Viele Delphinartige sind bekannt für ihre Geselligkeit in größeren Gruppen und ihre auch für Menschen hörbare Kommunikation. Warum sind die kleinen Schweinswale weniger stimmgewaltig als ihre eng verwandten Vettern, die Großen Tümmler? Die dänische Bioogin Pernille Meyer Sørensen hat ihre Master-Arbeit über die akustische Kommunikation von Schweinswalen geschrieben und eine Theorie dazu entwickelt.
Für die Echoortung setzen alle Zahnwale Klicks ein, die soziale Kommunikation umfasst meist zusätzlich auch ein großes Lautrepertoire an Pfiffen. Klicks sind kurze klickende Lautpulse, die in Serien abgegeben werden. Pfiffe sind sehr variabel in ihrer Tonhöhe und Länge und wesentlich ausdrucksstärker.
Der weit verbreitete Große Tümmler (Tursiops truncatus) ist der meist untersuchte Delphin der Weltmeere, sein umfassendes Lautrepertoire sowie langfristige soziale Bindungen und vielfältige Interaktionen machen ihn zu einem besonders beliebten Studienobjekt. Dazu kommt noch, dass viele Populationen küstenah in flachen Gewässern nahe menschliche Ansiedlungen leben, wie etwa in Sarasota Bay.
So war und ist es realisierbar, diese Kleinwale mit dem vermeintlichen Dauergrinsen und dem Flipper-Image über Jahrzehnte hinweg zu studieren, sie über natürliche Markierungen individuell wiederzuerkennen und so ihr soziales Beziehungsgeflecht auf verschiedenen Ebenen und über einen langen Zeitraum hinweg zu verfolgen.
Viele Wissenschaftler meinen, dass zwischen dem komplexen Sozialverhalten und der komplexen Kommunikation eine enge wechselseitige Abhängigkeit der Ko-Evolution besteht, etwa durch die Ausbildung von individuellen Unterschriftspfiffen (individually specific signature whistles), die ein langfristiges Wiedererkennen und damit die enge Mutter-Kalb-Beziehung und den Zusammenhalt in einer Gruppe ermöglichen.
Im Kontrast dazu stehen andere Zahnwale wie etwa die Schweinswale (Phocoena phocoena), die Zwergpottwale (Kogia), und Delphine der Gattungen Cephalorhynchus (Schwarz-Weiß-Delphine) und Lagenorhynchus (Kurzzschnauzen-Delphine), die in kleinen Gruppen leben, in denen akustisch vermittelte Interaktionen mit Artgenossen weniger üblich zu sein scheinen. Oder schienen.
Klick statt Quietsch-Pfiff
Trotz der engen Verwandtschaft haben Delphine und Schweinswale offenbar eine konvergente Evolution in der Akustik eingeschlagen, ein Lautrepertoire, das nur aus Klicks besteht. Diese Arten produzieren keine Pfiffe, sondern ausschließlich narrow-band high-frequency (NBHF) clicks – NBHF-Spezies nennen die Walforscher sie.
Der Grund dafür könnten Schwertwale (Orcinus orca) sein!
Sørensens Arbeitshypothese lautet: Die NBHF-Arten produzieren Klicks oberhalb des Hörvermögens von Orcas, um nicht die Aufmerksamkeit dieser marinen Top-Prädatoren zu erwecken. Schließlich stehen kleinere Delphinartige wie Schweinswale (auch) auf deren Speiseplan. Schweinswale und die anderen NHBF-Arten ziehen eher allein oder in kleinen Gruppen durch die Meere und wären so besonders leichte Beute für Orcas. Statt also in großen Gruppen Deckung zu suchen, ist ihre Verteidigungsstrategie die scheinbare Funkstille – eine getarnte Akustik.
Bisher hat es nur sehr wenige Untersuchungen des Lautrepertoires von NBHF-Arten gegeben. Eine Studie an Schweinswalen in Gefangenschaft hatte ergeben, dass die Kleinwale auf Playbacks von Klick-Folgen mit hoher Wiederholungsrate (high-repetition rate click trains) verschiedene Reaktionen bis hin zu Fluchtverhalten hervorrufen. Zwei andere Studien zeigten ebenfalls, dass diese Klickfolgen im Zusammenhang mit spezifischen Verhaltensweisen stehen. Das sind starke Hinweise darauf, dass Schweinswale in Gefangenschaft solche Klickfolgen zur Kommunikation einsetzen.
Unklar war bis jetzt, ob dieser Zusammenhang zwischen der Akustik und dem Verhalten auch bei Tieren in freier Wildbahn besteht.
Insgesamt ist über das Sozialerhalten dieser kleinen Zahnwale noch nicht viel bekannt, obwohl sie nicht selten sind. Es sieht so aus, als ob sie in kleinen Gruppen – oft nur aus Mutter und Kalb bestehend – und vielen eher einzelnen Tieren bestehen. Beobachtungen aus Aquarien haben allerdings gezeigt, dass auch erwachsene Weichen enge und lange Beziehungen eingehen können.
(Dieses vermeintliche Einzelgängertum kann allerdings auch ein Artefakt sein – Schweinswale sind über Jahrhunderte hinweg stark bejagt worden und leiden heute unter anthropogenen Störungen. Historische Quellen sprechen von größeren Gruppen. Niemand weiß etwas über die Bestandszahlen von vor 100 Jahren, wir wissen nur, dass „Braunfisch“ ein normaler Bestandteil der menschlichen Nahrung entlang der Küsten war – Anmerkung meertext)
So haben Sørensen et al sich einen Versuchsaufbau überlegt, um diese Datenlücke zu schießen: Mit digitalen akustischen und Bewegungssensoren (DTAGs) wollten die Biologen messen, wie und welche Klick-Serien zur Kommunikation die Schweinswale im Meer abgeben und ob und in welchem Maß sie akustisch mit anderen Individuen in Kontakt stehen.
Insgesamt haben sie 6 Tiere mit DTAGs versehen – die Sender werden mit Saugnäpfen auf der glatten Walhaut platziert und lösen sich dann wieder von allein – und so eine ganze Reihe von Klickserien erhalten, die sich von den Ortungslauten (lautmalerisch „Buzz“ genannt) signifikant unterscheiden, stattdessen aber den Kommunikations-Klicks der Aquariums-Schweinswale ähneln.
Das bedeutet, dass soziale Interaktionen für diese Walart wesentlich wichtiger sein müssen, als ihr limitiert erscheinendes Repertoire an sozialen Interaktionen vermuten ließ. Außerdem werden viele dieser sozialen Interaktionen offenbar akustisch durch die wiederholte Folgen von NBHF Klicks übermittelt – ein akustisches Muster, das sich von den reinen Buzz-Lauten signifikant unterscheidet, die Biologen nennen diese Laute „Calls“ – Rufe.
Die 6 Tiere waren überraschend schwatzhaft – bei dem schweigsamsten Wal nahmen die Biologen 90 „Unterhaltungen“ auf, bei den anderen deutlich mehr.
Die Schweinswal-belauschenden Biologen waren sehr überrascht, dass diese sozialen Laute bei den Schweinswalen so häufig zu hören waren, bisher war nicht bekannt, dass die kleinen Wale so viele Sozialkontakte haben. Bis zu 27-mal pro Minute wiederholten die Wale ihre sozialen Calls. Das würde bedeuten, dass die Kleinwale einen erheblichen Zeit- und Energieaufwand betreiben, um mit anderen Artgenossen akustisch in Kontakt zu bleiben. Dieser akustische Aufwand war nicht nur bei Mutter-Kalb-Gruppen zu hören, sondern auch bei scheinbar einzelnen Tieren. Der allerplauderwilligste Wal war ein Einzeltier!
Neben den Calls waren auch Echolokations-Buzzes sehr häufig, besonders bei Mutter-Kind-Paaren. Das könnte ein Hinweis darauf sein, dass sie so in dem trüben Wasser in engem Kontakt bleiben, auch wenn sie sich nicht sehen können.
Schweinswale sind also, entgegen der bisherigen Lehrmeinung, gesellige Tiere, die in Hörreichweite ihrer Artgenossen rege soziale akustische Beziehungen haben. Ihre Soziallaute sind vielfach wiederholte schnelle Klick-Folgen.
Obwohl diese Art der wenig diversen Lautgebung vielleicht nicht optimal für soziale Informationen ist, haben die Schweinswale diese Form der Akustik gewählt. Ein offensichtlicher Vorteil dieser reduzierten akustischen Breite ist, dass sie in einem für große Delphinartige nicht hörbaren Frequenzbereich sind. Die Schweinswale klönen akustisch getarnt!
Schweinswal-Klönschnack mit Klick
Die Erforschung des Verhaltens und der Kommunikation von Schweinswalen basiert vor allem auf Beobachtungen in Aquarien – in Kerteminde leben seit mehr als 20 Jahren einige verunglückte Tiere und deren Nachwuchs.
Magnus Wahlberg und seine Kollegen haben ihre Forschungsergebnisse in einem wunderbar zu lesenden Beitrag im Scientific American beschrieben. Anschaulich erklären sie die Umwelt eines Wals, seine Konzentration auf die Akustik. Schweinswale scheinen nahezu andauernd kurze, starke, sehr hochfrequente Klicks abzugeben, wie Nikolai Dubrovskiy et al schon 1971 erstmals beschrieben haben. Die einzelnen Klicks sind nur 50 bis 100 Mikrosekunden lang und haben Frequenzen um 130 Kilohertz. Sie sind damit für Menschen normalerweise unhörbar. Ein Glück, denn sie sind so stark, dass sie unter Wasser ein menschliches Gehör noch im Abstand von einigen Metern beschädigen können.
Schweinswale können Frequenzen zwischen 100 Hertz und 150 Kilohertz wahrnehmen. Die höheren Frequenzen mit den kurzen Wellenlängen brauchen sie für das Aufspüren sehr kleiner Beute wie etwa Grundeln von nur wenigen Zentimetern Körperlänge.
Bei der Nahrungssuche geben die Kleinwale 20-mal pro Sekunde Klicks ab. In der Annäherung an die Beute, steigt die Klickrate zu mehreren 100 Klicks pro Minute an – bis hin zum terminal buzz beim Zuschnappen. Dieses akustische Muster ist übrigens bei fast allen Zahnwalen und auch insektivoren Fledermäusen nahezu identisch.
Besonders spannend war, wie ein in Gefangenschaft geborenes Schweinswal-Kalb lernte, sein Biosonar zu nutzen. Direkt nach der Geburt klickte der Kleine relativ tieffrequent und auch für Menschen hörbar. Innerhalb einer Stunde produzierte er Klicks höherer Frequenzen, er schien sich den Erwachsenen und ihren Lauten anzupassen. Nach einigen Tagen war sein Biosonar voll funktionsfähig entwickelt, auch wenn er erst nach der Entwöhnung im Alter von 8 Monaten anfing, Fisch zu orten und zu fressen.
Für Experimente mit Meeressäugern, die andere Sinne als den Sehsinn erfoschen sollen, setzen Biologen Walen und Robben Saugnapf-Kappen auf die Augen. So sind die Meeressäuger wirklich blind und die Biologen sind sicher, dass die Wale ihr Gehör und Robben ihre Vibrissen benutzen.
In diesem Video aus dem Fjord- und Belt-Zentrum Kerteminde ist zu sehen, wie ein Schweinswal wissenschaftliche Resultate liefert:
„Watch a video that shows an example of one such experiment where two different spheres–one aluminum and the other plastic–are introduced to a blindfolded porpoise that must locate the aluminium sphere”
Übrigens: Mäuse kommunizieren ebenfalls intensiv und über der Hörschwelle erwachsener Katzen. Nur junge Katzen können die akustischen sozialen Interaktionen von Mäusen hören, sind aber für eine erfahrene Maus keine echte Gefahr. Die Tarnung der eigenen sozialen akustischen Kommunikation ist also gar nicht so ungewöhnlich im Tierreich.
Quellen:
M. Sørensen, D. M. Wisniewska, F. H. Jensen, M. Johnson, J. Teilmann & P. T. Madsen: “Click communication in wild harbour porpoises (Phocoena phocoena)“; Nature; Scientific Reportsvolume 8, Article number: 9702 (2018) |
Magnus Wahlberg, Meike Linnenschmidt, Peter Madsen, Danuta Wisniewska, Lee Miller: “The Acoustic World of Harbor Porpoises”
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