Die Ausstellung „König der Tiere“ in der Frankfurter Schirn stellt das Werk des deutschen Malers Kuhnert vor – Kuhnert hatte in der Kolonialzeit Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts als einer der ersten Europäer Deutsch-Ostafrika bereist. In minutiösen Skizzen und Zeichnungen dokumentierte er die noch weitgehende unerforschte Tier- und Pflanzenwelt, die er zu Hause in seinem Atelier dann in großformatige Gemälde umsetzte. „Wie kein anderer Maler seiner Zeit hat Wilhelm Kuhnert (1865–1926) die Vorstellung von Afrika in Europa wie auch in den USA geprägt.“
schreiben die Kuratoren.
„König der Tiere“ – Cat-Content vor Schirmakazien
Die Ausstellung „König der Tiere“ zeigt afrikanische Wildtiere in großen Formaten des deutschen Malers Wilhelm Kuhnert.
Als Grundlage für seine Arbeit unternahm Wilhelm Kuhnert drei Expeditionen in die damalige deutsche Kolonie Deutsch-Südost, die die heutigen Staaten Tansania (ohne Sansibar), Burundi und Ruanda sowie einen kleinen Teil Mosambiks umfasst.
Der an der preußischen Akademie der Künste ausgebildete Tier- und Landschaftsmaler Kuhnert nutzte die vorhandene Logistik der Kolonialmacht. So konnte er auf den Wegen der deutschen Kolonialherren als Maler Afrika einigermaßen komfortabel und vor allem sicher bereisen, auf Großwildjagd gehen und arbeiten. Dass er auf die vorhandene Infrastruktur zurückgriff, ist kaum verwunderlich, als ortsunkundiger Europäer hätte er sich sonst wohl kaum außerhalb der Städte relativ frei bewegen können.
Wieder zu Hause in seinem Atelier setzte er die Skizzen dann in die Ölgemälde um. Unermüdlich reisend, beobachtend, malend, zeichnend hat er mit seinem Blick auf Afrika das Bild vieler Deutschen von Afrika nachhaltig beeinflusst, lerne ich. Der Museumsbesuch war eine Exkursion durch Raum und Zeit gleichermaßen, in das Afrika von 100 Jahren, in die deutsche Kolonie Deutsch-Südost.
Der erste Teil der Ausstellung beginnt mit einer einführenden Kurz-Biographie und zeigt großformatige Ölgemälde mit Kuhnerts Hauptakteuren, den Löwen, Elefanten, Büffeln, Perlhühnern und anderen wilden Tieren, immer in ihrer natürlichen Umgebung, der Savanne.
Außerordentlich kunstfertig hat der Maler diese Ansichten Afrikas eingefangen, präzise und doch mit impressionistischer Leichtigkeit im Pinselstrich.
Nicht satt sehen konnte ich mich an den lebendigen Fell- und Federstrukturen und den Gräsern, die beim Hingucken fast im Wind zu wippen scheinen. Als Zoologin und Kunstliebhaberin war ich verzaubert, als Amateur-Malerin beeindruckt. Aus wenigen Zentimetern Entfernung habe ich bewundernd die perfekten Profile und Rückenlinien, die Untermalungen und letzten leichten Pinselstriche betrachtet.
Die detaillierte Darstellung dieser wilden Kreaturen und die Waghalsigkeiten, die Kuhnert auf seinen Expeditionen für das Studium der afrikanischen Wildnis unternahm, sind die eines Forschungsreisenden. An der Akademie der Künste herrschte die Meinung, man könne eine exotische Landschaft im Sandkasten mit einigen Steinen nachahmen – Kuhnert war vollkommen anderer Meinung und bildete die afrikanischen Landschaften aus eigener Anschauung detailliert ab: “Obwohl er kein Biologe oder Zoologe war, zeugen seine detaillierten künstlerischen und schriftlichen Studien von einem Interesse an der afrikanischen Tierwelt, das weit über malerische Fragen hinausging. Seine Tierdarstellungen wurden in zoologischen Büchern wie Brehms Tierleben und in Publikationen des Frankfurter Zoodirektors Wilhelm Haacke ebenso verbreitet wie auf Schulwandbildern.”.
Nur Menschen und Ansiedlungen kommen auf diesen Gemälden selten vor, Kuhnerts Afrika ist die menschenleere und unberührte Wildnis.
Diese Kuhnert´sche Ästhetik soll, so die Kuratoren der Ausstellung, die Ansichten von Afrikareisen in Reiseprospekten bis heute beeinflussen.
Monumentalgemälde im Schatten des Kolonialismus
Im zweiten Ausstellungsteil geht es dann um die Entstehung der Bilder über minutiöse Skizzen im Zoo und natürlich auf den Afrika-Expeditionen.
Auch hier sind fast nur Darstellungen von Tieren und Landschaften zu sehen. Unter den Skizzen sind auch einige wenige Darstellungen von Menschen, sowohl aus dem Alltag der afrikanischen Bevölkerung als auch von Afrikanern im Dienste der deutschen Kolonialmacht, den sogenannten Askari.
Neben den Skizzen gibt es über Texttafeln auch Hintergrundwissen zur kritischen Auseinandersetzung mit Kuhnerts Afrika-Idylle: seiner Vermenschlichung der Tiere, dem Kolonialismus und der Großwildjagd.
Kuhnert hat sich zunächst kritiklos der kolonialistischen Infrastruktur bedient.
Als ortsunkundiger Europäer hätte er sich kaum außerhalb der Städte so frei bewegen können, um Löwen, Elefanten, Straßen und Büffel sowie die afrikanische Savanne zu studieren.
Dass Kuhnert zunächst die kolonialistischen Strukturen hinnahm und nutzte, später aber offenbar anders darüber dachte, ist bereits in der einleitenden Biographie auf einem großen Wandtext zu lesen: Der Maler hat nämlich vor Gericht gegen den besonders brutalen Reichskommissars Carl (Karl) Peters ausgesagt.
Peters war von 1893 bis 1895 Reichskommissar der Kolonie Deutsch-Südost und bereits damals durch sein gewalttätiges Vorgehen gegenüber Afrikanern berüchtigt. So hatte Peters einen seiner Diener hinrichten lassen, weil der mit Peters afrikanischer Konkubine Jagodia ein Verhältnis eingegangen war. Kuhnert dokumentierte den gehängten Mann in einer Skizze – diese Skizze mit entsprechendem Text ist in der Ausstellung zu sehen. Peters wurde wegen seiner brutalen Vorgehensweise schon 1895 wieder von seinem Posten abberufen, nach Deutschland zurückbeordert und 1897 in Unehren aus dem Staatsdienst entlassen.
Sicherlich hatte Kuhnert auf seinen Afrika-Reisen zunächst kein allzu großes Schuldbewusstsein wegen des gewalttätigen Kolonialismus, sonst hätte er wohl kaum diese Reisen unternommen.
Vielleicht hatte er zunächst sogar Gefallen daran gefunden, denn er wurde mit seiner bewaffneten Eskorte und unter der Reichsflagge wie ein VIP behandelt. Bei einer ersten Strafaktion Peters` war er sogar dabei.
Irgendwann aber muss ihm die Unrechtmäßigkeit der deutschen „Schutzmacht“ aufgegangen sein, schließlich sagte er später vor Gericht gegen den brutalen Peters aus.
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