Ich persönlich finde nicht, dass eine Ausstellung und kritische Betrachtung eines Malers zu kolonialen Zeiten in Afrika 100 Jahre zu spät kommt. Vielmehr sollte das koloniale Erbe auf keinen Fall totgeschwiegen, sondern immer wieder kritisch aufgegriffen werden.
Mit der Bemerkung, diese Gemälde gehörten in einen elitären Jagdklub, nicht aber in ein Museum, ignoriert Kliehm das schwierige koloniale Erbe mit seinem Leid und der Ausbeutung der unterdrückten und ausgebeuteten Afrikaner zu dieser Zeit und reduziert die Ausstellung „König der Tiere“ auf ein Anprangern der Großwildjagd.
Der Linke warf der Schau in der Schirn auch vor, dass sie in ihren „großen, schönen Bildern“ Tiere vermenschliche. Das sei im 19. Jahrhundert in Brehms Tierleben vielleicht zeitgemäß gewesen“ wird Kliehm dann weiter zitiert.
Dass Kuhnert Tiere vermenschlicht hat – etwa, indem er Löwenfamilien als Mama, Papa, Löwenkind darstellte, steht auch so in den Ausstellungstexten. Genauso wie Kuhnerts geniale Marketingmaschinerie für sein Afrika-Bild auch in Brehms Tierleben erschien und natürlich dem Zeitgeist entsprach. Welchem denn auch sonst? Jede Ausstellung, jedes Druckwerk sind Kinder ihrer Zeit. Die Ausstellung hat gerade durch das Offenlegen dieser Mechanismen zum Nachdenken angeregt.
„„Ich habe mich gefragt, was wollten uns denn die Kuratoren mit dieser Ausstellung sagen?“, erklärte Kliehm.“
Unsere wichtigsten Take-Home-Messages waren:
– Kuhnert war ein exzellenter Maler
– Kuhnert hat sein traumhaftes, kitschiges, idealisiertes Bild der menschenleeren Wildnis Afrikas und der Wildtiere erschaffen und flächendeckend vermarktet, das das Bild von Afrika in den Köpfen vieler Europäer bis heute prägt
– Kuhnert hat sich kolonialer Infrastrukturen zunächst kritiklos bedient und wurde sich erst später der Unrechtmäßigkeit des Kolonialismus bewusst.
Die Schau über Kuhnert sei in jedem Fall „ein Anachronismus“. Der Hintergrund des deutschen Kolonialsystems in Afrika werde zu wenig thematisiert. Es fehle eine Bewertung des Kolonialismus und seiner damaligen Verbrechen, so Kliehm.
Das stimmt nicht – die Kuratoren haben die Verbrechen der Kolonialzeit an mehreren Stellen thematisiert, etwa auf der Texttafel: „Kuhnert und Deutsch-Ostafrika“: „[Dabei wurde Kuhnert Zeuge und auch selbst Akteur kolonialer Gewalt. So schloss er sich auf seiner ersten Expedition einem Vergeltungszug des Reichskommissars Carl Peters gegen die Zivilbevölkerung an. 1895 sagte er vor dem kaiserlichen Disziplinargericht aus, wo Peters für seine Gräueltaten zur Verantwortung gezogen wurde. Während Kuhnerts 2. Expedition brach 1905 im Süden der Kolonie der Maj-Maj-Krieg aus […]. Am Ende sollte der Krieg rund 200.000 Tote mehrheitlich afrikanische Tote fordern. […] In Kuhnerts Kunst fanden diese gewaltsamen Auseinandersetzungen jedoch nur selten Eingang. […]“.
Neben den Ausstellungstexten gibt es im Katalog weitere kritische Texte zum Kolonialismus.
„Auch werde kein Zusammenhang hergestellt zu der großen Debatte um die Rückgabe kolonialer Kunst, die gegenwärtig in Deutschland und in anderen europäischen Ländern im Gange sei.“ bemängelt Kliehm weiterhin.
Das ist der einzige Punkt, der zutrifft.
Kolonialismus und die Provenienzforschung sind in den Museen Europas zurzeit ein heißes Thema mit einer vehementen Debatte. Ein Beispiel dafür ist die Forderung der Regierung Tanganjikas nach einer Rückführung der originalen Dinosaurier-Skelette der Tendaguru-Expedition, die heute das Prunkstück des Berliner Naturkundemuseums sind.
Ein anderes aktuelles Beispiel ist die Ausstellung „Peintures des lointains“ im Pariser Musée du quai Branly Jacques Chirac, die eine heftige Debatte nach sich zog.
Die meisten Menschen dürften diese Debatte ohnehin mitbekommen haben, schließlich wird darüber in verschiedenen Medien und Nachrichten berichtet.
In jeder Ausstellung müssen die KuratorInnen sorgfältig abwägen, wieviel Text und welche Informationen sie als Hintergrundinformation bringen, schließlich kann man Ausstellungen auch in Text ertränken.
Die Diskussion um Kolonialismus und Museen ist richtig und wichtig, leidet aber oft an mangelnder Sachkunde.
Den Artikel „Kritik an Ausstellung über Kolonial-Maler“ finde ich nicht sehr tiefschürfend, vor allem die Zitate Kliehms sind wenig tragfähig.
Mit freundlichem Gruß
Bettina Wurche”
Herr Göpfert hatte vor diesem Artikel bereits in dem Kommentar “Anachronismus” die Ausstellung als misslungen betrachtet.
Warum mir die Ausstellung gut gefallen hat, steht in dem gestrigen meertext-Beitrag “„König der Tiere“ – Cat-Content zwischen Kunst und Kolonialismus”
Kommentare (21)