Dramatische Szenen spielen sich zu dieser Jahreszeit in der südkalifornischen Monterey Bay ab: Ein Orca-Clan jagt ein Grauwalbaby, die Mutter verteidigt ihr Junges verzweifelt. Acht erwachsene Schwertwale (Orcinus orca) (und ein Baby) umkreisen das Mutter-Kind-Paar und versuchen, den kleinen Grauwal (Eschrichtius robustus) zu isolieren. Aber die Mutter kämpft vehement gegen die Überzahl der Zahnwale, schließlich hebt sie ihr Baby sogar aus dem Wasser, um es vor den Zahnwalen zu retten.
In diesem Fall haben die Orcas keine Grauwal-Mahlzeit bekommen. Ob die Mutter den Kleinen energisch genug beschützt hat oder die Orcas die Lust verloren haben, kann niemand sagen.
In nur 12 Tagen hat dieser Orca-Clan in diesem Areal 2018 sechs Grauwal-Jungtiere erbeutet, 2017 hatten sie in 10 Tagen vier junge Grauwale erlegt. Diese wilde Jagd fand direkt vor der südkalifonischen Küste statt, teilweise vor den Augen eines Whale-watching-Schiffes mit Touristen.
Nancy Black ist Meeresbiologin, Wal-Expertin und Miteigentümerin von Monterey Bay Whale Watch. Sie kennt die Orca-Familie aus den acht Erwachsenen und dem Baby schon lange.
Diese Orca-Gruppe besteht aus einer Matriarchin, ihrer Tochter – genannt “Emma”, deren Tochter, einigen Halbwüchsigen und einem Baby – “Little B”. Diese Familie war an allen Attacken beteiligt, an der ersten Grauwaljagd hatten sich allerdings insgesamt 33 Orcas beteiligt. Als Whale-Watching-Veranstalterin kennt Nancy Black “ihre” Wale, schließlich beobachtet sie sie regelmäßig seit Jahren. “Die Orcas kommen und gehen, sie sind nicht immer da,” erzählte Nancy Black dem Monterey Herald. “In April und Mai sehen wir sie wesentlich häufiger, dann ist nämlich die Grauwalwanderung.” Die Grauwalmütter ziehen mit ihren Neugeborenen um diese Jahreszeit von Mexiko nach Norden, die kalifonische Küste entlang. Die Bartenwale mit der Ramsnase und der grau marmorierten Haut sind für Schwertwale keine ungewöhnliche Beute, vor allem die Jungtiere sind begehrte Ziele.
Erwachsene Orcas können solche Gelegenheit nutzen, um den jüngeren Tieren das Jagen großer Wale beizubringen. Auch wenn Grauwale nicht die größten Bartenwale sind, kann die Jagd für Orcas gefährlich werden – ein erwachsener Bartenwal hat zwar keine Zähne, kann aber mit der gewaltigen Fluke gewaltige Schläge austeilen, betont Nacy Black. Orca-Clans entwickeln über lange Zeiträume hinweg für ihre Beute perfektionierte Jagdmethoden, die sie innerhalb ihrer Gruppe weitergeben. Nach erfolgreicher Jagd teilen die großen Delphine die gemeinsam erlegte Beute dann mit ihren Gruppenmitgliedern.
Manchmal allerdings bekommen die Orcas bei ihrem Fischzug auch Ärger:
Monterey Bay Whale Watch hatte am 3 Mai 2017 ein Video publiziert, das eine dritte Walart zeigt: Während die Orcas ihre Beute verzehren (der 7. Anrgiff innerhalb von 12 Tagen) tauchten einige Buckelwale auf! Die Buckelwale trompeten und störten die Schwertwale, sie rauschten mit Bugwelle und mit den langen Flippern platschend in die Emma & Co-Gruppe hinein (Video from Marine Biologist Nancy Black’s All Day Whale Watch trip, by passenger Anoorag Saxena – with editing by Katie Dunbar and Jason Berring.)
Dass Buckelwale anderen Walen im Kampf gegen Orcas zu Hilfe eilen, ist erst in den letzten Jahren aus dem Bereich der Anekdote zu einer wissenschaftlichen Beobachtung geworden, wie auf meertext: Mobben Buckelwale Orcas? zu lesen ist.
Das Verhalten der Orcas, der verzweifelte Kampf der Mutter um ihr Kalb und die als Schutzengel herbeilenden Buckelwale dürften nicht neu sein. Aber durch die erst seit kurzer Zeit eingesetzten Dronen gibt es nun auch die filmische Dokumentation dieser Titanenkampfe.
Die Baja California, die Kinderstube der nordpazifischen Grauwale
Jedes Jahr ziehen die östlichen nordpazifischen Grauwale aus den kalten, nahrungsreichen Gewässern vor Alaska und Kanada die Küste entlang nach Süden. Ihr Ziel: Die Baja California mit ihren flachen Lagunen. Dort gebären die Walinnen ihre Kälber, in den flachen Lagunen sind die Mütter und ihre Neugeborenen geschützt vor Orcas und großen Haien. Aber bald nach der Geburt müssen sie sich wieder in ihre Nahrungsgründe nach Norden aufmachen. Dann schlagen die Meeresjäger zu.
Die Baja California war Ort eines der blutigsten Kapitel der Wallfanggeschichte. 1857 entdeckte der US-Amerikaner Charles Scammon dieses Refugium der großen Meeressäuger und begann sofort mit der Ausbeutung. Schnell folgten ihm andere Walfänger, innerhalb weniger Jahre harpunierten sie über 8000 Grauwale. Da sie nur die erwachsenen Weibchen jagten und die Kälber zurückließen, dürften durch das Töten der Mütter noch einmal mehrere Tausend Neugeborene verhungert sein.
Sie waren dann auch eine der ersten Wal-Populationen, die unter Schutz gestellt wurden. Heute sind die östlichen nordpazifischen Grauwale wieder zahlreich. Geld bringen sie den Menschen weiterhin ein – mit einem gut organisierten und recht walverträglichen Whale watching-Angebot.
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