Durchsichtig-opalisierend schimmernde Kreaturen fliegen mit eleganten Flügeln durch die Schwärze des Ozeans. Die durchsichtigen Flügelchen bewegen sich langsam, dabei windet sich auch der ganze Leib. Ihr ebenfalls fast transparenter Kopf trägt zwei kleine Hörnchen, die eher an eine Teufelchen, als an ein Engelchen erinnern.
Flügelschnecken!
Meeresschnecken, die auf den Schutz ihrer Außenschale verzichten und sich stattdessen, wie so viele Meeresschnecken für die Leichtigkeit der Fortbewegung im freien Ozean entschieden haben. Flügelschnecken sind sehr klein, sie gehören zum Plankton.
Ihre Flügel sind ein Teil des Fußes, also der ursprünglichen Kriechsohle der Schnecke, die sich dünn und verbreitert an den Körperseiten befinden (Parapodien).Die allergrößten Exemplare bietet die Clione limacina, eine kapitale Clione kann bis zu 5 Zentimeter lang werden. Die meisten dieser planktischen Weichtiere bleiben aber unter 1 Zentimeter Körpergröße und sind eher Schneckchen als Schnecken.
Zugunsten der Schwimmfähigkeit – für Schnecken sind sie übrigens ziemlich schnell – ist ihre Schale nur noch winzig: ein winziger Kelch wie aus Kristall.
Ohne Versteckmöglichkeiten wie Steine oder Wasserpflanzen und mit einer winzigen, zerbrechlichen Schale, die keinen Schutz gegen Freßfeinde bietet, verbergen sie sich in der Transparenz der Wassersäule. Allerdings produzieren sie auch noch eine chemische Abwehr: Der Antarktische See-Engel Clione antarctica produziert einen Abwehrstoff, ein erst kürzlich entdecktes Molekül namens Pteroenon.
Die Thecosomata (griech. „Schalenkörper“) habe ich während des Studiums noch als Pteropoda („Flügelfüßer“) kennengelernt, die Systematik der Schnecken unterliegt immer wieder Revisionen. Sie gehören zu den Hinterkiemerschnecken.
Im Englischen heißen sie “Sea Angels”, im Französischen “Anges de mer”, was bei ihrer Form und Fortbewegung wirklich naheliegt.
(Danke, Cara, für das Video!)
Trotz ihres engelsgleichen ätherischen Erscheinung sind sie Jäger, am liebsten fangen sie Seeschmetterlinge, ihre engen Verwandten.
Wenn eine Clione sich zum Jagen und Fressen entschliesst, durchläuft sie eine außergewöhnliche Veränderung: Am Kopf, vor der Mundöffnung, trägt die Schnecke 6 lange, hakenbesetzte Tentakel. Beim Annähern an die Beute bläst sie die Tentakel auf, bis sie fast die halbe Größe ihrer Körperlänge erreichen. Mit diesen Tentakeln fängt Clione dann die kleinere Limacina und verschlingt sie. In einer Saison kann Clione bis zu 500 Seeschmetterlinge fangen, sie legt davon Fettreserven an. Der Freßmechanismus und phantastische Bilder sind auf Aquatilis: “Angels and Butterflies of the North:A family story of deadly hunts and deep sea mystery” zu bewundern.
Sollten diese vegetarischen Meeresschnecken wie etwa Limacina nicht zur Verfügung stehen, kann Clione bis zu einem Jahr lang hungern – sie schrumpft dann und reduziert ihren Stoffwechsel.
Sie selbst sind wiederum durch ihre Massenvorkommen in manchen Ozeanen “Walaat” – Walfutter und natürlich auch ein beliebter Snack für viele Fische und andere Meeresbewohner. Aufgrund ihrer großen Individuenzahl wird das die Schnecke nicht ausrotten.
Gefahr droht diesen Tieren nur aus Richtung der Menschen:
“Durch die global steigenden Kohlendioxidgehalte steigt auch der Säuregehalt der Meere. Schon in naher Zukunft wäre dadurch die Schalenbildung bei Limacina helicina verhindert. Mit dem Verschwinden ihrer einzigen Nahrung verliert auch Clione ihre Existenzgrundlage. Ein Aussterben beider Flügelschneckenarten würde Auswirkungen für das gesamte Nahrungsnetz haben, denn beide Arten sind wichtige Mitglieder der Nahrungskette im Polarmeer.”
Das von Menschen emittierte Kohlendioxid (CO2) erwärmt nicht nur die Atmosphäre, sondern lässt auch die Weltmeere saurer werden; der hohe Säuregehalt löst Kalk auf, aus dem viele Tiere ihre Schalen bauen. Schnecken, Muscheln, Korallen und viele andere kalkschalenbauende Meeresbewohner werden dann sterben, ganze Gattungen und große Gruppen von Tieren werden aussterben.
Dann können wir sie immerhin noch im Heim-Aquarium züchten:
Was haben Clione-Schnecken mit der AfD zu tun?
Leider einiges.
Aus aktuellem Anlass möchte ich darauf hinweisen, dass die AfD im Bundestag nun versucht, ihre parlamentarische Arbeit aufzunehmen. Neben Pöbeleien, Beleidigt-Sein und Beleidigen gehört dazu auch die Mitarbeit bzw. sogar der Vorsitz in Fachausschüssen.
Und nun kommt der Bezug zu den Meeresengeln:
Das AfD-Wahlprogramm negiert den Klimawandel und die Ozeanversauerung. Stattdessen stellen sie fest, dass CO2 eine Gabe ist, deren Ausstoß keinesfalls reduziert werden solle und fordern weiterhin den Ausstieg aus der Energiewende. Die “IPCC und deutsche Regierung unterschlagen die positive Wirkung des CO2 auf das Pflanzenwachstum und damit auf die Welternährung. Je mehr es davon in der Atmosphäre gibt, umso kräftiger fällt das Pflanzenwachstum aus.”
Ja, CO2 ist sicherlich gut für Pflanzen. Menschen sind aber keine Pflanzen. Und die Erwärmung, die das CO2 nebenbei auch produziert, ist für viele Pflanzen auch problematisch, denn Trockenheit und hohe Temperaturen sind für Dattelpalmen sicherlich phantastisch, nicht aber für Apfelbäume.
Ich hoffe immer noch, dass viele AfD-Wähler nur aus Protest und ohne echte Hintergrundinformation diese Partei gewählt haben und vielleicht endlich mal wieder mit dem Nachdenken anfangen.
Verkürzt: Die AfD will Meeresengel töten!
Das ist fast so schlimm, wie Kätzchen zu schreddern. Oder?
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