Island betreibt (Piraten-)Walfang, für Finnwal und Zwergwal gibt es Fangquoten. Blauwale, Buckelwale, Nördliche Glattwale und Grönlandwale hingegen dürfen nicht geschossen werden, nach Artikel 3 und 10 der Isländischen Walfang-Verordnung.
Am 8. Juli 2018, lag in der Walfangstation in Hvalfjörður ein Wal, der definitiv kein Finnwal war.
Isländische und internationale Experten waren sich einig, dass es sich um einen Blauwal oder einen Finnwal-Blauwal-Hybriden handeln müsse
(Mehr dazu im meertext-Beitrag: Haben isländische Walfänger einen Blauwal getötet? Aufregung um Wal Nr. 22).
Seitdem tobt die Diskussion – lautstark, emotional und sehr aufgeregt.
Jetzt liegt das Ergebnis einer ersten DNA-Analyse vor: Der geschossene Wal war tatsächlich ein Hybrid!
Das Icelandic Marine and Freshwater Research Institute (MFRI) und MATIS, eine andere isländische Forschungsinstitution hatten die Tests aufgrund der nationalen und internationalen Aufregung durchgeführt: Der Wal hatte einen Finnwal-Vater und eine Blauwal-Mutter, so schreiben sie in ihrer Pressemitteilung vom 19.07.2018. Normalerweise werden die genetischen Untersuchungen erst nach Ende der Fangsaison, im Herbst, vorgenommen, aber der öffentliche Druck war zu groß.
Die genetischen Proben von Wal 22 wurden mit denen der anderer 5 Hybriden verglichen, die seit 1983 gefangen worden waren. Außerdem sind sie mit denen von 24 Finnwalen aus diesem Jahr und 154 Finnwalen der Saison 2015 abgeglichen worden. Dazu kam noch der Vergleich mit älteren Gewebeproben von 23 Blauwalen aus der Sammlung des MFRI.
Die Untersuchungen umfassten die Sequenzierung der mtDNA und die Analyse von 15 Mikrosatelliten (kurze, nichtcodierende DNA-Sequenzen) von loci (physische Position einer Sequenz) von DNA aus dem Zellkern (nDNA). Mit Hilfe der mitochondrialen DNA wurde der Erbanteil der Walmutter identifiziert.
In einer Pressemitteilung der isländischen Behörden heißt es weiter: Während Blauwale streng geschützt sind und ihr auch Fang in Island verboten ist, erstreckt sich dieses Verbot nicht auf Mischlinge. Solche Hybriden sind schon einige Male gefangen worden, sowohl von isländischen als auch von anderen Walfängern. Der Handel mit dem Fleisch und anderen Teilen der Hybriden ist international durch die CITES-Vorschriften untersagt. Darum wird die Walfangfirma Hvalur hf dieses Walfleisch und andere Produkte nicht in andere Länder exportieren können, die die CITES-Regelungen unterzeichnet haben. Auch nicht nach Japan.
Walverwandtschaften: Finnwal-Blauwal-Hybride
Ein solcher Hybride ist der Nachwuchs aus der Paarung eines Finn- und eines Blauwals. Diese Mischlinge vereinen äußerliche und genetische Merkmale beider Arten und bereits mehrfach beschrieben worden. Insgesamt kommen Wal-Hybriden immer mal wieder vor, etwa in Zoos zwischen verschiedenen Delphinartigen.
Eine Art war lange Zeit dadurch definiert, dass nur Pärchen einer Art sich fortpflanzen und fertilen Nachwuchs bekommen konnten. Nach Paarungen zwischen Tieren verschiedener Arten war der Nachwuchs steril – @RPGNo1 brachte hier in Kommentar # 7 das Beispiel des Ligers (Löwe und Tiger), andere Beispiele sind die Nachkommen von Pferd und Esel – Maulesel und Maultier.
Theoretisch müsste also der Nachwuchs von zwei Walarten auch steril sein.
Diese Definition der Spezies ist allerdings veraltet, Arten müssen nicht so weit voneinander entfernt sein. In anderen Fällen gibt es bereits innerhalb der gleichen Art verschiedene Populationen mit so unterschiedlichen Kulturen, dass es nicht zur gemeinsamen Fortpflanzung kommt – die Orcas sind ein Beispiel dafür. Andere scheinbare Arten sind regional voneinander getrennt und haben so äußerliche Unterschiede entwickelt, setzt man sie jedoch zusammen oder macht ihre äußerlichen Unterschiede unsichtbar, vermischen sie sich wieder – wie bei einigen Papageien, die etwa in gemeinsamen Volieren sitzen, und ostafrikanischen Buntbarschen: Sowie das Wasser trübe wird, vermischen sich die Arten – offenbar sind ihre äußerlichen Merkmale dann nicht mehr deutlich genug erkennbar.
Über die Verwandtschaftsverhältnisse haben Axel Janke, Ulfur Arnason und andere erst in diesem Jahr eine überraschende Studie veröffentlicht: Die Furchenwale (Balaenoperidae) inklusive der Buckelwale (Megaptera novaeangliae) und Grauwale (Eschrichtius robustus) sind wesentlich enger miteinander verwandt, als es bislang den Anschein hatte.
Diese Fragen habe ich Herrn Prof. Axel Janke gestellt und er hat sie ausführlich beantwortet.
“Finnwal-Blauwal-Hybriden waren dem Co-Autor Ulfur Arnason schon in den 60-ziger Jahren bekannt. Man vermutet, dass sie fertil sein könnten: ein Hybridweibchen hatte einen Fötus mit einem Blauwal hatte. Ob solche Jungen lebend geboren werden, ist noch nicht bekannt.
Bisher gibt es keinen Nachweise von 1/4, 1/8 Hybriden. Das wäre genetisch nachweisbar und sehr interessant. Wir werden weiter daran
arbeiten. Um solche 1/4 Hybriden oder F2 nachzuweisen, muss man vermutlich sehr viele Proben screenen (genetisch untersuchen), da sie morphologisch (als solche) nur schwer nachzuweisen sind. Schon bei den Hybriden der 1. Generation (F1) ist das schwierig. Nun sind laut seiner Publikation “Whole-genome sequencing of the blue whale and other rorquals finds signatures for introgressive gene flow”(Úlfur Árnason, [et al] Axel Janke (Science Advances 04 Apr 2018: Vol. 4, no. 4, eaap9873; DOI: 10.1126/sciadv.aap9873 ) einige Bartenwale sehr viel näher verwandt, als man bisher gedacht hatte. Und zwischen einigen nahe verwandten Arten hat es einen genetischen Austausch gegeben: “Was wir aber wissen, ist, dass es Genfluss gegeben hat. Ein paar Prozent (ca 10 %)* vom Finnwal-Genom stammen vom Blauwal und umgekehrt.”(*Da ich Herrn Prof. Janke im Urlaub erwischt habe, hatte er nicht alle Publikationen sofort griffbereit. Ich denke aber, dass wir mit “ca 10 %” gut leben können).
Nach der naturwissenschaftlichen Analyse der Fakten folgen jetzt die juristischen, ethischen und sozioökonomischen Konsequenzen.
Der Walfang auf Island ist schon lange nicht mehr Konsens. Die neue Premierministerin Katrín Jakobsdóttir gehört der Links-Grünen Bewegung (isl. Vinstrihreyfingin – grænt framboð) an und kämpft seit Jahren gegen den Walfang. In ihrer Koalition konnten sich die Links-Grünen damit allerdings nicht durchsetzen, schließlich ist der Walfang ein Milliongeschäft und Kristján Loftsson, der Chef des einzigen isländischen Walfangunternehmens Hvalur if ist Multimillionär. Dazu kamen sicherlich noch ein paar ewiggestrige Traditionalisten, die beinhart für die Beibehaltung dieser Riesenschlachterei votieren und sich gegen den vermeintlichen Kulturchauvinismus der verweichlichten westlichen Industrienationen verwahren. Ansonsten ist die Popularität des Walfangs in Island definitiv im Abwind, nicht zuletzt, weil die Whale-Watching-Industrie mittlerweile wirklich gut läuft. Das Icelandic Marine and Freshwater Research Institute und Kristján Loftsson stehen auf dem Standpunkt, dass ein Blauwal-Finnwal-Hybride keinen Schutzstatus habe und der Abschuß darum nicht illegal war. Ob sich diese Position juristisch so halten lässt, vermag ich nicht zu beurteilen. Aufgrund der Seltenheit von Hybriden dürfte dies ein Präzendenzfall sein. Wieviel Blauwal muss in einem Wal sein, damit er Schutz genießt?
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