Neben sehr vielen Hirsch- und Wildschwein-Trophäen-Köpfen befindet sich in der Sammlung des MUSEUM Jagdschloss Kranichstein auch ein Wolfskopf. Er ist auf eine Platte montiert, in einer Kartusche darunter steht folgender Text: “Der Wolf “Canis Lupus”, u. Linn wurde den 6ten Jan. 1841 durch D. Wetter in der Nähe der Grenzschneise bei Neuschloß mit der Büchse erlegt. Berüchtigt unter dem Namen Lorscher Wolf.”
Dieser letzte hessische Wolf wurde am 03. Januar 1841 von Daniel Vetter im Lorscher Wald geschossen. Der Gipskopf ist eine lebensgroße Kopie des erlegten Wolfes und mit Ölfarben bemalt, er stammt aus dem Nachlass der Landgrafen zu Hessen Darmstadt.
Köpfe von erlegten Tieren bzw. deren Nachbildungen sind beliebte Trophäen und sollen an besonders wichtige Jagdereignisse erinnern. Schließlich ist das Köpfen und das Inbesitz-Nehmen des Kopfes durch den siegreichen Jäger der ultimative Nachweis des Sieges. In diesem Fall an den Sieg des Menschen über das größte in Deutschland lebende Raubtier.
Als Top-Prädator und im sozialen Rudelverband ist der Wolf nicht nur in Europa seit der Antike mythenumwoben. Als schneller und intelligenter Jäger ist er das einzige Raubtier, das dem Menschen in Europa über Jahrhunderte ebenbürtig war.
In vorchristlicher Zeit stellten die Germanen den Fenris-Wolf an die Seite des Gottvaters Odin und bewunderten die Stärke, die Loyalität und die Intelligenz des wilden Hunde-Stammvaters. Wölfe waren für die germanischen Krieger Vorbild und übernatürliche Gefahr gleichermaßen, schließlich sollte der Fenris-Wolf Odin am Ende der Zeit verschlingen.
Spätestens mit der fortschreitenden Besiedelung des Landes war für die vagabundierenden Wolfsrudel mit dem großen Hunger kein Platz mehr. Vom ebenbürtigen Gegner wurde der Graupelz zum Konkurrenten um Lebensraum und Nahrung. Vergriff er sich an Herden, wurde er zum Räuber, riss er Wild, verstieß er gar gegen das Adelsprivileg der Jagd auf Hochwild.
Damit war der Wolf vogelfrei – durch organisierte Treibjagden und ausgeklügelte Fangmethoden wurde er in dicht bevölkerten Regionen bald ausgerottet und zog sich in die unzugänglicheren Regionen zurück. Kam es zu sozialen Krisen, etwa durch Kriege oder Seuchen, nahm der Jagddruck auf die Wolfsrudel ab und sie kamen wieder bis in die menschlichen Siedlungen heran: „Während der kriegerischen Auseinandersetzungen wurde die Jagd fast eingestellt und sowohl Lebensraum als auch Wildtiere erholten sich. Dass der Wolf gerade zu jenen Zeiten dem Menschen nahe kam, bestärkte den Aberglauben der Bevölkerung, die in ihm fortan das Böse sahen.“ erklärt Expertin Katharina Reinert im Interview mit der Gießener Allgemeine.
Im 18. Jahrhundert lebten auf dem Gebiet des heutigen Deutschlands nur noch vereinzelte Wölfe. Zur gleichen Zeit sammelten die Brüder Grimm alte Volksmärchen wie “Rotkäppchen” und “Der Wolf und die sieben jungen Geißlein”. Damit war der ungezähmte Wolf im gezähmten Deutschland das Sinnbild für das Böse und für Gefahren. Darum war das Töten der letzten Wölfe wichtig, an vielen Orten wurden dafür Denkmäler errichtet und die Trophäen aufbewahrt.
Wölfe hatten im 19. Jahrhundert immer noch einen sehr schlechten Ruf, die Erinnerung an Wolfsrudel, die Nutztiere und Wild gerissen oder sogar Menschen bedroht haben, war noch lebendig und wurde in Märchen immer weiter überliefert. Das Märchen war damit ein historischer Vorläufer des heutigen Gruselromans oder Thrillers, es sorgte bei Menschen, die niemals einem Wolf begegnen würden, für den bequemen Schauder im sicheren Lehnstuhl vor dem warmen Ofen.
Heute gibt es in Deutschland wieder Wölfe. Im Mai 2008 wurde im Reinhardswald in Nordhessen wieder ein Wolf gesichtet. Seitdem gab es einige weitere Tiere, die meisten werden erst bekannt, wenn sie im Straßenverkehr zu Tode gekommen sind.
Das Auftauchen eines Wolfes verursacht Aufregung unter den Menschen. Manche Jäger sehen den Wolf als Konkurrenten und lehnen seine Rückkehr rigoros ab, viele Schäfer und Landwirte machen sich Sorgen um ihre Herden. Andere Menschen freuen sich über die Rückkehr des scheuen Wildtieres und idealisieren den Wolf als edlen Wilden. So ambivalent wie emotional wogt die Diskussion, auf das graue Fell des Wildhundes werden Hoffnungen, Sehnsüchte, Ängste und unterschiedliche Blickwinkel auf „die Natur“ projiziert.
Ein besonderes Ereignis ist ein Wolf in jedem Fall immer noch.
Ob Isegrim im heutigen Deutschland mit seinen Netzen aus Straßen, Wegen und Zäunen jemals wieder einen Platz finden wird, erscheint fraglich – Nomaden haben es schwer in der Kulturlandschaft. Vor allem, wenn sie Hunger auf Fleisch haben.
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