Menhaden (Brevoortia tyrannus) gehören zu den Heringsartigen, die Fische der Heringsfamilie heißen wegen ihrer silbrigen Färbung im Volksmund auch Blankfische. Mit ihrem hohen Rücken und den dunklen Punkten auf der Seite sehen die Menhaden dem Maifisch ähnlicher als der Sprotte. In großen Schwärmen bevölkern sie den östlichen Nord-Atlantik, von Nova Scotia bis nach Florida.
Menhaden fressen vor allem Phyto- und Zooplankton und setzen das in einen hohen Ölgehalt um, ihre Menge und ihr hoher Nährwert machen sie zu einer ökologisch bedeutsamen Nahrungsgrundlage für größere Fische und Meeressäuger. Sie sind auch der Grund für die Anwesenheit so vieler Buckelwale direkt vor New York, dass von dort aus Whale watching-Touren angeboten werden, aber das ist eine andere Geschichte.
Ökologisch und auch geschmacklich sind sie das Pendant zur europäischen Sardine.
Durch den hohen Ölgehalt schmeckt ihr Fleisch ölig-tranig, darum waren sie nie Bestandteil der menschlichen Nahrung. Dennoch fischen Menschen große Mengen der kleinen Blankfische und verarbeiten sie zu Fischmehl oder Fischöl, düngen damit ihre Felder oder nutzen sie als Köder.
Der Name „Menhaden“ leitet sich vom munnawhatteaug der amerikanischen Ureinwohner ab und bedeutet soviel wie „der, der fruchtbar macht“ (im Sinne von Düngen). Ihre „Erfolgsgeschichte“ als Düngemittel aus dem Meer ist also schon Jahrtausende alt.
Menhaden sind an der amerikanischen Atlantikküste häufig. Darum war der Biologie-Professor John Waldman auch gar nicht erstaunt, im Dezember 2015 bei seinem üblichen Blick ins Hafenbecken von Hempstead Harbor (New York) im Long Island Sound auch einen kleinen Schwarm dieser Heringsartigen zu erspähen. Als Fisch- und Fischerei-Experte ist er mit ihnen schließlich gut vertraut und erkennt die einzelnen Arten nicht zuletzt auch an ihren typischen Bewegungsmustern. Diesmal fiel ihm auf, dass einige der kleinen Fische ein abweichendes Schwimmverhalten zeigten: Sie bewegten ihre Schwanzflossen eigenartig. Die Bewegungen erinnerten ihn an männlichen Guppies, von denen einige Zuchtformen überdimensional große Schwanzflossen ausbilden.
Da es bereits dunkelte, konnte er aber keine Details erkennen. Auch wollte keiner der Jungfische an seinen Angelhaken anbeißen. Darum kam er zwei Tage später mit einer kleinen Fischreuse zurück und war damit erfolgreicher. Nun konnte er seinen Fang genau in Augenschein nehmen: Einige der kleinen silbrigen Fische schleppten Algenbüschel mit sich herum, von denen manche länger waren als ihre schwimmenden Träger.
Die Algen wuchsen in rötlichen Röhren, die wiederum aus den Fischen herausragten. Diese rötlichen Strulturen kannte er, sie gehörten zu parasitischen Krebsen. Eine solch ungewöhnliche Form und Verkettung der Parasitierung mit Algen hatte John Waldman allerdings noch nie gesehen!
Auf der Suche nach einer Erklärung schickte er Photos davon an einige Fisch-Parasitologen und Menhaden-Experten. Die Antworten kamen prompt: Diese Dreifach-Lebensgemeinschaft aus Fisch, parasitischem Ruderfußkrebs und Alge war wissenschaftlich nicht bekannt und ein absolutes Novum.
Die roten Röhren, die aus den Fischen wuchsen sind der unsegmentierte, äußerlich sichtbare Teil erwachsener Weibchen des sogenannten „Ankerwurms“. Der parasitische Ruderfußkrebs Lernaeenicus radiatus sitzt mit einem ankerförmigen Teil seines Körpers tief in der Muskulatur eines Fisches fest, der röhrenförmige Teil ragt aus dem Fisch heraus. Typisch für Parasitäre Krebse sehen Männchen und Weibchen extrem unterschiedlich aus und bestehen zu einem besonders großen Teil nur noch aus Geschlechtsorganen, dadurch ist ihre Krustentier-Natur kaum noch erkennbar. Diese Parasiten schaden dem Wirtsfisch unmittelbar nur wenig, sie können aber schwere Entzündungen verursachen oder das Einfallstor für bakterielle oder Pilz-Infektionen sein. Mehr als 30 Familien solcher Copepoden sind als Fischparasiten bekannt, sie sind also nicht ungewöhnlich.
Ungewöhnlich war hier nur, dass auf dem Krebs noch Algen wuchsen: die Grünalge Enteromorpha intestinalis und die Rotalge Polysiphonia sp.. Wie ein farbenprächtiges Banner in Grasgrün und dunklem Rot „wehten“ die Algen im Kielwasser ihres Trägerfischs. Die Rotalge war dabei eher ein kurzer roter Tuff, während die grünlich-durchsichtige Grünalge bis zur zweifachen Länge des Fisches heranwuchs. Darum nannte John Waldman diese Menhaden auch „Salatrücken“ (salad backs).
Auf 69% der 99 gefangenen Fische fand Waldman zwischen einem und vier der parasitären Krebse – an Maul und Zunge der Fische, am Flossenansatz, an der Seite oder am Schwanzflossenansatz. Von den befallenen Menhaden hatten dann wiederum 69% noch eine Algenlast zu tragen.
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