Die Ozeane erwärmen sich langsam, aber stetig, wie weltweit die Messungen zeigen.
Wie bereits im 1. Teil des Beitrags erklärt, werden die Erwärmung des Ozeans und das Abschmelzen des Meereises zu einem Rückgang der Eisbären, Weißwale und Narwale führen. Und zum Aufstieg der Orcas.
Nicht jeder Mitteleuropäer betrachtet das als ausreichenden Grund, um seinen Lebensstil zu verändern, schließlich ist die Arktis weit weg von uns. Allerdings beeinflusst sie über die großen ozeanographischen Strömungen auch unser Leben.
Was bedeuten die Erwärmung des Ozeans und das Abschmelzen des Eises in der Arktis für uns Nordatlantik-Anrainer?
Eine auch nur geringfügig höhere Wassertemperatur führt in der Arktis zu
- einer Abschmelzung der Gletscher
- späterer Neubildung von Meereis (6 Wochen!) und früheres Abtauen des Meereseis (6 Wochen!).
Das bewirkt:
- das Meer erwärmt sich – wärmeres Wasser dehnt sich aus, es beansprucht ein größeres Volumen
- es ist mehr flüssiges Wasser im Meer vorhanden
- gerade vor Grönland fließt zunehmend Süßwasser ins Meer.
Die gute Nachricht für die Schifffahrt und den Seehandel ist: Die Nordost-Passage wird bald ganzjährig offen sein, damit ist die neue Seidenstraße, nämlich der Seeweg nach China und Ostasien, offen.
Die schlechte Nachricht: Das Abtauen des Eises führt und die Meereserwärmung führen zu einem Anstieg des Meeresspiegels.
Ein weiterer Aspekt beim Tauwetter ist die Albedo. Die Albedo ist das Rückstrahlvermögen (Reflexionsstrahlung) diffus reflektierender, also nicht selbst leuchtenden Oberflächen. Frischer Schnee hat die höchstmögliche Albedo. Die weiße Fläche des Schnees der nord- und südpolaren Eiskappen reflektiert 80 bis 90 % des Sonnenlichts und den größten Teil der Wärmestrahlung unseres Heimatsterns.
Tauen Eis und Schnee ab, wird dieser reflektierende Schild immer kleiner, das nun offen liegende Wasser oder Land nimmt einen wesentlich größeren Teil der Wärmestrahlung auf. Das bedeutet, dass sich nach dem Verschwinden von Eis und Schnee die Erwärmung noch einmal wesentlich beschleunigt.
Auch die die zunehmende Luftverschmutzung durch das Verbrennen fossiler Energieträger wie Kohle oder auch Holz befeuert das Abtauen. Beim Verbrennen fossiler Energieträger entsteht Ruß, der bekanntlich schwarz ist. Schlägt sich der Ruß über die globalen Luftströmungen auf arktischem Eis nieder, färbt er das Eis dunkel. Damit fehlt die Albedo, die Wärmestrahlung der Sonne wird nicht mehr reflektiert.
Neben der wohl bekannten Luftverschmutzung der Industriestaaten kommen insbesondere in Asien noch gigantische Großbrände dazu: Kohleflöze können durch Selbstentzündung in Brand geraten, solche Brände fressen sich oberflächennah oder auch unter der Oberfläche schnell weiter und sind äußerst schwierig zu löschen. Die größten Kohlebrände sind heute in China: In einem Kohlengürtel in Nordchina verbrennen pro Jahr etwa 10 bis 20 Millionen Tonnen Kohle.
Das alles führt zu einem stetig schnelleren Abtauen der arktischen Eismassen.
Durch die Rückkopplungsprozesse beschleunigt sich die Entwicklung und ist nicht umkehrbar.
Erwärmung des Nordatlantiks bedeutet Eiszeit in Nordwesteuropa
Nordwesteuropa, zu dem auch der westliche Teil Deutschlands gehört, hat ein maritimes Klima – es wird vom Nord-Atlantik und seinem Nebenmeer, der Nordsee, beeinflusst. Dank des Golfstroms ist es bei uns wesentlich wärmer als auf vergleichbarer geographischer Breite etwa in Nordamerika oder Nordasien.
Zum Vergleich: Frankfurt liegt auf der Höhe von Neufundland!
Der Golfstrom gehört zu einer globalen Umwälzpumpe der großen ozeanischen Strömungen. Er trägt Wassermassen aus der Karibik bzw. dem Golf von Mexiko über den Äquator, das warme Wasser hat eine geringere Dichte als das umgebende Meer und strömt darum an der Oberfläche in Richtung Norden. Der Antrieb des Golfstroms sind die Winde, die Richtung wird beeinflusst durch die Korioliskraft. Ein Abzweig des Golfstroms führt direkt bis vor die Biskaya und England mit Richtung Nord-Norwegen. Auf den nordnorwegischen Vesteralen, sind, obwohl sie nördlich des Nordpolarkreises liegen, im Winter noch eisfreie Häfen!
Vor Grönland kommen die Wassermassen des Golfstroms mit sehr kaltem Wasser aus der Arktis in Berührung und kühlen dann rapide ab. Kaltes Wasser hat eine höhere Dichte und so stürzte der kühle Wasserkörper dort in die Tiefe. Dieser Strom zieht weitere, warme Wassermassen nach sich. Der Golfstrom ist also ein Wärmetransportband für Nordeuropa.
Der kühle Tiefenstrom strömt dann in der Tiefe in Richtung Süden zurück. Dort erwärmt sich das Wasser wieder und steigt wieder auf. Ein riesiges Wärmetransportband über den Nordatlantik.
(Diese Darstellung ist natürlich extrem vereinfacht und beschreibt nur die wichtigsten Punkte. Aufgrund der vielen Abzweigungen ist es nicht eine einzige Strömung sondern vielmehr das Golfstrom-System. Mehr dazu hier und hier)
Dieses Video von Spektrum erklärt das komplexe Strömungssystem wie den Golfstrom kurz und prägnant:
Durch die Erwärmung des Nordatlantiks, kühlen sich die ankommenden Wassermassen nicht mehr so schnell ab und sinken nicht mehr so schnell in die Tiefe, so strömt auch weniger warmes Oberflächenwasser nach. Das Abtauen der grönländischen Gletscher führt dem Meer vor Grönland außerdem viel Süßwasser zu, das eine geringe Dichte als Salzwasser hat. Auch das verlangsamt die bestehende thermohaline Zirkulation des Golfstroms.
Diese geringere Strömungsgeschwindigkeit verlangsamt dann den gesamten Golfstrom.
Das ist bereits messbar: „„Dieses Muster ist sehr charakteristisch für eine Verlangsamung der Umwälzung der Wassermassen im Atlantik. Es ist praktisch wie ein Fingerabdruck einer Abschwächung dieser Meeresströmungen.“” Wenn sich die Strömungen verlangsamen, bringen sie weniger Wärme nach Norden, was zu einer Abkühlung des Nordatlantiks führt – tatsächlich ist dies weltweit die einzige Meeresregion, die sich trotz der globalen Erwärmung abgekühlt hat. Gleichzeitig verlagert sich der Golfstrom in der Nähe der USA nach Norden und Richtung Land, dabei erwärmt er die Gewässer entlang der nördlichen Hälfte der US-Atlantikküste.
„Diese Region hat sich in den letzten Jahrzehnten schneller erwärmt als fast alle anderen Teile der Weltmeere“, sagt Ko-Autor Vincent Saba vom National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA) Laboratory in Princeton, USA. „Ein solches Muster der Ozeantemperaturen wurde von Computersimulationen vorhergesagt als Reaktion auf den zunehmenden Ausstoß von Treibhausgasen – jetzt wurde diese Vorhersage durch Messungen bestätigt“.“ (Levke Caesar, Stefan Rahmstorf, Alexander Robinson, Georg Feulner, Vincent Saba (2018): Observed fingerprint of a weakening Atlantic Ocean overturning circulation. Nature [DOI: 10.1038/s41586-018-0006-5])
Auch wenn der Nordatlantik sich vor Grönland leicht erwärmt, kann dies, so Rahmstorf, keinesfalls den fehlenden Warmwasserzustrom ausgleichen.
So führt die Erwärmung des Nordatlantiks – auch wenn es sich zunächst paradox anhört – langfristig zu einer Abkühlung Nordwesteuropas. In letzter Konsequenz könnte das langfristig zu einer Eiszeit führen. In welchem Zeitraum und in welchem Ausmaß solch eine Kaltzeit einbrechen könnte, das wagt heute niemand zu prognostizieren.
Im Moment deutet allerdings viel darauf hin, dass diese Prozesse wesentlich schneller ablaufen, als bislang befürchtet, weil sich einzelne Komponenten der Kettenreaktion offenbar verstärken und überlagern.
Bereits seit Jahrzehnten haben Klimaforscher wie Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimaforschung Klimadaten ausgewertet und damit Computersimulationen erstellt.
Diese Simulationen werden durch Daten immer weiter bestätigt:
„Das spezifische Trendmuster, das wir in den Messungen gefunden haben, sieht genauso aus, wie es von Computersimulationen als Folge einer Verlangsamung des Golfstromsystems vorhergesagt wird, und ich sehe keine andere plausible Erklärung dafür“, sagt Rahmstorf. Tatsächlich ist es nicht nur das räumliche Muster, das zwischen Computersimulation und Beobachtungen übereinstimmt, sondern auch der Wechsel im Jahreszyklus.“
Caesar, Rahmstorf, Saba et al hatten im April des Jahres diese Daten in einer umfangreichen Studie in der Fachzeitschrift Nature publiziert ((Levke Caesar, Stefan Rahmstorf, Alexander Robinson, Georg Feulner, Vincent Saba (2018): Observed fingerprint of a weakening Atlantic Ocean overturning circulation. Nature [DOI: 10.1038/s41586-018-0006-5]).
Eine zweite Studie eines Teams um David Thornalley vom University College London, die in der gleichen Ausgabe von Nature veröffentlicht wurde, stützt die Ergebnisse von Caesar, Rahmstorf et al. Ihre Analyse konzentriert sich auf das Klima der Erde in der Vergangenheit, „um Veränderungen in der atlantischen Umwälzströmung in den letzten 1600 Jahren zu rekonstruieren. Diese so genannten paläoklimatischen Proxydaten liefern eine unabhängige Bestätigung für frühere Schlussfolgerungen, wonach die jüngste Abschwächung des Golfstromsystems seit mindestens tausend Jahren beispiellos ist.“ (David J. R. Thornalley, Delia W. Oppo et al: Anomalously weak Labrador Sea convection and Atlantic overturning during the past 150 years (2018), Nature volume 556, pages227–230).
Der Klimatologe Stefan Rahmstorf ist nicht nur Professor für Physik der Ozeane an der Universität Potsdam sondern auch Science-Blogger. Über die hier genannten Arbeiten hat er natürlich auch ausführlich gebloggt.
Caesar und Rahmstorf bieten ihre Analyse auch als Video an, ab Minute 1:33 beginnt eine gute Animation der Strömungssysteme:
Anstieg des Meeresspiegels
Die Höhe des Meeresspiegels wird weltweit gemessen, manche Datensammlungen reichen bis 1700 zurück.
Die Messungen erfolgen weltweit mit einer Reihe unterschiedlicher Methoden, die alle zu ähnlichen Ergebnissen kommen: Daten von Sedimentbohrkernen, Küstenpegeln und Satelliten.
Wetterbedingt schwanken die Daten leicht – bei Betrachtung der gesamten Datensammlung über 300 Jahre hinweg wird der Trend aber deutlich:
„Indirekte und direkte Daten zum Meeresspiegel zeigen einen Wechsel zwischen spätem 19. und frühem 20. Jahrhunderts: Während der zwei Jahrtausende zuvor waren die Anstiegsraten relativ niedrig, danach waren die Anstiegsraten höher. Und es ist wahrscheinlich, dass die Anstiegsrate des mittleren globalen Meeresspiegels sich seit dem frühen 20. Jahrhundert weiter erhöht hat.”
So lautet das Fazit des Fünften Sachstandsbericht des IPCC, der Ende 2013 den weltweiten Stand der Forschung zum Thema zusammengetragen hatte (WGI, AR5, S. 1139; Executive Summary von Kapitel 13)
Aktuelle Computermodelle errechnen nun einen Anstieg des Meeresspiegels bis 2100 (Fünfter Sachstandsbericht des IPCC)
- optimistisch (bei strengen Klimaschutzbemühungen) um 28 bis 61 Zentimeter
- pessimistisch (bei weiterem ungebremsten Ansteigen der Treibhaus-Emissionen) um 52 bis 98 Zentimeter
Was bedeutet das konkret für uns in Deutschland?
Was das allein für Deutschland bedeutet, lässt sich mit einem Blick auf die Landkarte erfassen:
Wenn Sie auf einem Mittelgebirgsrücken wohnen oder Ihr Haus sicherheitshalber auf einer Warft angelegt haben, können Sie sich jetzt beruhigt zurücklehnen und zusehen, wie die Nordsee sich hinter den Deichen aufbaut oder die Norddeutschen Tiefebenen und die Flußmündungen voll laufen.
Der Sprit bleibt günstig, weil genug Wasser im Rhein ist. In Deutschland hat man auf einmal auch mitten in einigen Großstädten Meerblick bis in den 1. Stock. Meertext gründet ein Whale-watching-Unternehmen für den Hamburger Rathausmarkt. Innerdeutsche Klimaflüchtlinge werden ganz bestimmt überall bei bezahlbarem Wohnraum von liebenswürdigen neuen Nachbarn empfangen.
(Achtung! Dieser Absatz konnte Spuren von Sarkasmus enthalten).
Wissenschaftliche Modelle zwischen Ignoranz und Katastrophenszenario
Sind sich Wissenschaftler einig zum Thema Klima?
Einig sind sie sich darin, dass es insgesamt auf der Erde wärmer wird.
Zu Details der Klimamodelle gibt es natürlich Diskussionen. Die ändern aber nichts am Endergebnis.
Wie kommen Wissenschaftler zu einem Modell? Was sagen solche Modelle aus? Was sind Fakten?
Eine besonders gut aufbereitete Datensammlung ist unter klimafakten zu finden. Dort fließen Ergebnisse aus vielen verschiedenen Arbeitsgruppen weltweit ein, was die Voraussetzung für belastbare Daten und Aussagen ist.
Wer ist Klimaexperte? Auf welche Aussagen kann man sich verlassen?
Das hat Stefan Rahmstorf in seinem Beitrag „Wie erkennt man echte Klimaexperten?“ schön zusammengefasst.
Übrigens: Mögliche Fehler in meinem Beitrag bedeuten nicht, dass es keinen Klimawandel gibt.
Kommentare (22)