Die Publikation „Stomach contents of the archaeocete Basilosaurus isis: Apex predator in oceans of the late Eocene“ von Dr. Manja Voss et al hat erfreuliche Kreise in der Tagespresse gezogen (Voss M, Antar MSM, Zalmout IS, Gingerich PD (2019) Stomach contents of the archaeocete Basilosaurus isis: Apex predator in oceans of the late Eocene. PLoS ONE 14(1): e0209021. )
Wadi al Hitan ist eine einzigartige Urwal-Fossilfundstelle mit Hunderten von Skeletten – vor allem Basilosaurus isis und Dorudon atrox – ihrer Begleitfauna und ihrem Ökosystem in hervorragender Erhaltung.
Die Publikation beschreibt den Fund eines fossilen Mageninhalts, die umfassende Hintergrund-Recherche lässt vor meinem inneren Auge ein ganzes Ökosystem lebendig werden! Darum gibt es jetzt einen ausführlichen Hintergrundartikel dazu – die fossilen Wale der Fayum-Oase sind es wert.
Wer mich auf einem imaginären Tauchgang in das warme Tethysmeer und eine Urwal-Jagdzene begleiten mag, ist herzlich dazu eingeladen –im letzten Abschnitt: Tauchgang im Tethys-Meer (am Ende von Teil 2).
Basilosaurus – der König der Echsen
Basilosaurus war mit bis zu 18 Metern eines der längsten Tiere seiner Zeit, er lebte vor 40 bis 34 Millionen Jahren (Eozän) in der subtropischen Tethys.
Entdeckt wurde er Anfang des 19. Jahrhunderts: In den US-Bundesstaaten Louisiana und Alabama wurden um 1830 zunächst vor allem Wirbel gefunden, aber auch Schädel. 1834 beschrieb der Geologe Richard Harlan die Knochen als Fossilien eines gewaltigen Reptils. Verständlich, denn der seltsame 1,5 lange Meter gestreckte Schädel voller Zähne erinnerte auf den ersten Blick an ein Krokodil. Wegen des echsenartigen Gebisses nannte Harlan das Fossil Basilosaurus – der König der Echsen.
Harlan brachte seine Funde nach London, wo der berühmte englische Anatom Sir Richard Owen vor allem anhand der Zähne mikroskopisch und makroskopisch herausfand, dass er den Schädel eines gewaltigen Urwals vor sich hatte. So schlug „Owen 1839 vor, den Namen Basilosaurus abzuändern in Zeuglodon („Jochzähner“ oder „Doppelzähner“). Der Name bezieht sich auf den Bau der zweiwurzeligen Backenzähne. Der US-amerikanische Urwal wurde zu Zeuglodon cetoides: „walartiges Zeuglodon“.
Basilosaurus wurde dann noch in einen Seeschlangenschwindel verwickelt und hat es heute zum Nationaltier der US-Staaten Mississippi und Alabama gebracht.
Wenig später wurden Fossilien dieses Urwals auch aus Ägypten gemeldet.
Alle Fundstellen des Basilosaurus/Zeuglodon liegen an den Ufern des einstigen Urmeeres Tethys, das sich um den Äquator herum erstreckte. Die ägyptische Fundstelle Wadi al Hitan – das Tal der Wale – in der Fayoum-Oase der Fayoum-Senke ist die berühmteste davon, sie enthält ein ganzes Ökosystem einer Tethys-Lagune und ist aufgrund der außerordentlich reichhaltigen Fundsituation heute ein UNESCO-Weltnaturerbe.
1990 konnte Philip Gingrich, einer der weltweit führenden Experten für Wal-Fossilien, nachweisen, dass die in der Fayoum-Oase einzeln herumliegenden Hinterbeine zum Urwal Basilosaurus gehörten. Die Hinterbeine waren bei diesem Urwal nicht mehr fest mit den Beckenknochen verbunden, darum hatten sie sich im Laufe der Verwesung vom Körper gelöst und wurden lange Zeit nicht in den Kontext zu diesem Urwal gestellt. Gingrich deutet sie als Hilfen bei der Paarung, was bei dem schlangenförmigen Körper Sinn ergeben würde.
Das komplette Sprunggelenk und die Zehen sind erhalten – der Astraglus (Sprunggelenk) zeigt deutlich, dass Wale zu den Paarhufern (Artiodactyla) gehören: „The basilosaurid astragalus still has a pulley and a hooked knob pointing up towards the leg bones as in artiodactyls, while other bones in the ankle and foot are fused. From the ear bones to the ankle bones, whales belong with the hippos and other artiodactyls.”
Heute heißt das schlangenartige eozäne Waltier wieder Basilosaurus, denn nach den Vorgaben der Nomenklaturkommission gilt der erste Name. Die Gattung Basilosaurus umfasst heute drei Arten: Basilosaurus cetoides (Nordamerika), Basilosaurus isis (Ägypten, Jordanien) und Basilosaurus drazindai (Pakistan).
Der zweite häufig gefundene Urwal der Fayoum-Oase ist Dorudon atrox, ein bis zu 5 Meter langer Meeresbewohner. Er war eher kompakt gebaut, aber ebenfalls ein Jäger. Von der Gattung Dorudon sind heute zwei Arten bekannt: D. atrox aus Nordafrika und D. serratus aus South Carolina.
Die ägyptischen Urwale waren schon voll aquatisch, hatten aber noch kleine Hinterbeine und das typische Urwal-Gebiss.
Bei beiden fossilen Walen sind die Schwanzwirbel so geformt, dass die Wal-Paläontologen davon ausgehen, dass die Tiere bereits eine Fluke wie heutige Wale hatten: „As whales began to swim by undulating the whole body, other changes in the skeleton allowed their limbs to be used more for steering than for paddling. Because the sequence of these whales’ tail vertebrae matches those of living dolphins and whales, it suggests that early whales, like Dorudon and Basilosaurus, did have tailfins. Such skeletal changes that accommodate an aquatic lifestyle are especially pronounced in basilosaurids, such as Dorudon.”
Urwale (Archaeoceti) haben zwei unterschiedliche Zahnformen: Im hinteren Teil des Gebisses sind sie mehrspitzig und kammartig gezähnt. Solche Zähne haben heute etwa Krabbenfresser-Robben, sie sind also schon gut angepasst an das Fangen glitschiger Beute im Wasser. Im vorderen Teil des Gebisses stehen kegelförmige Zähne, sehr ähnlich den reptilienartig anmutenden Zähne heutiger Zahnwale.
Alle Urwale waren Jäger! Erst mit dem Aufstieg der modernen Wale entwickelten sich seit ca. 30 Millionen Jahren Plankton fressende Bartenwale (Mysticeti).
Wadi al Hitan: Von der Wal-Kinderstube zum Wal-Friedhof
Die bedeutendsten Fossilfundstellen für Wale liegen in heutigen Wüsten, scheinbar fernab der Meere. Sie sind ehemalige Küstenbereiche und enthalten neben Walen auch andere Meeresfossilien. In Wüsten fehlt störende Vegetation, so sind paläontologische Schätze offen gelegt.
Die spektakuläre ägyptische Fayoum-Fundstelle liegt 140 km südwestlich von Kairo in der Sahara. Das heutige Tal der Wale war vor Urzeiten eine seichte Lagune der Tethys. Im späten Eozän, vor etwa 41 bis 35 Millionen Jahren, tummelten sich hier viele Wale und andere Meerestiere im lauwarmen Wasser. Aufgrund der vielen jungen Dorudons vermuten die Paläontologen schon lange, dass die Lagune eine Art Kinderstube für diese Wale war. Die einstige Kinderstube ist heute einer der bedeutendsten Wal-Friedhöfe der Welt!
Wadi Al Hitan ist eine Konzentrat-Lagerstätte mit einer außergewöhnlichen Dichte an Fossilien in hoher Qualität. Darunter sind Hunderte von Basilosaurus isis und Dorudon atrox-Fossilien. Als Begleitfauna kommen einige weniger häufige Urwale, drei Arten von Seekühen, zwei Krokodil-Arten, Seeschlangen, Meeresschildkröten, Knochenfische und viele Haie vor. Viele der Fossilien sind vollständig, oft sind die Knochen noch im Verband. Dazu gibt es natürlich die übliche Begleitfauna an kleineren Wirbeltieren und Wirbellosen sowie reichlich Plankton. Die Analyse des Nanoplanktons und der Foraminiferen-Zonen zeigen, dass WH 10001 etwa 37,5 Millionen Jahre alt ist, das entspricht der Bartonium–Priabonium- Grenze am Übergang vom Mittleren zum Oberen Eozän.
(Weiter geht es in Teil 2)
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