. November 2017

    Zum Weiterlesen über das Reptilienohr sei der aus­gezeich­nete Blog-Beitrag “The comings and goings of lepido­sauro­morph ears” empfohlen.

    Ein Link zu pterosaurheresis von David Peters, dem kre­ati­ven Genie hinter reptileevolution.com? Darren Naish (der Autor von Tetra­pod Zoo­logy, einem von mir sehr ge­schätz­ten Blog) sieht in Peters einen irreparablen Crank und schreibt dazu

    Dave runs a second internet site – a blog called The Ptero­saur Heresies, subtitled “There’s some­thing very wrong with our ptero­saurs”. I don’t agree with any of the stuff he says there, either (and, in fact, some of it I find per­son­ally insult­ing) […]

    Frage an die Autorin: Stimmen Sie der Ein­schä­tzung Naish’s generell nicht zu, oder hat Peters bei seinem Artikel über Rep­tilien­ohren aus­nahms­weise mal einen guten Tag gehabt?

    (Das ist der achte und hoffentlich letzte Ver­such, zu diesem Thema zu posten. Sollte das Posting irgend­wann mehr­­fach auf­­tauchen, dann bitte ignorie­ren oder löschen nach Be­lie­ben. Sollte es auch jetzt nicht durch­gehen, dann ver­suche ich es noch­mals ohne Links)

  4. #4 tomW
    18. November 2017

    “Neunaugen haben exakt ein Auge.”

    Ist etwas missverständlich, oder?

  5. #5 Bettina Wurche
    18. November 2017

    @Dave: uuuups…Darren Naish ist nun wirklich ein absolut großartiger und geachteteter Paläontologe. Da bin ich den sehr guten Übersichtszeichnungen von Peters aufgesessen, er ist wirklich sehr hoch im Googleranking angesiedelt. O. k., nach einer weiteren Recherche denke ich, dass Peters zwar ein guter Illustrator und Schreiber ist, aber offenbar seine sehr eigene Vorstellung der Reptilien-Evolution abgekoppelt von anderen Publikationen durchzieht.
    Das heisst nicht, dass nur Mainstream-Forschung gut und richtig sein muss und keine anderen Gedankengänge erlaubt sein sollten. Wissenschaft funktioniert alledings so, dass eine Menge Leute viele Daten zusammentragen und es darüber Diskussionen gibt, die nach und nach ein großes Bild für den aktuellen wissesschaftlichen Stand ergeben. Normalerweise führen unterschiedliche Ansätze mit unterschiedlichen Methoden zu ähnlichen Ergebnissen.
    Extrem abweichende Meinungen, die sich von Ergebnissen stark unterscheiden, sind meiner Erfahrung nach mit großer Vorsicht zu genießen. Gerade wenn es sich um Quereinsteiger handelt.
    Vielen Dank, Dave, den link zu Peters nehme ich ´raus.

    Zum Weiterlesen dazu:
    https://blogs.scientificamerican.com/tetrapod-zoology/world-must-ignore-reptileevolution-com/

    https://freethoughtblogs.com/pharyngula/2015/06/12/jurassic-world-david-peters-and-how-to-rile-up-paleontologists/

    https://motherboard.vice.com/en_us/article/vvb8kj/why-paleontologists-get-riled-up-over-this-heretical-pterosaur-concept-art

    https://paleoking.blogspot.de/2011/05/strange-journey-of-david-peters.html

    https://pterosaur-net.blogspot.de/2012/07/pterosaurnet-wades-in-against.html

  6. #6 Bettina Wurche
    18. November 2017

    @Dave: Shame over me. Peters hat auch noch eigene Theorien zur Abstammung der Wale entwickelt. Die sind wirklich übel.
    https://pterosaurheresies.wordpress.com/tag/origin-of-whales/
    Die diphyletische Evolution der Wale ist sowohl durch die molekularen Methoden als auch den Fossilbefund nun wirklich längst vom Tisch. Die postulierte Abstammung von den Desmostylia ist hanebüchen.

  7. #7 Dampier
    19. November 2017

    Schöner Artikel, danke :]

    Neunaugen haben exakt ein Auge

    fand ich auch kurios …

  8. #8 Alderamin
    22. November 2017

    Normalerweise wird in der Evolution immer auf vorhandenem aufgebaut und dieses modifziert, wie man hier wieder sieht. Was einmal verloren gegangen ist, ist weg. Ist auch einfach nachzuvollziehen.

    Nur im Kambrium war es anders, da entstanden in kurzer Zeit um die 30 verschiedene Tierstämme, von denen nur noch weniger als 10 verblieben sind (habe ich vor einer Weile mal so in einem Buch gelesen, mittlerweile ist die Taxonomie offenbar komplexer geworden, ich habe aber nur die Zahlen aus dem Buch im Kopf).

    Gibt’s dazu eigentlich eine Theorie? Wieso konnten sich damals so viele charakteristische neue Merkmale in kurzer Zeit ausbilden und wieso später nicht mehr?

  9. #9 RPGNo1
    22. November 2017

    @Alderamin
    Deine Frage ist stark mit der der “kambrischen Explosion” verknüpft.
    Ist es denn wirklich so, dass sich so viele neue Merkmale in kurzer Zeit ausbildeten? Oder liegt es nicht eher daran, dass wir aus präkambrischen Zeiten einfach zu wenige Fossilien zur Verfügung haben, da eine Versteinerung aufgrund fehlender harter Körperbestandteile stark erschwert war und uns somit schlicht die nötigen Hinweise fehlen?
    Ich meine, dass z.B. Richard Dawkins dieses Problem mehrfach in seinen Büchern anspricht, kann aber kein konkretes Beispiel nennen.

  10. #10 Alderamin
    22. November 2017

    @RPGNo1

    Kann sein, dass ich es im “Egoistischen Gen” gelesen hatte. Na klar, es geht um die Kambrische Explosion.

    Die Frage ist, wie es damals möglich war, dass sich so viele neue Merkmale anscheinend aus dem Nichts entwickelten. Es hat damals wohl einen hohen Selektionsdruck gegeben, aber erklärt das alleine, wie ziemlich plötzlich Gliedmaßen, Skelette, Panzer usw. entstanden, für die es keine oder nur unspezifische Vorläuferstrukturen gegeben hat, oder verstehe ich das miss und es war beispielsweise nur eine frühe Radiation von Eigenschaften, die sich nachher aufgrund ihrer Vielseitigkeit erhalten hat und kaum erweitert zu werden brauchte?

    Wäre vielleicht sogar einen eigenen Artikel wert, falls Bettina noch Themen sucht. 😉

  11. #11 RPGNo1
    22. November 2017

    @Alderamin
    Ich wäre immer vorsichtig mit der Aussage, “dass sich so viele neue Merkmale anscheinend aus dem Nichts entwickelten”. Das ist so ein typischer Kreationisten- oder IDler-Slang.
    Nicht dass ich dich zu jenen Gruppen zählen würde, um es gleich klarzustellen. 🙂

    Aber wie es zur kambrischen Explosion kommen konnte, ist nach meinem letzten Stand immer noch heiße Diskussion unter den Fachleuten. Die deutsche Wiki hält sich mit Erklärungen diesbezüglich sehr zurück. Die englische Wiki ist etwas ausführlicher, aber konkrete Beweise liefert sie auch nicht. Wenn es einem Forscher oder einer Forschungsgruppe jemals gelingen sollte, dieses Rätsel zu lösen, dann wäre auf alle Fälle der Nobelpreis für Physiologie oder Medizin fällig.

  12. #12 Bettina Wurche
    22. November 2017

    @RPGNo1, @Alderamin: “The sudden appearance of fossils that marks the so-called ‘Cambrian explosion’ has intrigued and exercised biologists since Darwin’s time. In On the Origin of Species, Darwin made it clear that he believed that ancestral forms ‘lived long before’ their first fossil representatives. While he considered such an invisible record necessary to explain the level of complexity already seen in the fossils of early trilobites, Darwin was at a loss to explain why there were no corresponding fossils of these earlier forms. […] We now know that the sudden appearance of fossils in the Cambrian (541–485 million years ago) is real and not an artefact of an imperfect fossil record: rapid diversification of animals coincided with the evolution of biomineralized shells. And although fossils in earlier rocks are rare, they are not absent: their rarity reflects the low diversity of life at this time, as well as the low preservation potential of Precambrian organisms (see Primer by Butterfield, in this issue).” schreibt Derek Briggs in “The Cambrian explosion” (Briggs ist einer der besten Kenner von Evertebraten dieser Zeit und Weichteilfossilisation). Der Beitrag ist von 2015, also sehr aktuell.
    https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0960982215004984
    “However, some 19 (∼60%) of the ∼33 phyla recognized today lack readily preserved hard parts and are soft-bodied. Exceptionally preserved Cambrian fossil deposits, such as the famous Burgess Shale, yield examples of 14 of the 19 soft-bodied phyla.”
    “The Cambrian fauna was dominated by families of ecological generalists, such as trilobites, brachiopods and stem echinoderms. The succeeding Paleozoic fauna was characterized by more specialized groups — echinoderms, graptolites, ostracod crustaceans and corals — and reached a much higher maximum diversity in the Ordovician. In effect, the major body plans or phyla were established during the Cambrian explosion and marine animal diversity reached a ‘plateau’ in the Ordovician, a steady state which was impacted by extinctions but only seriously disrupted by the enormous mass extinction at the end of the Permian, which defines the end of the Paleozoic. Although later compilations of diversity through time have refined this picture, the general pattern of rapid diversification in the Cambrian and Ordovician remains valid.”
    “It appears that evolution during the Cambrian rapidly exploited the potential range of form, and subsequent diversification was subject to similar limitations as today. The affinities of some of the Cambrian creatures that were dubbed ‘weird wonders’ are still debated but phylogenetic analyses have shown that most of them are much less weird than first thought — they do not represent extinct higher taxa, but are early offshoots of the lineages leading to modern groups.”
    Weiter schreibt er, dass es mittlerweile 50 Konservat-Lagerstätten mit exquisiten marinen Fossilien gibt – das hat mich jetzt überrascht, so viele kannte ich nicht annähernd.

    “Setting off the explosion
    The drivers behind the Cambrian explosion were varied and complex, and there is no simple explanation of either the timing or ecological mechanism involved. The rise of oxygen levels in the earth’s atmosphere and oceans has often been implicated in initiating rapid diversification. A recent study of polychaete feeding strategies in modern environments suggests that there may be a direct link between critical oxygen thresholds, the rise of larger carnivores, and the evolution of complex food webs.”

    Der ganze Beitrag ist sehr lesenswert
    https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0960982215004984

    Über große Arthropoden in den Fezouata-Biota in Marokko hatte ich übrigens einen Wiki-Beitrag verfasst: ein zwei Meter großer früher Arthropode und Planktonfresser. Ziemlich abgefahren.
    https://de.wikipedia.org/wiki/Aegirocassis

    Ja, die Burgess Shale und die anderen Konservat-Lagerstätten, vor allem die noch wenig bekannten in China und Marokko wären unbedingt einen Beitrag wert.
    Aber ich möchte jetzt erstmal wieder zu den Walen zurückgehen, das schleppe ich schon seit Monaten mit mir herum.

  13. #13 RPGNo1
    23. November 2017

    @Bettina Wurche
    Danke für die zusätzlichen Informationen.

  14. #14 Alderamin
    23. November 2017

    @Bettina

    Auch Dank von mir. Was auch immer der Antrieb gewesen sein mag, verwundert es dennoch, wie das Genom damals im Gegensatz zu heute so flexibel sein konnte.

    Mag vielleicht an damals einfacheren Bauplänen (kürzere Genome?) und noch vieler offener ökologischer Nischen gelegen haben (nach dem Ende der Sauier gab’s ja auch eine Art Explosion der Säugetiere).

  15. #15 Gerhard
    24. November 2017

    Erst jetzt entdeckt…
    Neil Shubin#s Buch las ich auch.
    @Bettina: Ich drucke mir das aus. Solches ist leereich und hochinteressant! 🙂

  16. #16 Gerhard
    24. November 2017

    lehrreich!!